Protocol of the Session on February 18, 2016

Ich befürchte aber, dass die sicherlich gut gemeinte Initiative das Problem, vor dem wir stehen, nicht löst. Ich bezweifle sogar, dass sich politischer Radikalismus überhaupt ansatzweise dadurch wirksam einhegen lässt, dass man „gute Demokraten“ definiert, die den „bösen Populisten“ und den „rechten

(Eka von Kalben)

Hetzern“ durch Symbole zeigen, wie unanständig sie sind.

Dass sich die AfD jetzt auf einem Umfragen-Höhenflug befindet, der sie über 10 % oder sogar 15 % hievt, ist definitiv nicht darauf zurückzuführen, dass die Abgeordneten des Landtags oder des Bundestages es je versäumt hätten, ihre politischen Positionen darzustellen. Vielmehr sind diese Umfragewerte Ausdruck der Verunsicherung vieler Menschen darüber, ob die Politik das leisten kann, was sie leisten soll, nämlich Probleme wirklich zu lösen. Über diese Besorgnis geht Ihr Antrag aber einfach hinweg. Wenn 81 % der Bevölkerung glauben, dass die Regierung nicht mehr in der Lage ist, mit den Problemen, die den Menschen auf den Nägeln brennen, sinnvoll umzugehen, dann ist das ein Alarmsignal an die Gestaltungsfähigkeit der Politik.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Ich gehe aber noch weiter. Ich glaube nicht nur, dass der vorliegende Antrag nicht nur nicht hilft, das Problem zu lösen. Ich glaube sogar, dass er kontraproduktiv ist. Denn in Ihrem Kreuzzug für den politischen Anstand schießen Sie weit über das Ziel hinaus. Bedauerlicherweise fordern Sie mit Ihrem Antrag sogar zum Widerspruch heraus, was mich persönlich besonders schmerzt.

Schlimmer noch: Jeder Demokrat, dem unsere freiheitlichen Grundwerte viel bedeuten, sieht sich in der unangenehmen Lage, nun auch Rechtspositionen der AfD verteidigen zu müssen, wenn man den Rechtsstaat in diesem Land ernst nimmt.

Was soll es uns sagen, wenn Sie hier beschließen wollen, das Legislativorgan Landtag SchleswigHolstein „stellt sich den neuen rechten Parteien wie der AfD entschlossen entgegen und sucht die politische Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit“? Was soll uns das sagen? Ein Staatsorgan stellt sich der AfD entgegen. Heißt das nicht, dass der Landtag nicht mehr über politische Problemlösungen entscheidet, sondern jetzt auch dafür genutzt werden soll, missliebige Parteien auszugrenzen?

Wollen wir das jetzt mit jeder Partei machen, die uns nicht gefällt? Wollen wir also das moralische Mehrheitsprinzip über das Rechtsstaatsprinzip erheben? Ist das Ihr Beitrag für die Verteidigung des demokratischen Rechtsstaates, wenn wir nicht verbotene Parteien durch Landtagsbeschluss ins Abseits stellen? Das können wir als Parteien im Wahlkampf machen. Dass sich aber der Landtag so positionieren soll, ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Mit solchen Symbolen liefern wir der AfD die Märtyrerrolle gleich auf dem Tablett mit. Die AfD ist nämlich nur das Symptom eines Problems, aber nicht das Problem selbst.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Dass wir gemeinsam zu Demonstrationen gehen wollen. Wir haben aber nie als Landtag beschlossen, dass die AfD oder eine andere Partei als solche -

(Serpil Midyatli [SPD]: Ich hätte hier eine ganz andere Rede erwartet! Gerade von Ih- nen!)

- Frau Midyatli, wenn Sie nicht begreifen, was Verfassungsrecht ausmacht, wenn Sie nicht begreifen, dass wir die Rechten nur mit der Stärke des Rechts bekämpfen können, dann tun Sie mir wirklich leid.

(Serpil Midyatli [SPD]: Es wird Ihnen nicht leid tun!)

Es geht ja nicht um die moralische Überlegenheit, sondern es geht um die Frage des Rechtsstaats.

Mir ist das relativ egal, wenn die Sozialdemokratie dieses Landes glaubt, man könnte den Rechtsstaat mit Füßen treten. Dann werden Sie aber die Ergebnisse erleben. Ja, sie treten den Rechtsstaat mit den Füßen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Grundsätzlich stimmt es ja: Die AfD ist eine rechtspopulistische, von Ressentiments und Xenophobie durchsetzte Partei. Sie vertritt Positionen, die oftmals nur schwer zu ertragen sind. Die Partei ist aber nicht verboten und ist deshalb ein Konkurrent im politischen Wettbewerb. Das Verfassungsorgan Landtag entscheidet deshalb auch nicht darüber, ob die AfD ein gutes oder schlechtes politisches Angebot macht. Das entscheiden immer noch die Wählerinnen und Wähler. Unsere politische Aufgabe muss darin bestehen, ihnen möglichst viele Wähler abspenstig zu machen anstatt sie der AfD in Scharen zuzutreiben, was wir gegenwärtig tun.

(Beifall FDP und CDU)

Dass Sie Ihre moralischen Vorstellungen über rechts erheben wollen, ist das eine. Das kann ich nachvollziehen. Dass Sie dabei aber auch Ihre moralischen Vorstellungen über das Recht erheben wollen, ist brandgefährlich. Noch einmal: Sie schaufeln der AfD auf diese Art und Weise Menschen zu, weil Sie die AfD in eine Märtyrerrolle bringen und damit genau die Vorurteile mit Nah

(Wolfgang Kubicki)

rung füttern, die die AfD vor sich herträgt, nämlich das System sei nicht mehr reformfähig, und die Medien seien nicht mehr in der Lage, vernünftig Berichte zu erstatten.

Wir müssen an dieser Stelle auch fragen, ob wir in der Vergangenheit wirklich alles getan haben, um die Sorgen und Nöte vieler Menschen in SchleswigHolstein aufzunehmen und nicht zu vergrößern. Tun wir alles in unserem Verantwortungsbereich, um der allgemeinen Frustration und Politikverdrossenheit keinen Vorschub zu leisten? Ich glaube, so selbstkritisch sollten wir sein: Zweifel sind da angebracht.

Politikverdrossenheit wird dadurch größer, wenn die Menschen den Eindruck haben, dass es uns nicht mehr in erster Linie um die Problemlösung geht, sondern zuerst darum, den politischen Kontrahenten schlecht dastehen zu lassen. Das Vertrauen in die Lauterkeit der Politik wird also gestärkt, wenn wir dem politisch Andersdenkenden zunächst einmal den guten Willen unterstellen, dass er ein Problem lösen will.

Auch an dieser Stelle sage ich, Herr Kollege Dr. Stegner: Wenn mehr als 50 % der Deutschen das Gefühl haben, sie könnten ihre Meinung nicht mehr frei äußern, haben wir ein Demokratieproblem, dem wir entgegenwirken müssen. Wir dürfen nicht so tun, als gäbe es dieses Problem nicht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Auch hier sehe ich bei Ihrem Antrag erhebliche Defizite. Es gibt einen verräterischen Passus in Ihrem Antrag, in dem eine gefährliche moralische Kategorisierung in Gut und Böse durchdringt. Auf Seite 2 Ihres Antrags lesen wir:

„Berechtigte Sorgen der Menschen nehmen wir weiter ernst und lassen diese mit ihren Befürchtungen nicht alleine.“

Die erste Frage ist: Wer entscheidet darüber, welche Sorgen berechtigt und welche Sorgen nicht berechtigt sind?

„Politisch andere Positionen zu vertreten, legitimiert jedoch nicht, Ressentiments zu bedienen. Rechtspopulismus lässt sich nicht dadurch bekämpfen, dass demokratische Parteien sich in ihrem Handeln oder ihrer Programmatik rechtspopulistischen Positionen anpassen.“

Was will uns dieser Passus sagen? Jeder, der eine andere Position vertritt als das, was Sie für den politischen Mainstream halten, ist potenziell gefähr

det, Ressentiments zu bedienen? Jeder, der nicht auf der angeblich richtigen politischen Seite steht, ist also potenziell ein Rechtspopulist?

Ich kann Ihnen nur raten, diesen Punkt sorgfältig zu überdenken, bevor Sie ihn hier beschließen. Denn damit schüren Sie selbst Ressentiments und stellen andere politische Vorstellungen unter Generalverdacht.

Ich will einen Punkt aus der gestrigen Debatte aufgreifen. Ich habe mich öffentlich so geäußert, dass der Ministerpräsident eine Schande für die Flüchtlingspolitik und für das Land Schleswig-Holstein sei. Ich gebe zu: Das war eine überzogene Formulierung. Der Kern ist aber, dass ich es nicht akzeptiere, dass sich bei einer Frage, die die Menschen und auch uns bewegt, der Ministerpräsident dieses Landes nicht öffentlich äußert, nicht zu einer Position äußert und sie im Zweifel verteidigt und damit für diese Position wirbt.

(Beifall FDP und CDU)

Man kann der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel viel vorwerfen. Ich glaube auch, dass sie viele Fehler gemacht hat. Die Frau stellt sich aber ins Parlament und kämpft für ihre Überzeugung. Die Frau tritt dafür ein. Das nötigt Respekt ab, aber nicht die Tatsache, dass der Ministerpräsident bei einer so zentralen Frage nicht das Wort ergreift.

(Beifall FDP und CDU - Zurufe SPD)

Ich will darauf hinweisen, worin die Gefährlichkeit liegt. Ich akzeptiere jeden Kommentar, weil ich Vertreter der Meinungs- und Pressefreiheit bin. Dass diese Äußerungen aber in einem Kommentar in den „Kieler Nachrichten“ in den Bereich des Rechtspopulismus gerückt werden, das ist schon etwas, worüber ich nachdenken muss. Die Aussage lautet:

„Solche Worte fielen nicht auf irgendeiner PEGIDA-Demonstration in Dresden, sondern im Landeshaus. Dabei sind die Rechtspopulisten, von denen man solche Äußerungen eher erwarten würde, hier noch gar nicht vertreten.“

(Martin Habersaat [SPD]: Denken Sie dar- über nach!)

- Denken Sie einmal darüber nach, was das heißt. Herr Kollege, Meinungsstreit ist die Grundlage unserer demokratischen Grundordnung. Sie entscheiden nicht darüber, welche Aussage rechtspopulistisch ist. Das entscheiden im Zweifel die Menschen.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall FDP und CDU)

Wenn wir so mit Ihrer moralischen Überlegenheit argumentieren, dann werden Sie sehen, wohin die Wähler Sie im Zweifel hinbringen.

Noch einmal: Wenn 50 % der Menschen sagen, sie trauten sich nicht mehr, ihre Meinung frei zu sagen, dann haben wir alle ein Problem. Wenn Sie jetzt solche Anträge formulieren, mit denen Sie bestimmen wollen, was Rechtspopulismus ist, grenzen Sie damit Menschen aus dem allgemeinen Diskurs aus. Damit tun Sie der Demokratie keinen Gefallen. Im Gegenteil, dann schaden Sie dieser Demokratie auf ungeheure Art und Weise.

(Beifall FDP und CDU)

Dass diese sozialdemokratische Schwarz-Weiß-Kategorisierung kein verzeihlicher Ausrutscher ist, sondern sozusagen zur sozialdemokratischen Grundüberzeugung gehört, zeigt uns ein Blick in die Presse. So konnten wir zum Beispiel am 11. Oktober 2015 im „Hamburger Abendblatt“ lesen, wie Ministerpräsident Torsten Albig auf einem Pinneberger Kreisparteitag seine Parteifreunde auf die künftige politische Auseinandersetzung einstimmte. Wir lesen also:

„,Die kommenden Wahlen werden Richtungswahlen‘, sagte er. Es gebe dann eine Entscheidung zwischen einer rechtspopulistischen und einer sozialdemokratischen Richtung.“

Es gibt also nur Rechtspopulisten und Sozialdemokraten. Der Rest findet nicht mehr statt. Es ist unverantwortlich, so zu argumentieren.