Herr Kollege Günther, weil Sie es hier gesagt haben: Da braucht es gar nicht den Kauder. Ohne die SPD in der Bundesregierung hätte die Bundeskanzlerin doch schon längst das Handtuch werfen können, was die Europapolitik und ihre Flüchtlingspolitik angeht, um das einmal klar zu sagen.
Wer solche Freunde wie Herrn Seehofer hat, der braucht keine Feinde mehr. Das ist doch ganz eindeutig so.
Es gibt Maßnahmen, die falsch sind, weil sie das Gegenteil von Integration sind. Dazu zählt die ursprüngliche Schnapsidee der Union, den Mindestlohn für Flüchtlinge abzusenken und für deutsche Niedrigverdiener eine neue Dumpingkonkurrenz zu schaffen.
Diese brandgefährliche Idee haben wir Ihnen zum Glück über das Wochenende ausgeredet. Die AfD hätten sich doch die Hände gerieben, wenn Sie das durchgesetzt hätten!
Falsch, um das auch deutlich zu sagen, ist allerdings auch die Aussetzung des Familiennachzugs. Die Möglichkeit, per Einzelfallprüfung davon abzuweichen, ist nur ein kleiner Trost. Ich frage mich schon, Herr Kollege Günther, auch an einem solchen Tag, wie es mit einem christlichen Menschenbild vereinbar ist, wenn einem 9-jährigen Kind die Zusammenführung mit seinen Eltern verweigert werden soll. Das frage ich Sie wirklich sehr ernsthaft, was daran christlich oder sozial sein soll.
Herr Präsident, lieber Kollege Dr. Stegner, ich habe nur eine Frage: Bei den wunderbaren Leistungen der SPD der Bundesregierung, die Sie gerade aufgezählt haben, haben Sie eine Erklärung dafür, warum der SPD nicht die Herzen der Menschen in Deutschland zufliegen, sondern - im Gegenteil - sich die Menschen von der SPD abwenden?
- Herr Kollege Kubicki, ich finde, das ist eine sehr passende Nachfrage von jemandem, der dem Deutschen Bundestag mit seiner Partei gar nicht angehört.
Wir geben uns große Mühe, schwierige Fragestellungen, wirklich schwierige Fragestellungen hier miteinander zu erörtern. Das ist nicht spaßig. Das sind schwierige Dinge, die man lösen muss. Ich finde, insofern ist die Frage, die Sie gestellt haben, vielleicht nicht ganz dem Ernst der Debatte angemessen.
Ich war beim christlichen Menschenbild und beim Familiennachzug. Das sollten Sie mir noch einmal erläutern, Herr Kollege Günther, was daran christlich ist und warum es eigentlich falsch ist, darüber kontrovers zu diskutieren. Ich sage Ihnen: In der Welt von „Abschiebe-TV Schleswig-Holstein“ bringt so etwas sicher Einschaltquoten, falsch ist es trotzdem.
Ich bin schon ein wenig überrascht, wie leicht sich die Union das mit den sicheren Herkunftsstaaten macht. Marokko, Algerien und Tunesien sollen so eingestuft werden. Wir reden über 5 % der Flüchtlinge, die zu uns kommen; darüber geht der ganze Streit.
Sie haben recht: Albanien, Kosovo und Montenegro wurden zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, aber erst nachdem Schleswig-Holstein mit der Küstenkoalition darauf bestanden hat, dass die Menschen Arbeitsmarktperspektiven bekommen, dass wir etwas gegen die Diskriminierung der Roma tun, sodass sie nicht den falschen Weg sicher abgelehnter Asylanträge wählen müssen, sondern einen vernünftigen Weg haben. Das haben wir durchgesetzt, nicht Sie. Also rühmen Sie sich nicht mit fremden Federn! Das ist der Punkt, um den es eigentlich geht.
Ich war kürzlich beim Landesverband der Sinti und Roma, bei Matthäus Weiß. Der hat mir geschildert, was es bedeutet für Menschen, die aus Staaten kommen, in denen sie verfolgt werden, in denen Homosexuelle diskriminiert werden. Reden Sie einmal mit betroffenen Leuten! Machen Sie es sich nicht so einfach, die Leute hier einfach anzumachen, sondern reden Sie einmal mit den Menschen! Dann wüssten Sie, dass man dazu differenzierter Stellung nehmen muss.
Nein, wir geben unser Problembewusstsein vor Abstimmungen im Bundesrat nicht ab. Ich habe vor Wochen und Monaten gesagt: Ich gehe davon aus, dass sich Schleswig-Holstein vermutlich der Stimme enthalten wird. Herr Kollege Günther, wie stimmt eigentlich das CDU-geführte Hessen, und wie sieht es mit Bayern aus? Warum verweigern die Diskussionen mit Herrn Kretschmann über die Inhalte des Pakets? Das hat doch nichts mit Politik zu tun, das ist doch reine Parteitaktik! Kommen Sie uns hier also nicht mit solchen Scheinheiligkeiten!
Wir erleben hier regelmäßig, wie uns Regierungspolitiker mit peinlichen öffentlichen Auftritten vor alpiner Kulisse beglücken. Mal will Herr Scheuer grundlegende Menschenrechte wie die Unschuldsvermutung abschaffen, wenig später halluziniert Herr Seehofer nach Gesprächen mit den Herren Orban und Putin über eine Herrschaft des Unrechts in unserer Bundesrepublik. Dazu fällt einem wirklich nichts mehr ein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit der Wirklichkeit in diesem Land hat das nichts zu tun.
Ich sage Ihnen, was demgegenüber unser Ministerpräsident tut: Der sorgt dafür, dass der Wohnungsbau intensiv gefördert wird. Der sorgt dafür, dass wir etwas für die Infrastruktur tun, bei Sprachförde
rung, Integrationskursen, Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt. Was für ein Glück, dass dieses Land einen Ministerpräsidenten hat, der Haltung bewahrt und gleichzeitig pragmatische Lösungen für die Menschen vorantreibt. Das ist ein ganz großer Unterschied zu dem Seehofer, den ich gerade genannt habe.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Dass wir es uns bei diesem Thema nicht leichtmachen, finde ich mehr als in Ordnung, denn es ist eine schwierige Herausforderung. Wir würden der Sache nicht gerecht, wenn wir das mit leichten, falschen, schnellen Antworten versehen oder auf Schalter hinweisen, die es gar nicht gibt.
Unsere Aufgabe ist eine andere. Wir halten das Land zusammen, wir machen Politik für alle Menschen, für die, die kommen, und für die, die hier leben. Wir wollen eine Flüchtlingspolitik, wie es Johannes Rau einmal formuliert hat, ohne Angst und Träumerei. - Vielen herzlichen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder liegt uns ein Asyl-Paket vor, wobei ich mich frage: Ist das eigentlich ein Asyl-Paket oder ist das ein „Wir müssen mal wieder Handlung zeigen“- oder „Wir wollen die AfD zurückhalten“-Paket? Denn von Asyl ist in dem Paket nicht viel zu sehen.
Ich habe Verständnis dafür, dass Politik jetzt zeigen muss, dass sie das Heft des Handelns in der Hand hat. Das ist ein wichtiger Punkt; das müssen wir zeigen; wir sind diejenigen, die die Herausforderung immer noch stemmen können.
Aber es geht nicht darum, irgendein Paket zu schnüren, sondern es geht um die Inhalte. Wir brauchen nicht ständig neue Abschreckungsgesetze und eine schleichende Aushöhlung des Asylrechts. Wir brauchen wirksame Maßnahmen, um die Flüchtlinge bei uns gut zu integrieren. Wir brauchen wirksame Maßnahmen in den Herkunftsländern, um menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen.
Köln verunsichert die Republik, und die Große Koalition beschließt die größten Verschärfungen im Asylrecht seit 20 Jahren. Das ist weder die Antwort auf die Frage noch die richtige Antwort.
Ja, Politik muss etwas tun. Aber das Paket der Großen Koalition hat einen völlig falschen Inhalt: Außen steht Weihnachten drauf, drinnen sind faule Ostereier. Erst liegt das Paket monatelang rum, dann soll es über Nacht beschlossen werden, und zwar so hektisch, dass selbst die mitzeichnenden Ressorts nicht mehr richtig hinterherkommen. Auch die vollziehenden Behörden und Kommunen sind angesichts der vielen Gesetzesänderungen, die ständig beschlossen werden, mittlerweile verunsichert. Die sind doch diejenigen, die wir jetzt stärken müssen.
Herr Günther, kommen wir zu den Maßnahmen, die von uns angeblich nicht umgesetzt wurden. Was wurde denn beschlossen? Erstens. Beschlossen wurde, dass das Bundesamt für Migration vernünftig ausgestattet wird, dass das Bundesamt so ausgestattet wird, dass die Bearbeitung der Fälle schneller geht, mit allem, was dahintersteht, einer schnelleren Integration und natürlich auch einer Rückführung derjenigen, die nicht hierbleiben können. Wenn das nicht gemacht wird - das ist nun einmal Step one im Asylverfahren -, kann alles andere hinterher auch nicht funktionieren. Dass das nicht funktioniert, darin sind wir uns - glaube ich - in diesem Haus einig.
Im Gegenteil, die Einzelfallprüfung für Syrerinnen und Syrer führt eher dazu, dass die Aktenberge weiter steigen. Die Einzelfallprüfungen beim Familiennachzug werden zu noch höheren Aktenbergen führen. Damit lösen wir doch keine Probleme in diesem Land, sondern wir verschärfen sie.
Zweitens wurde im letzten Jahr beschlossen, dass die Herkunftsländer besser unterstützt werden sollen und auch die Anrainerländer. Jahrelang kürzen wir dort die Gelder, letztes Jahr kürzten wir die Gelder in den Flüchtlingslagern in den Anrainerländern, und dann sagen wir, das ist die Methode, um Flüchtlingsströme zu begrenzen. - Das ist absurd.
Drittens brauchen wir eine konsequente Umsetzung von Integrationsmaßnahmen. Wenn wir jetzt seien wir ehrlich, die richtigen Verschärfungen sind nach Köln und der Debatte um Flüchtlinge gekom
men - zu dem Schluss kommen, die jungen Männer müssen integriert werden: Ja, was haben wir denn bisher dafür getan? Die Bundesregierung hat gerade beschlossen, dass Leute, die nicht aus Syrien kommen, keine Integrationskurse mehr bekommen, dass sie keine Schulangebote bekommen, dass sie keine Ausbildungsangebote bekommen. Dann müssen wir uns auch nicht wundern, dass wir eine Menge Menschen hier haben, die keine Perspektive in Deutschland sehen. Die gesellschaftlichen Folgen möchte ich mir nicht ausmalen.
Genauso ein Quatsch ist es, den Familiennachzug einzuschränken und damit die Integrationschancen noch weiter zu senken.
Alle Experten sagen, dass Familie für die Integration ein ganz wichtiger Bestandteil ist. Deswegen ist es absurd, gerade an der Schraube zu drehen.
Für die Kommunen, die zu Recht sagen, dass es schwierig ist, so viele Menschen mit Wohnraum zu versorgen, wird es gar nicht so einen großen Unterschied machen. Denn schon jetzt dauert es Jahre, bis Menschen, bis Familien, hierherkommen können, weil die Konsulate überlastet sind und weil es lange Wartezeiten gibt. Der einzige Unterschied, den die Einschränkung des Familiennachzugs machen wird, ist, dass das eventuell eine abschreckende Wirkung hat und sich die Frauen und Kinder in den Herkunftsländern in Schlauchboote setzen, weil der einzig legale Zugangsweg abgeschnitten wird. Das finde ich nicht hinnehmbar.