Ihre Argumente, dass es in diesen Ländern natürlich Verfolgung gebe - wer bestreitet das denn? -, sprechen nicht gegen die Festlegung von Ländern als sicherer Herkunftsstaat. Jedem, der individuell betroffen ist - ob aus Gründen der Homosexualität, was Sie immer wieder anprangern, oder anderen Gründen -, steht es frei, in Deutschland Asyl zu beantragen. Das hat doch überhaupt nichts damit zu tun, dass Staaten als sichere Herkunftsländer gelten. Vielmehr soll durch diese Erklärung das Asylverfahren beschleunigt werden. Das ist doch der Grund, warum das Asylpaket II beschlossen werden soll.
Es hilft uns überhaupt nicht weiter, wenn diese Regierungskoalition als einziges verbindendes Element hat, dass sie sich immer einig ist, wenn es darum geht, hier im Land Geld auszugeben. Da kann man die Uhr nach stellen. Da sind sich plötzlich immer alle einig. Genauso einig sind Sie sich immer, wenn es bei diesen Verhandlungen darum geht, Geld von Bund zu erhalten. Schleswig-Holstein stimmt - das ist immer der einzige Punkt, bei dem Schleswig-Holstein das tut - immer sofort zu, wenn es darum geht, in diesem Bereich mehr Geld zu er
Sie haben bis heute nicht einmal das Asylpaket I durchgesetzt. Wir reden über Asylpaket II, und Asylpaket I in Schleswig-Holstein ist nicht umgesetzt. Das wissen Sie alle miteinander.
Machen Sie sich endlich an die Arbeit! Wenn Sie so etwas umsetzen, dann haben Sie wieder Vertrauen in der Bevölkerung.
Man gibt ja die Hoffnung nicht auf. Deswegen, Herr Ministerpräsident, will ich zum Ende auf das zurückkommen, was ich am Anfang gesagt habe.
Sie haben Zustimmung für Schleswig-Holstein zugesichert. Stellen Sie sich einmal auf Bundesebene vor, Angela Merkel, unsere Bundeskanzlerin, verhandelt jetzt beim EU-Gipfel, kommt dort mit Ergebnissen zurück nach Deutschland und sagt: So und so wird das gemacht, und der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder gibt danach ein Interview und sagt: Ja, Frau Merkel, da haben Sie gut verhandelt, aber die Bundesregierung wird dem nicht zustimmen.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Würde Kauder nie tun! - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist der Unterschied. Deshalb ist er auch ein Guter!)
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ihn einen Kopf kür- zer! - Beifall CDU - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie würde die Vertrauensfrage stel- len!)
Ich sage Ihnen das sehr deutlich: Sie würde das tun, was die Bevölkerung hier auch in Schleswig-Holstein von ihrem Ministerpräsidenten erwartet, nämlich, dass man dem Land Schleswig-Holstein nicht nur als Ministerpräsident ein Gesicht gibt, sondern dass man diesem Land auch Richtung und Führung gibt. Herr Ministerpräsident, Sie haben nachher noch die Chance, für die Landesregierung hier zu reden. Zeigen Sie dem Kollegen Stegner heute im Schleswig-Holsteinischen Landtag einmal, wer das Heft des Handelns in der Hand hat.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Flüchtlings- und Integrationspolitik bleibt eine unserer schwierigsten Herausforderungen. Wir beschäftigen uns damit seit Monaten fast täglich, und immer wieder werden auch neue Maßnahmen notwendig, beschlossen und umgesetzt.
Begleitet wird all dies von sehr schwierigen internationalen Aufgaben. Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, den Staaten bei den Flüchtlingslagern helfen, und - in diesen Tagen zeigt sich, wie schwer das ist - eine europäische Lösung anstreben. Ich füge hinzu: schwierig, aber notwendig, denn alleine wird Deutschland das nicht schaffen können.
Aus Sicht der SPD stehen wir in Deutschland vor drei konkreten Aufgaben: Erstens. Wir müssen den Auftrag des Grundgesetzes und des Völkerrechts umsetzen und politisch Verfolgten und Bürgerkriegsflüchtlingen Asyl beziehungsweise Schutz gewähren.
Zweitens. Wir müssen die Aufnahmeverfahren so ordnen, dass wir allen Menschen gerecht werden können und handlungsfähig bleiben.
Drittens. Vor allem aber müssen wir die Menschen, die bei uns Schutz suchen, integrieren und dabei unsere Gesellschaft zusammenhalten. Das ist unsere Aufgabe, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Als Maßstab für unser Handeln steht die Humanität weiterhin unverrückbar fest. Das individuelle Verfassungsrecht auf Asyl und die Würde des Menschen sind und bleiben für uns unantastbar. Wir wissen, dass dies keine leichte Aufgabe ist. Nie
mand beschönigt das. Aber wir müssen Antworten finden, die den eben dargelegten Grundsätzen auch entsprechen, keine Scheinantworten, nur weil dies einer öffentlichen Stimmungslage entsprechen möge.
Die Asylpakete I und II, über die wir heute diskutieren, enthalten viele wichtige Bausteine und eine komplexe Antwort. Die Verhandlungen der Großen Koalition in Berlin waren kompliziert und langwierig, und es liegt in der Natur der Sache eines solchen Kompromisses, dass nicht jeder mit dem Ergebnis zufrieden sein kann. Wie sollte es auch anders sein, wenn dem Koalitionspartner CSU kein Vorstoß zu populistisch ist und die CSU einerseits die Staatspartei gibt, andererseits mit Ultimaten und Verfassungsklage den Ankläger der eigenen Regierung mimt. Wir hatten eine Einigung im November 2015, die wurde als dringlich beschrieben, dann von der CSU wochenlang boykottiert und nach dem politischen Kälteschock der Silvesternacht in Köln nachverhandelt.
Die Positionen der Parteien gehen bei diesem Thema weit auseinander. Zwei Beispiele haben wir eben erlebt. Die einen lehnen die Beschlüsse ab und würden nichts davon umsetzen, die anderen feiern das Ergebnis und finden jedes Detail problemlos umsetzbar. Es gibt aber auch eine Sichtweise, die sehr viel differenzierter und auch notwendig ist. Diese Position der Mitte nehme ich heute ein.
Ich möchte daran erinnern, dass die Große Koalition im Bund schon mit dem Asylpaket I einiges geregelt hat. Sachleistungen werden - sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand realisierbar - Geldleistungen vorgezogen. Leistungen für Ausreisepflichtige werden gekürzt. Am wichtigsten war aber, dass wir durchsetzen konnten - dass Sie sich darüber lustig machen, Herr Kollege Günther, spricht Bände -, dass der Bund endlich seiner Verantwortung bei der Finanzierung der Aufgabe strukturell, dauerhaft und dynamisch nachkommt. Das haben wir durchgesetzt, übrigens gegen Ihren Widerstand. Da haben Sie uns gar nicht unterstützt, in dieser Frage.
Der Bund unterstützt bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, dem sozialen Wohnungsbau, öffnet die Integrationskurse für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und stockt die hierfür vorgesehenen Mittel auf. Untätig war die Bundesregie
rung nicht. Sie hat einerseits Dinge verschärft, gleichzeitig aber auch neue Wege zur Integration eröffnet. Das größte Problem ist und bleibt aber: Die Menschen müssen schneller wissen, ob sie bleiben können oder nicht. Die Kommunen wollen wissen, wen sie integrieren können und sollen. Die Asylverfahren in Deutschland müssen also besser gesteuert und geordnet, vor allem aber endlich beschleunigt werden. Die Voraussetzungen dafür sind längst geschaffen worden, auch für die Menschen, die aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen. Es überrascht schon, dass es uns in Schleswig-Holstein gelingt, die Menschen tagesaktuell zu registrieren und die Verfahren zu ordnen, aber Herr de Maizière immer noch keine Registrierungszentren eingerichtet und die Verfahren immer noch nicht beschleunigt hat. Die Menschen warten monatelang auf einen Anhörungstermin, und es passiert nichts.
Beim Datenabgleich sind die Beschlüsse immer noch nicht umgesetzt. Das ist unser zentrales Problem, und dass ist ein handfester Skandal, Herr Kollege Günther, um das einmal klar zu sagen.
Sie sollten also nicht die Landesregierung kritisieren, sondern Ihrem Parteifreund de Maizière einmal Druck machen, statt hier parteipolitisch zu polemisieren. Die Kommunen und die integrationswilligen Menschen würden Ihnen das danken.
Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat dagegen ihren Job gemacht. Sie hat Vorschläge zur Unterbringung schutzbedürftiger Personen gemacht. Sie hat ein KfW-Förderprogramm zur Schaffung und zum Umbau von Flüchtlingsunterkünften für Frauen und Kinder vorgelegt, die Kooperation mit der UNICEF zur Beratung und Unterstützung von Flüchtlingsunterkünften und für Angebote von Folteropferzentren mit Fokus auf Gewalt gegen Frauen. Das hilft Menschen konkret, und nicht die Sprüche zu anderen Dingen.
Malu Dreyer und die vier sozialdemokratischen Bundesministerinnen haben vor Monaten ein überzeugendes Integrationskonzept vorgelegt: Unterstützung für die Schulen, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Weiterqualifizierung, Schaffung von Wohnraum, aber auch in so grundlegenden Fragen wie gemeinsamen Grundwerten und Integration, gerade auch in Fragen der Gleichberechtigung und der se
xuellen Selbstbestimmung. Wir müssen diese Integration entschlossen vorantreiben und auch finanzieren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist die Notwendigkeit dieser Zeit.
Ihre populistischen Forderungen - Abschottung, Abschreckung, Abschiebung - lösen kein einziges Problem. Die Opposition erträumt sich eine Welt, wie sie ihr gefällt. Fangen Sie einmal an, eine Politik zu machen, die pragmatische Lösungen für bestehende Herausforderungen auch wirklich anbietet. Wer allein auf Stimmungsmache setzt, macht noch keine Politik.
Herr Kollege Günther, weil Sie es hier gesagt haben: Da braucht es gar nicht den Kauder. Ohne die SPD in der Bundesregierung hätte die Bundeskanzlerin doch schon längst das Handtuch werfen können, was die Europapolitik und ihre Flüchtlingspolitik angeht, um das einmal klar zu sagen.