Herr Kollege Kubicki, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass der Ausweisung der Balkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten vorausgegangen ist, dass man dort den Antragstellerinnen und Antragstellern - und zwar durch Einwirkung von Schleswig-Holsteins; so ist das ins Paket gekommen - gesagt hat, statt dass ihr einen abgelehnten Asylantrag mit Wiedereinreisesperre bekommt, habt ihr die Möglichkeit, wenn ihr einen Arbeitsplatz bekommt, nach Deutschland zu kommen? Das hat am Ende dazu geführt, dass viele diesen falschen Weg gar nicht erst beschritten haben, die Per-seAusweisung zu riskieren, bei der wir bei Staaten, mit denen wir nicht einmal Rückführungsabkommen haben, ohnehin nicht zu einer Veränderung kommen werden. Das war der Unterschied. Insofern war es die Einwirkung dieser von Ihnen eben kritisierten Koalition, die dazu geführt hat, dass ein wirksames Mittel im Kontext mit den Balkanstaaten angewandt worden ist. Das war der Fakt, und das war nicht so, wie Sie eben behauptet haben.
- Herr Dr. Stegner, ich bedauere Ihre beschränkte Sichtweise. Das Recht hier in Deutschland, sich auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren, wenn man einen entsprechenden Arbeitsplatz nachweisen kann, gilt grundsätzlich, nicht nur für die Balkanstaaten. Das hat mit den Balkanstaaten überhaupt nicht zu tun. Aber ich stimme Ihnen zu, dass es wichtig ist, ein Zuwanderungsgesetz zu schaffen, das die Möglichkeit eröffnet, legal nach Deutschland zu kommen, wenn man hier seinen Lebensunterhalt verdienen will. Das ist momentan nur über das Asylverfahren möglich. Deshalb plädiere ich ja dafür, dass wir ne
ben den Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, noch ein Einwanderungsgesetz schaffen, damit diese Probleme, die Sie beschrieben haben, gar nicht mehr auftreten können.
- Ja, aber es hat doch mit den Balkanstaaten überhaupt nichts zu tun, denn aus jedem anderen Land der Welt kann jemand, der einen Arbeitsplatz nachweist und ein bestimmtes Einkommen sicherstellt, nach Deutschland einwandern. Die Behauptung, die SPD habe das durchsetzen müssen, ist schlicht und ergreifend Unsinn.
Auch künftig muss das Bundesamt bei den Menschen aus sicheren Herkunftsländern jeden Antrag prüfen, ob im Einzelfall nicht doch eine Verfolgung droht.
Das Gleiche gilt für die geplante Begrenzung des Familiennachzuges. Es ist möglich, dass sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention als auch die UN-Kinderrechtskonvention beeinträchtigt werden. Tatsache ist aber, dass die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung dem Gesetzgeber nur für Flüchtlinge Verpflichtungen auferlegt, nicht jedoch für subsidiär Schutzberechtigte.
Die hier in Rede stehenden Maßnahmen sind Schritte in die richtige Richtung. Die Probleme werden sie aber nicht lösen. Nach wie vor haben wir nämlich weniger ein Gesetzesdefizit, sondern vor allem ein Vollzugsdefizit. Der Rückstau unbearbeiteter Asylanträge beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt inzwischen bei rund 370.000 Verfahren. Weitere 400.000 Menschen haben wegen der langen Wartezeiten noch gar keinen Antrag stellen können. Nach Kenntnis der Landesregierung sind in SchleswigHolstein derzeit zudem nur knapp ein Drittel der Stellen des BAMF besetzt: 56 Vollzeitstellen von 173, das heißt, zwei Drittel sind nicht besetzt.
Dies wirft ein Schlaglicht auf den desaströsen Verfahrensstand in diesem Bereich. Seit November 2015 vergibt das BAMF bei der Registrierung der Flüchtlinge für die Annahme von Asylanträgen überhaupt keine Termine mehr, womit die Situation bei der Verfahrensdauer seither systematisch verschleiert wird. Man kann dies nicht anders bezeichnen als ein Totalversagen der zuständigen Dienststellen des Bundes, und das liegt im Verantwortungsbereich des Bundesinnenministers de Maizière.
Wir haben deshalb an dieser Stelle schon mehrfach gefordert: Wir brauchen eine Schutzgewährung für Bürgerkriegsflüchtlinge in einem summarischen Verfahren außerhalb des individuellen Asylverfahrens. Mit unserem Gesetzentwurf zum vorübergehenden Schutz haben wir hierzu schon vor Monaten einen belastbaren Verfahrensvorschlag gemacht, der die Behörden nachhaltig entlastet und das Asylverfahren deutlich beschleunigt.
- Ja, aber wir könnten es doch gemeinsam hier beschließen, Frau Midyatli. Das wäre schon einmal ein Signal.
Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht nur eine Rechtspflicht, sondern ein Gebot der Humanität, sie ist aber kein Grund zu euphorischer Freude. Flüchtlinge sind Menschen, die Schutz vor konkreter Verfolgung suchen, und nicht Mittel zum Zweck - weder ökonomisch, noch demografisch oder zur Selbstverwirklichung. Bürgerkriegsflüchtlinge sind nämlich gerade keine Arbeitsimmigranten und im Übrigen auch keine Asylbewerber im Sinne unseres Grundgesetzes. Die Flüchtlingsstellung ist abhängig von der Fortdauer der Verfolgungslage im Heimatland. Sobald sich die Lage in ihrer Heimat bessert, müssten sie zurückkehren. Nur so kann weltweite Flüchtlingshilfe überhaupt funktionieren. Genau das sieht das Völkerrecht auch vor. Die Genfer Flüchtlingskonvention sieht hierfür in Artikel 1 Absatz C Nummer 5 ein automatisches Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft vor.
Der Status des vorübergehenden Schutzes trägt sowohl dem Schutzbedürfnis der Flüchtenden als auch den Aufnahme- und Integrationskapazitäten unserer Gesellschaft Rechnung. Wer als Flüchtling Schutz sucht, erhält ihn ohne Einschränkung. Wer in der Folge für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, erhält nach Maßgabe eines modernen Einwanderungsgesetzes einen dauerhaften Aufenthaltstitel und damit die Chance, auch Deutscher zu werden.
All dies wäre auch ein überfälliges internationales Signal, dass Deutschland solidarisch ist, aber nicht Flüchtlinge in unbegrenztem Umfang dauerhaft aufnehmen kann.
Schließlich muss das Vollzugsdefizit bei Abschiebungen beseitigt werden. Bis heute wird hier rechtsstaatliches Verwaltungshandeln unter dem
Deckmantel vermeintlicher Humanität als etwas Anrüchiges betrachtet. In keinem anderen Rechtsgebiet ist eine vergleichbare Positionierung festzustellen. Das sage ich auch im Hinblick auf die Freunde von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Kirche. Es käme zum Beispiel niemand ernsthaft auf die Idee, jemandem, der zehn Jahre lang erfolgreich Steuern oder Sozialabgaben hinterzogen hat, aus humanitären Gründen einen Steuererlass zu gewähren, oder jemandem nach zehn Jahren unfallfreien Fahrens ohne Fahrerlaubnis allein aus dieser Tatsache heraus eine Fahrerlaubnis zu gewähren.
„Jede Form von Restriktion zur Herstellung der Ausreisebereitschaft oder zur Erfüllung der dem Ausländer obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen wird als menschenunwürdig oder gar als menschenrechtsverletzend gebrandmarkt, um dadurch unter Berufung auf ein quasi höheres Recht die Rechtmäßigkeit jedes Verwaltungshandelns zu desavouieren und ein moralisches Widerstandsrecht zu begründen.“
Das war ein Zitat aus einem Bericht der Arbeitsgruppe der Bund-Länder-Kommission zur Frage des rechtmäßigen Verwaltungshandelns bei Abschiebungen aus dem Jahr 2011. Ich sage noch einmal: Wenn wir nicht am Ende eines Prozesses, wenn rechtsstaatlich festgestellt worden ist, dass ein Bleiberecht nicht besteht, dieses mangelnde Bleiberecht durch Ausweisungen und Ausführung und Abschiebung durchsetzen, dann werden die Menschen in Deutschland in der Tat verzweifeln, denn dann bräuchten wir das Verfahren insgesamt gar nicht mehr, über das wir uns unterhalten.
(Serpil Midyatli [SPD]: In sechs Wochen das Verfahren beenden und dann zurückführen, aber doch nicht nach zehn Jahren!)
Frau Midyatli, Sie haben mich an Ihrer Seite, wenn das konsequent gemacht wird. Ich kann Ihnen auch sagen, wie das in den Staaten funktioniert, die momentan erklären, sie nähmen ihre Staatsbürger nicht wieder auf. Das muss man im Zweifel finanziell un
terlegen, statt sie zu bedrohen, wie die SPD das macht. Sie müssen den Staaten sozusagen etwas geben.
- Die SPD bedroht Staaten! Herr Gabriel ist derjenige, der sich hingestellt und gesagt hat: Menschen, die sich nicht so verhalten, wie wir uns das vorstellen, Regierungen, die sich nicht so verhalten, müssen die Mittel gekürzt werden. Im Hinblick auf die Maghreb-Staaten ist das eine Aussage des Wirtschaftsministers. Das ist das Empörende, Herr Kollege Dr. Stegner! Sie sollten in Berlin dafür sorgen, dass die SPD mit diesen Drohungen aufhört, statt hier dauernd zu polemisieren. - Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Eckhorst aus Bargteheide und des Gymnasiums Elmschenhagen aus Kiel. - Seien Sie uns herzlichen willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich bekanntermaßen auf das Asylpaket II geeinigt - ein bunter Blumenstrauß, der nach Meinung des SSW einiges an Unkraut und Gestrüpp beinhaltet. Es besteht kein Zweifel, dass es sich hierbei mehrheitlich um eine Verschärfung der bisherigen Regelungen handelt.
Die prominentesten Beispiele in diesem bunten Strauß sind der Familiennachzug sowie die Erklärung, die drei Nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien nun als sichere Herkunftsländer zu benennen. Der Druck der vergangenen Wochen war hoch, und das spiegelt sich auch im Gesetzespaket wider. Natürlich kann man dafür argumentieren, die drei nordwestlichen Staaten Afrikas als sicher zu erklären. Jedoch muss aus unserer Sicht auch gesagt werden, dass der Auslöser eigentlich nicht in Ordnung war. Die Vorfälle in Köln dürfen kein Grund sein, jetzt plötzlich Nordafrikaner auszuweisen. Ein Verfahren auf politischen Zu
Was für uns als SSW wichtig ist, ist, dass es hierbei nicht um das Asylrecht an sich geht, sondern um das Verfahren vonseiten der Behörden. Verfahrensvereinfachung klingt zunächst einmal verlockend. Doch größtenteils muss man sich die Entscheidungskriterien, ein Land als sicher einzustufen, selbst zusammenreimen. Das Gesetz selbst spricht von Vermutungen wie etwa:
Zudem soll ausgeschlossen werden, dass in dem entsprechenden Land keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung stattfindet. Darüber, wie solche Vermutungen vonseiten der Bundesregierung zustande kommen, kann nur spekuliert werden. Das erfahren wir nämlich zurzeit nicht, zumal es natürlich nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Fixpunkten ist, die genannt werden. Der Versuch, die Lebenswirklichkeit eines Asylbewerbers zu bewerten, ist, glaube ich, schwierig.
Folgendes ist in der Diskussion auch ganz wichtig, weil es immer wieder angeführt wird. Man spricht immer über die Anerkennungsquoten. Das hat der Kollege Kubicki vorhin gerade dargestellt. Sie belegen aber eigentlich nichts. Sie belegen deshalb nichts, weil man, wenn man sich beispielsweise die Zahl der Asylanträge der Kosovaren anguckt, feststellt, dass die Zahl viel kleiner geworden ist. Da wird die Anerkennungsverfahrensquote automatisch höher sein. Es bewerben sich nur noch diejenigen, die relativ sicher sein können, dass sie wirklich Anerkennung erhalten. In der Theorie bedeutet das, dass es eine Anerkennungsquote von 20 %, 30 %, 40 % gibt. Eigentlich müsste man, nimmt man nur das als Kriterium, das Land wieder aus den sicheren Herkunftsstaaten herausnehmen.
Sie sehen also: Man muss das vielschichtiger betrachten. Man muss auch Berichte von Organisationen berücksichtigen. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich nicht die Informationen habe, welche es begründen, dass Algerien, Marokko und Tunesien tatsächlich sichere Herkunftsstaaten sind. Solange dies nicht der Fall ist, ist es, finde ich, nicht verantwortbar, dem entweder zuzustimmen oder das abzulehnen; man hat einfach keine Erkenntnisse.
Marokko, Tunesien und Algerien nicht darum geht, das Individualrecht auf Asyl auszuhebeln. Es geht prinzipiell um eine Verfahrensvereinfachung. Das Asylrecht bleibt bestehen - für jeden Einzelnen, der hier Asyl sucht. Wir müssen uns vor Augen führen, dass das Asylrecht ein individuelles Recht ist und sich an einen ganz bestimmten Menschen richtet und eben nicht an die Masse Mensch, also nicht an eine Bevölkerungsgruppe, sondern an Einzelpersonen. Deshalb bleibt es auch dabei, dass auch individuelle Begründungen bei den Betroffenen durchaus eine Berechtigung haben können. Ich denke dabei zum Beispiel an Homosexuelle aus Marokko, denen dort eine strafrechtliche Verfolgung droht. Das ist ein Asylgrund. Das ist ein individueller Asylgrund zumindest für mich.
Vor dem Hintergrund der individuellen Asylgründe, die jeder vorbringen kann, sind aus unserer Sicht Obergrenzen widersprüchlich, zumal eine Verschärfung des Asylrechts nicht automatisch dazu führt, dass Menschen von einer Flucht nach Europa abgehalten werden. Krieg und Bombenhagel zwingen die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Das machen sie nicht freiwillig. Das machen sie auch nicht, nachdem sie im Vorwege alle unsere Asylrechtsparagraphen gelesen haben, sondern das machen sie aus ihrer persönlichen Not heraus. Deshalb werden die Menschen weiterhin hierher kommen, denn friedliche Zeiten sind im Nahen Osten überhaupt nicht in Sichtweite. Von daher werden auch in Zukunft viele Menschen bei uns im Land Schutz suchen.