Protocol of the Session on February 18, 2016

Das ist interessanterweise auch bei Ökolebensmitteln nachzuweisen, allerdings im Umfang von ungefähr der Hälfte oder einem Drittel. Da ist der Höchstgehaltswert bei 0,5 % der Proben überschritten worden, und bei 0,35 % hat er sogar zu Beanstandungen geführt. Das ist deshalb interessant, weil der Ökolandbau bekannterweise keine oder nur in einem sehr reduzierten Maße Pflanzenschutzmittel einsetzen darf. Das sind Stoffe, die offensichtlich durch die Drift von Nachbaranbaugebieten, durch Verwechslung oder möglicherweise auch durch falsche Deklaration da hineingeraten. Es ist jedenfalls interessant, dass auch Ökolebensmittel - wenn auch in einem geringeren Maße - belastet sind. Die Hauptursache wird die Abdrift sein. Wir hatten das bei der Diskussion über die Novellierung der Ökoverordnung - kleiner Schlenker. Es wäre also fies, wenn man die Ökobauern dafür zur Rechenschaft zöge, dass ihre Lebensmittel belastet sind, wenn doch der Nachbar derjenige ist, der spritzt. Man kann auch in diesem Bericht gut nachvollziehen, dass das ein Problem darstellt.

Bei 1 % der Fälle kann rechnerisch eine gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt werden. Rechnerisch ist das ein abstrakter Wert, gleichwohl zeigt es, dass man das Problem nicht verharmlosen oder verniedlichen sollte. Auf die kumulativen Wirkungen, die nicht erforscht sind und für die keine Grenzwerte festgelegt sind, habe ich hingewiesen. So weit der Bericht. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber von der SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dem Minister danke ich für den Bericht zu Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln. Schleswig-Holstein ist mit dem Landeslabor in Neumünster gut aufgestellt und Teil des Monitoring- und Kontrollprogramms. Die Ergebnisse sind relativ konstant: 40 bis 50 % der Proben sind unbelastet, 50 bis 60 % der Proben haben Pflanzenschutzmittelrückstände in feststellbarer Größe, 1 bis 2 % überschreiten die zulässige Höchstgrenze. Summa summarum: Die Ergebnisse sind nicht auffällig und eigentlich kein Grund zur Sorge.

Dennoch entscheiden sich immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher, Lebensmittel zu konsumieren, bei denen aufgrund der Produktionsweise weniger Pflanzenschutzmittelrückstände zu erwarten sind. Immer mehr Menschen greifen in Naturkostläden, Supermärkten und bei Discountern zu Biolebensmitteln oder zu Produkten aus der Region. Der Umsatz in Deutschland erhöhte sich 2015 um 11,1 % auf rund 8,6 Milliarden €. Marktexperten führen das Umsatzplus auf die mittlerweile gut entwickelten Vermarktungsstrukturen zurück. Der Bundeslandwirtschaftsminister prognostiziert für Biobetriebe gute finanzielle und wirtschaftliche Aussichten.

Sie erinnern sich an unseren Antrag zum Ökolandbau, strategische Ausrichtung, denn mit 3,8 % Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche nimmt Schleswig-Holstein den drittletzten Platz im Ranking der Bundesländer ein. Das reicht nicht.

Mit dem Netzwerk für ökologischen Landbau ist jetzt ein wichtiger Schritt getan. Es bietet Akteuren aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Vermarktung, Lehre eine Plattform für gemeinsame Projekte, denn der Markt für Ökolebensmittel ist einträglich. Höchste Zeit, dass auch die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein davon profitiert.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Um es hier noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es geht nicht um entweder konventionell oder bio, es geht um sowohl als auch. Unsere Landwirtschaft erzeugt gesunde Lebensmittel, ohne Frage, und

(Minister Dr. Robert Habeck)

doch müssen wir uns um die Produktionsweise und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Boden, Wasser und Klima Gedanken machen und handeln. So zu handeln, dass klare Regeln faire Bedingungen schaffen, muss in einem Schrittmaß geschehen, dass die Landwirtschaft mitgehen kann.

Nun kommt reflexhaft der Einwand, das gehe alles nicht, wir müssten die Welt ernähren. Hand aufs Herz: Bei einem Globus in der Größe eines Medizinballs hat Schleswig-Holstein ungefähr das Ausmaß eines Stecknadelkopfes. Für unsere Gunstregion ist der Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse immer Teil des Wirtschaftens gewesen und wird es auch bleiben, und trotzdem ernähren wir nicht die Welt.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Forschung, Wissenschaft und technische Entwicklung sind viel entscheidender. Da können wir eine ganze Menge tun. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Gibst du dem Hungrigen einen Fisch, ist er einen Tag satt, gibst du ihm eine Angel, kann er sich selbst ernähren.

Ein Beispiel dafür ist der Promotionsschwerpunkt der Christian-Albrechts-Universität „Ein Dritter Weg zur Ernährung der Einen Welt“, vorgestellt im Januar 2015. Hier geht es um Lösungsansätze zur Welternährung, nachhaltige Landwirtschaft und die Suche nach einem Kompromiss zwischen Ökolandbau und hochintensiver Bewirtschaftung.

Dass die CDU ihr Positionspapier im August 2015 „Für einen dritten Weg: Gegenentwurf zur grünen Agrarwende“ überschreibt, zeigt Fantasielosigkeit, genauso wie bei der Großen Anfrage „Zukunft der Städte und des ländlichen Raums“, die Sie bei der FDP in NRW und Niedersachsen abgeschrieben haben. Der Dritte Weg kommt immerhin aus Schleswig-Holstein. Sie zeigen, dass Sie es immer noch nicht verstanden haben. Sie locken die Landwirtschaft auf einen Holzweg.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Kritiker äußern, dass die Ökoproduktion angeblich die doppelte Fläche für denselben Ertrag benötige. Der Industrieverband Agrar hat dazu gerade eine Ertragsstudie herausgegeben, bei der auf Material des bundeseigenen Thünen-Instituts zurückgegriffen wurde. Fachleute bezeichnen diese Studie als dubios. Das Thünen-Institut konstatiert, dass die Daten weder dazu gedacht noch geeignet seien, physische Erträge ökologischer und konventioneller Betriebe miteinander zu vergleichen. Wir sollten die Meinungsführerschaft nicht denen überlassen,

die die Pflanzenschutzmittel produzieren, über deren Rückstände in Lebensmitteln wir gerade gehört haben.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen seriöse Wissenschaft und Forschung, im Sinne eines dritten Weges für Nachhaltigkeit. Danke.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Hauke Göttsch [CDU]: Am Thema vorbei! Sechs!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche gleich, auf den Minister einzugehen. Es hat mir gut gefallen, dass Sie objektiv beschrieben haben, was in dem Bericht zu Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln steht, und nicht weit abweichend vom Thema hier über blumige Wiesen gesprochen haben - wie Frau Eickhoff-Weber von Ökolandbau, Bewirtschaftung, Drittem Weg oder der Ausrichtung der Agrarpolitik. Davon ist in dem Bericht, den wir vorgelegt bekommen haben, überhaupt nichts zu lesen. Insofern war das eine etwas freie Interpretation von politischen Standardaussagen Ihrer Fraktion oder auch Ihre persönliche Meinung.

(Beifall CDU)

Ich komme nun zum Bericht. Es gibt aus meiner Sicht vier Kernaussagen. Die erste: Es ist auf EUEbene rechtlich alles geordnet, wenn es um Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, besonders in Lebensmitteln, geht. Das kann man nur begrüßen. Es ist nicht nur auf EU-Ebene seit 2008 durch eine Verordnung geregelt, sondern sie wurde auch auf Bundes- und Landesebene heruntergebrochen, und auch das kann man nur begrüßen. Seit 1995, Herr Minister - nicht seit zehn Jahren, sondern seit über 20 Jahren -, gibt es ein sogenanntes Monitoring, an dem auch Schleswig-Holstein dankenswerterweise regelmäßig teilnimmt.

Wichtig ist dabei: Das Ganze wird risikobasiert für alle pflanzlichen Lebensmittel durchgeführt und nicht nur für diejenigen, die hier hergestellt werden. Das ist dabei der eigentlich wichtige Punkt. Es wird auch für die Dinge durchgeführt, die importiert, also nicht in Schleswig-Holstein hergestellt werden.

Zweite Aussage: In Schleswig-Holstein gibt es so gut wie gar keine Überschreitungen. Es sind nicht einmal Rückstände in den Produkten zu messen, die wir hier als pflanzliche Lebensmittel direkt

(Kirsten Eickhoff-Weber)

herstellen. Das ist äußerst begrüßenswert, und deswegen bin ich dankbar, dass Sie den Bericht hier auch vorgelegt haben. Rückstandsarm sind dem Bericht zufolge Babynahrung, Getreide, Kartoffeln, Weißkohl, Blumenkohl, Spargel, Möhren, Kürbis und Zwiebeln. Das sind alles Produkte aus Schleswig-Holstein.

Mittlere Gehalte gibt es in Paprika, Gurken, Bananen, Auberginen, Brombeeren, Spinat und Tomaten. Da fragt man sich, wann die beprobt wurden, zu welcher Jahreszeit, ob es Import- oder Exportware war oder heimische Herstellung. Das ist nicht genannt. Ausgeprägte Rückstände - auch interessant - wurden gefunden in

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Pfirsich, Aprikose - Frau Kollegin, Pfirsiche und Aprikosen stammen nicht aus Schleswig-Holstein -, Blattsalat, Erdbeeren und Trauben.

Da fragt man sich auch: Woher stammen diese Produkte, zu welcher Jahreszeit wurden sie geerntet, handelt es sich um Importware, oder wurden sie selbst hergestellt? Wahrscheinlich stammen sie nicht aus Schleswig-Holstein. Zur zweiten Aussage kann ich den Rückschluss ziehen: Heimische Produkte, regional und saisonal essen! Da können Sie nichts falsch machen. Hier ist nichts belastet. Im Bund stellt sich ein ähnliches Bild dar. Nur Importware ist hier explizit genannt. Wenn überhaupt, dann sind Kräuter und Tees belastet.

Die dritte Aussage: Jetzt kommen wir zu den Ökoprodukten. Ich stelle mir die gleiche Frage wie Sie, Herr Minister: Warum können in Ökoprodukten überhaupt Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auftreten? Sie haben gesagt, das wird an der Abdrift liegen. Ich würde sagen, es liegt daran, dass man in dem Bericht nicht dargestellt hat, dass natürlich auch die Importware beprobt wird, und die Importware wird auch als Ökoware verkauft, oftmals mit anderen Standards.

Das heißt natürlich im Rückschluss: In SchleswigHolstein gibt es auch bei der Ökoproduktion keinerlei Belastungen. Das, was dort belastet ist, wird Ware sein, die wir importieren. Also: Essen Sie wieder heimisch, regional, saisonal und vielleicht auch noch ökologisch, dann können Sie gar nichts falsch machen!

(Beifall CDU - Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Sie können ja gern eine Frage stellen.

Die vierte Aussage: Es geht um Glyphosat. Auch das haben wir hier im Landtag schon einmal diskutiert. Nun sehe ich den Bericht: In Schleswig-Holstein gibt es keine Überschreitungen und kaum Rückstände; Letzteres gibt es nur bei 0,3 % der Gesamtbeprobung. Auch das ist hervorragend, und da kann man nur sagen: Hut ab vor denen, die hier in Schleswig-Holstein produzieren.

(Beifall CDU)

Jetzt komme ich zur Zusammenfassung. Ich zitiere aus dem Bericht:

„Die Bewertung der Verbraucherexposition zeigt, dass die langfristige Belastung der Konsumenten durch Rückstände sehr gering ist.“

Meine Schlussfolgerung: Das Kontrollsystem funktioniert hervorragend. Die Behörden haben hervorragend gearbeitet. Essen Sie saisonal und regional aus Schleswig-Holstein, dann können Sie gar nichts falsch machen.

Abschließend die Frage an den Herrn Minister: Wir haben hier auch über eine Besteuerung von Pflanzenschutzmitteln gesprochen. Dieser Bericht belegt für mich, dass das, was Sie da geplant haben, unhaltbar und auch nicht darstellbar ist. Wir brauchen keine Pflanzenschutzmittelbesteuerung, sondern müssen den Weg, wie wir ihn hier in SchleswigHolstein bisher beschritten haben, weiter verfolgen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU - Sandra Redmann [SPD]: Das war nichts!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal ein herzliches Dankeschön an die Landesregierung für diesen Bericht, und auch ein Dank an das Landeslabor für die wirklich jahrzehntelange wichtige Arbeit in den verschiedensten Bereichen, den Daten und die Qualitätssicherung, die dort erfolgt.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Dank an Heiner Rickers für seinen Beitrag!)

Er ist eine sinnvolle und notwendige Ergänzung zum Bericht „Pestizidrückstände in Gewässern“, den wir hier vor vier Monaten diskutiert haben. In

(Heiner Rickers)

der Debatte hat der Kollege Heiner Rickers - damit hat er diesen Bericht im Grunde mit angezettelt gesagt: „Die Lebensmittel sind sauber.“