Lassen Sie mich noch eine letzte Aussage treffen, weil mich das wirklich umtreibt. Das ist ein Problem, das ich an die SPD weitergebe. Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag erklärt, mit dem Konzept der CDU werde die Bevölkerung belogen, weil die Union nicht gleichzeitig mitliefere, wie sie das finanzieren wolle, dann ist das nicht nur eine dumme Aussage, sondern dann ist das auch kontraproduktiv, weil damit Besorgnisse und Ängste in der Bevölkerung geweckt werden, die wir nicht wecken dürfen, wenn wir wollen, dass die Menschen uns in der Flüchtlingspolitik, die wir betreiben, folgen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ganz beim Kollegen Dr. Stegner, der eine europäische Lösung angemahnt und gesagt hat, dass die entscheidenden Weichenstellungen auf europäischer Ebene getroffen werden. Insofern habe ich mich insbesondere über eine Aussage von Ihnen geärgert, weil Sie einer derjenigen gewesen sind, die genau wissen, dass unsere Bundeskanzlerin an dieser Lösung arbeitet und dabei unsere Solidarität und Unterstützung braucht. Unser Problem ist nicht, dass Deutschland eine falsche Haltung zur Flüchtlingspolitik hätte, sondern das Problem ist, dass wir einige europäische Länder davon überzeugen müssen, dass sie ihre Meinung ändern müssen, damit wir die Lasten besser verteilen. In dieser Situation sagen Sie allen Ernstes, Frau Merkel versage auf europäischer Ebene und sei nicht durchsetzungsfähig genug, um das durchzusetzen. Insofern frage ich mich, was das für eine Unterstützung ist, wie Sie sie immer einfordern. Wir müssen uns doch solidarisch zeigen, sonst werden wir die Probleme an dieser Stelle nicht lösen.
Sie tun heute wieder einmal nichts anderes, als über europäische Lösungen zu sprechen. Sie stellen sich hier hin und beschimpfen die CSU und Bayern und sagen, das sei alles populistisch, was gefordert werde. Sie verschließen sich zum wiederholten Male der Debatte im Schleswig-Holsteinischen Landtag und sagen nichts dazu, was Ihr Bundesvorsitzender Gabriel -
- Das hat sehr wohl etwas damit zu tun. Sie werfen uns das immer vor. Wir sagen auch sehr deutlich, was wir davon halten. Herr Gabriel gibt jedoch der „Bild“-Zeitung Interviews und bringt dabei eine Abschiebungs- und Abschottungsrhetorik zum Ausdruck. Wenn das einer von uns machen würde, würden Sie hier theatralisch kreischen. Ich möchte einmal von Ihnen hören, was Sie von den Äußerungen von Herrn Gabriel halten, Herr Kollege Stegner.
Selbstverständlich nervt auch uns die Geschwindigkeit, mit der im BAMF gearbeitet wird - bei allem Respekt. Sie waren auch nicht darauf vorbereitet, dass 1 Million Flüchtlinge zu uns kommen. Das muss man auch einmal sagen. Seien wir aber doch einmal ehrlich miteinander. Wenn das BAMF schneller arbeiten würde, würde das auf SchleswigHolstein überhaupt keine Auswirkungen haben. Denn all das, was danach kommt, nachdem das BAMF entschieden hat, was zu einer Ausweisung und Rückführung führen kann, konterkarieren Sie doch jeden Tag mit Ihren eigenen Maßnahmen in Schleswig-Holstein. Was Sie fordern, hätte in Schleswig-Holstein überhaupt keine Bewandtnis.
Um auch das noch einmal deutlich zu sagen: Wir kritisieren nicht Ihre Verfahrensregelung als regierungstragende Fraktionen mit Blick auf die Zustimmung im Bundesrat. Das haben andere Koalitionen genauso gemacht. Uns geht es darum, dass der Ministerpräsident bereits etwas angekündigt hat. Das wird er wohl mit Ihnen abgesprochen haben. Wie schicken Sie ihn denn sonst in Verhandlungen? Schleswig-Holstein hat schließlich eine Stimme. Der Ministerpräsident geht in die Verhandlungen, um für Schleswig-Holstein zu sprechen. Er erklärt am Ende, er werde zustimmen, Sie fallen ihm aber in den Rücken. Das ist doch das Problem, das hier stattgefunden hat.
Nun schweigt er seit zehn Tagen zu dem, was Sie gesagt haben. Herr Ministerpräsident, ich bin mir sicher, dass Sie heute ans Rednerpult treten und nicht den Innenminister vorschicken werden. Wir wollen heute eine Stellungnahme von Ihnen. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Das Wort für die Landesregierung hat wie angemeldet der Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegen zwei Anträge vor, die Grundlage der Beratung sind. Insofern sollten wir diese beiden Anträge entsprechend bearbeiten.
Beginnen möchte ich mit den Zahlen, die schon genannt worden sind. Mitnichten hat jemand von uns - weder der Ministerpräsident noch ich - von 70.000 Flüchtlingen in 2016 gesprochen. Herr Günther hat diese Zahl genannt. Aufbauend auf den Zahlen, die uns für Januar vorliegen, kann man Hochrechnungen anstellen. Das kann man aber auch nicht tun. Wenn man die Januarzahlen mit 52 Wochen multipliziert, dann kann man auf 70.000 kommen. Das ist in den Medien verbreitet worden. Ich habe an dieser Stelle immer wieder gesagt, dass niemand von uns den Blick in die Glaskugel wagen sollte und dass keiner von uns an dieser Stelle -
- Wir haben die Kleine Anfrage entsprechend beantwortet, um deutlich zu machen, woher diese Zahl 70.000 eigentlich kommt. Das ist mitnichten eine Prognose der Landesregierung für das Jahr 2016. Wenn Sie die täglichen Zugänge der vergangenen Tage zugrunde gelegt hätten, die kleiner als 100 waren, dann kämen Sie auf ganz andere Ergebnisse.
Trotzdem ist es mir wichtig, dass wir den anhaltenden Zustrom an Flüchtlingen, der uns hier in Atem hält, ernst nehmen. Gemeinsam mit vielen Institutionen und insbesondere mit der Zivilgesellschaft haben wir es im vergangenen Jahr geschafft, das Jahr der Herausforderungen zum Jahr der Lösungen zu machen. Wir sehen aber natürlich auch, dass die organisatorischen Strukturen immer wieder an Grenzen stoßen. Diese Strukturen bedürfen daher immer wieder der Entwicklung und der Justierung.
Das betrifft die von uns zu organisierende Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ebenso wie die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in asylverfahrensrechtlichen Angelegenheiten. Dabei beobachten wir, dass diese notwendigen Anpassungen in immer höherer Frequenz durch immer neue Initiativen in Form von Gesetzes- und Verordnungsänderungen erfolgen. Die Frage, ob das alles richtig und notwendig ist, kann sicher nicht allgemeingültig beantwortet werden. Das kann und darf je nach Maßnahme unterschiedlich bewertet werden.
Gerade die aktuelle Diskussion um das Asylpaket II zeigt, dass die Schwierigkeiten in diesem Kontext zunehmen. Es gilt, zunehmend unterschiedliche politische Zielsetzungen zu berücksichtigen, der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit zu beweisen und in diesem Kontext auch noch fachlich einwandfreie Gesetzes- und Verordnungstexte zu schaffen. Das
ist ein Spagat, der in der Tat nicht immer gelingt und deshalb Anlass für Kritik auf allen Ebenen sein kann und natürlich auch ist.
Die Landesregierung hat sich zu Eigen gemacht, die Vielzahl der aktuellen Gesetzgebungsverfahren auf einer fachlich orientierten Basis zu bewerten und nicht etwa einem vermeintlich verspürten politischen Handlungsdruck zu folgen. Dies führt dazu, dass wir gesamte Gesetzespakete weder komplett ablehnen noch in vollem Umfang unterstützen, sondern sie in ihren Einzelheiten sehr differenziert und stets vorrangig unter fachlichen Gesichtspunkten betrachten, um jeden Eindruck von Aktionismus an dieser Stelle zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich jetzt auf einzelne Aspekte, die in den Anträgen der Fraktion der PIRATEN und der CDU-Fraktion ausdrücklich angesprochen worden sind, im Einzelnen eingehe. Bitte sehen Sie mir nach, dass dies etwas detailreicher wird.
Die beabsichtigte Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten sehe ich in der Tat als problematisch an, aber nicht aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, sondern wegen der im Gesetzentwurf verwendeten Begründung. Dabei geht es nicht darum, Artikel 16 a Absatz 3 des Grundgesetzes anzuwenden und eine erkennbare positive Entwicklung eines Staates durch eine entsprechende Einstufung nachzuvollziehen. Vielmehr geht es offenbar darum, diese Regelung zu nutzen, um innenpolitische Ziele der Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. Das kann aber nicht der richtige Weg sein.
Es wäre um einiges ehrlicher und fachlich auch sinnvoller, Verfahrensbeschleunigung durch organisatorische und personelle Ertüchtigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu erlangen
und in begründeten Einzelfällen Verfahrenspriorisierungen bis hin zur sofortigen Bearbeitung zu ermöglichen. Über 700.000 offene Fälle sprechen Bände. Das ist die eigentliche Herausforderung. Wir alle können dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur wünschen, dass es seine in den letzten Tagen veröffentlichte Zielsetzung für 2016 erreicht, nämlich in Altverfahren innerhalb von fünf Monaten und über neue Asylanträge innerhalb von
Herr Günther, lassen Sie mich an dieser Stelle feststellen: Natürlich sind wir auf der Ebene des Landes darauf eingestellt. Wir haben unser Landesamt für Ausländerangelegenheiten strukturell neu aufgestellt. Neues Personal ist zugeführt. Stellen werden besetzt, um die entsprechenden Leistungen zu erbringen. Diese sind aber nicht nur im Landesamt, sondern auch in den Kreisausländerbehörden beziehungsweise den Zuwanderungsbehörden zu unterlegen.
Daneben ist es im Sinne einer zeitnahen praktischen Umsetzung negativer Asylentscheidungen dringend erforderlich, dass der Bund mit den betroffenen Herkunftsstaaten, gerade denen der Maghreb-Region, eine bessere Rückübernahme eigener Staatsangehöriger aushandelt.
Die nach wie vor kontrovers diskutierte und auch von mir kritisch bewertete Regelung eines eingeschränkten Familiennachzugs für Personen mit subsidiärem Schutzstatus dürfte in der Praxis kaum spürbare Folgen nach sich ziehen. Dies zeigt sich, wenn man die Zahlen aus dem Jahr 2015 zugrunde legt; 1.707 Personen ist subsidiärer Schutz gewährt worden. Im Vergleich dazu sind über 135.000 Personen als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt worden, da sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt haben. Für diese Fälle ist kein Moratorium für den Familiennachzug geplant. Ich will es wiederholen: Völlig zweifelsfrei darf es keine Beschränkung beim Familiennachzug von minderjährigen Antragstellern geben.
Hinsichtlich der erhöhten Anforderungen an die Schwere von Erkrankungen und die entsprechenden Nachweise bin auch ich kritisch. Ich halte es für unabdingbar, dass psychische und physische Erkrankungen sehr eingehend und individuell daraufhin geprüft werden, ob im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat daraus eine Gefährdungssituation für den Betroffenen erwachsen kann. Allerdings entnehme ich dem Gesetzentwurf hinsichtlich der entsprechenden zielstaatsbezogenen Prüfungen, die übrigens ausschließlich durch das BAMF vorgenommen werden, kaum etwas Neues. Lediglich ein Aspekt ist neu, nämlich die generelle Annahme, dass eine ausreichende medizinische Versorgung bereits dann vorliege, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist. Dies halte ich für außerordentlich bedenklich, gerade wenn ich an
Herkunftsstaaten wie Afghanistan denke, in denen je nach Landesteil unterschiedliche Sicherheitslagen herrschen.
Demgegenüber begrüße ich ganz ausdrücklich, dass die Anforderungen an ärztliche Bescheinigungen zur Reisefähigkeit jetzt klarer definiert sind. Unsere Behörden müssen aufgrund derartiger Bescheinigungen einschätzen können, ob eine amtsärztliche Begutachtung Betroffener vor einer Abschiebung erforderlich ist. Dies ist mit ärztlichen Zweizeilern, wie sie oft genug vorgelegt werden, schlechterdings nicht möglich. Es ist daher zu begrüßen, dass die Behörden, deren Arbeit inzwischen schwierig genug ist, ausreichend dezidierte Arbeitsgrundlagen an die Hand bekommen.
Das Nichtbetreiben des Asylverfahrens kann nach der Neufassung des § 33 des Asylgesetzes in der Tat die Verfahrenseinstellung nach sich ziehen. Diese Folge tritt nicht ein, wenn der Antragsteller unverzüglich nachweisen kann, dass er das Nichtbetreiben nicht zu verantworten hat. Darüber hinaus kann jederzeit die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt werden. Je nach Einzelfall kommt es dann zum erneuten Vollverfahren oder der Antrag gilt als Asylfolgeantrag. Inwieweit diese Regelung der Verfahrensbeschleunigung dienen kann, erschließt sich mir allerdings auch nicht.
Meine Damen und Herren, insgesamt erscheint der Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen verbesserungsfähig und - das sage ich auch - korrekturbedürftig. Aber das gewählte Gesetzgebungsverfahren - zu nennen sind die Herausnahme der zustimmungsbedürftigen Teile, zum Beispiel zu den „sicheren Herkunftsländern“, und die Einbringung als Fraktionsinitiative - verkürzt die Mitwirkungsrechte des Bundesrates maximal. Es gibt für uns keine Gelegenheit zu einer fachlichen Stellungnahme.
Die CDU-Fraktion rennt mit ihrer dringenden Aufforderung, die in den Asylpaketen I und II vereinbarten Maßnahmen auch in Schleswig-Holstein konsequent umzusetzen, bei mir ganz offene Türen ein, wenn und soweit diese Maßnahmen in das Bundesgesetzblatt Einzug gehalten haben. Die Landes- und die Kommunalbehörden in SchleswigHolstein sind es gewohnt, rechtliche Grundlagen gesetzes- und rechtstreu anzuwenden. Natürlich wissen auch wir, dass die umfassenden Gesetzesänderungen, die wir im Asylpaket I bereits vereinbart haben und die uns im Asylpaket II bevorstehen, nur funktionieren, wenn es Fortbildungen gibt. Genau das passiert in diesen Tagen. Natürlich müssen unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Landesbereich die kommunalen Vertreter entsprechend infor
Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal die Gelegenheit nutzen, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zuwanderungs- und der Kreisausländerbehörden in aller Öffentlichkeit für ihre dort geleistete Arbeit zu danken.
Mir ist sehr bewusst, dass in den Kommunen sowohl die Quantität als auch die Qualität der zu bearbeitenden Aufgaben in einem beachtlichen Maße zugenommen hat und dass dies nicht allein durch personelle Ertüchtigung aufgefangen werden kann. Die praktische Umsetzung der gleichsam im Stakkato einhergehenden Gesetzes- und Verordnungsänderungen braucht auch Erfahrung und Zeit, und gerade Zeit ist bei den ausführenden Behörden in diesen Tagen tatsächlich Mangelware. Umso mehr erfüllt mich die dort erbrachte Leistung mit Hochachtung.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Bei genauer und respektvoller Betrachtung der auf kommunaler und auf Landesebene erbrachten Leistungen ist es keineswegs angezeigt, in jeder schwierigen Situation mit dem Finger aufeinander zu zeigen oder einen Verriss in den Medien zu organisieren. Wir werden die Herausforderungen nur meistern können, wenn wir vertrauensvoll zusammenarbeiten sowie uns wechselseitig stützen und unterstützen. Danke schön.