Verehrte Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, als Sie der ersten Asylrechtsverschärfung, dem Paket I, zustimmten - und damit auch den verschärften Bedingungen für Abschiebungen, nämlich ohne Vorankündigung in einer Nacht- und Nebel-Aktion -, versprachen Sie noch, Abschiebungen in Schleswig-Holstein würden nur
Am 12. Februar 2016 titelten die „Kieler Nachrichten“: „Familie taucht plötzlich unter“. Konkret ging es um die gescheiterte Abschiebung einer sechsköpfigen syrischen Familie nach Bulgarien, obwohl das Verwaltungsgericht im Saarland Anfang Februar 2016 Abschiebungen sowohl nach Bulgarien als auch nach Ungarn untersagt hatte, weil dort menschenunwürdige Zustände herrschten. Aber wir in Schleswig-Holstein ignorieren das einfach. Insgesamt zwölf Polizeibeamte wurden eingesetzt, auch Mitarbeiter der Kreisverwaltung. Es war ein 96stündiger Einsatz - vergebens! Denn die Familie konnte, nachdem sie nach Boostedt gebracht worden war, eine andere Obhut finden; das hoffe ich jedenfalls.
Wir machen uns Sorgen um diese Familie und um mögliche andere Familien. Vielleicht sind es Einzelfälle. Aber jeder einzelne Mensch ist ein Schicksal und braucht unsere Solidarität.
Liebe Kolleginnen und Kollegen - ich spreche insbesondere den Kollegen Neve von der CDU an -, ich kann Ihre Äußerung zu dem Vorfall, es gehe um den Rechtsstaat und nicht um Sympathie, nur mit absolutem Unverständnis quittieren.
Sie sagten ferner, das Land habe es nicht geschafft, die Syrer am Untertauchen zu hindern, weil Boostedt seine Türen weit offen lasse. Was wollen Sie denn? Wollen Sie alle kasernierten Flüchtlinge einsperren? Vielleicht wollen Sie sogar Polizeischutz beantragen, damit sich diese nicht bewegen können? Ist es Ihre Art, die Flüchtlinge mit Mauern einzuzäunen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen auf den Antrag der CDU nicht ein. Er ist konträr zu unserem; es ist klar, dass wir ihn ablehnen. Wir beantragen eine Abstimmung in der Sache und sind gespannt, ob die Grünen im Sinne ihres Parteitagsbeschlusses hier beschließen oder sich - à la Palmer dagegen richten.
Ich appelliere an alle, gerade im Hinblick auf die Kanzlererklärung heute Nachmittag und den EUGipfel morgen: Folgen Sie nicht weiter dem Irrglauben der AfD und anderen Stimmen abjagen zu können, indem Sie das Grundrecht auf Asyl immer weiter schleifen.
Die Mitverantwortung für die Zukunft der Flüchtlinge, für ihr Leben oder für ihren Tod, muss ein jeder mittragen, der versucht, Grenzen aufzubauen, die nicht mehr zu überwinden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort für die CDU-Fraktion erhält ihr Fraktionsvorsitzender und der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Daniel Günther.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegen zwei Anträge vor. Liebe Fraktion der PIRATEN, wie es gute Sitte und Brauch in unserer Geschäftsordnung ist, berät der SchleswigHolsteinische Landtag natürlich über die zwei gestellten Anträge. Das mag Sie überraschen; aber das gehört zu den guten demokratischen Gepflogenheiten.
Sie sagen uns, wir hätten Ihnen nicht zugehört. Über diese Aussage habe ich mich mindestens genauso gewundert wie über Ihre Formulierung, unser Antrag würde das Gegenteil von dem bedeuten, was die PIRATEN sagen, und Sie wollten sich deswegen unserem Antrag mit keinem Wort widmen. Ich frage mich wirklich: Was für ein Demokratieverständnis haben Sie eigentlich, Frau Beer?
Natürlich haben wir Ihren Ausführungen zugehört. Wir halten diese nicht für richtig, aber trotzdem setzen wir uns hier in der Sache auseinander.
Wir setzen uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag zum wiederholten Male mit der Flüchtlingspolitik und dem Asylpaket II auseinander. Mit Blick auf die Debatte, die wir morgen zum Thema „Rechtspopulismus“ führen, zu seinen Auswirkungen und zu seinem Erstarken, sollten wir uns in die
sen Bereichen auch immer wieder selbst vor Augen führen, dass insbesondere Handlungsfähigkeit in der Flüchtlingspolitik, dass Kompromisse, die man vielleicht machen und auch umsetzen muss, ein ganz großes Mittel sind, um wieder Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen.
Wir müssen nicht immer nur auf Umfrageergebnisse gucken. Aber schauen Sie sich an, was passiert ist, als in der Großen Koalition endlich und kurzzeitig Einigkeit über das Asylpaket II hergestellt war.
- Ich sage das so deutlich, weil jeder sich an seine eigene Nase fassen muss, nicht nur diejenigen, die immer wieder die nächsten Verschärfungen fordern. Das gilt insbesondere auch für diejenigen, die plötzlich, nachdem solche Kompromisse gefunden worden sind, das Paket am Ende wieder aufschnüren. Das ist genau der falsche Weg. Deswegen hat die Bevölkerung die Sorge, ob wir die Probleme in unserem Land gelöst bekommen.
Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen sehr klar: Die CDU-Fraktion hat sehr begrüßt, dass Sie nach dem Gipfel in unmissverständlicher Klarheit deutlich gemacht haben, dass Schleswig-Holstein dem Asylpaket II hinsichtlich der Erklärung zu sicheren Herkunftsstaaten zustimmen wird. Sie haben gleich nach dem Gipfel ein starkes Signal ausgesandt. Das haben wir uns gewünscht. Das war genau richtig, Herr Ministerpräsident.
Aber bei den Debatten, die wir führen, hilft es uns nicht weiter. Bei dem Thema muss man bestimmte Dinge sensibel ansprechen und verkaufen. Ich finde, es hilft uns nicht weiter, wenn wir in dieser Debatte anderen vorwerfen, dass man mit Überzeichnungen und Unwahrheiten argumentiere.
Sie, Herr Ministerpräsident, sagen bei jedem Neujahrsempfang und jetzt auch in öffentlichen Erklärungen in Schleswig-Holstein immer wieder, 99 % der Menschen, die hierhin kommen, flüchteten vor Krieg und Verfolgung. Und Sie wissen, dass das nicht stimmt.
Ich frage mich: Warum machen Sie so etwas? Wir haben doch tolle Argumente. Wir wollen die Bevölkerung davon überzeugen, dass es richtig ist. Aber die Bevölkerung mag es nicht, wenn wir ihr etwas
Ich möchte, dass Sie das heute hier richtigstellen oder uns Zahlen, die Ihre Aussagen belegen, vorlegen.
Genauso handelt die Landesregierung. Sie kalkuliert mit 27.000 Flüchtlingen in diesem Jahr; die Zahl richtet sich nach den bundesweiten Zahlen. Wir alle miteinander versuchen, den Menschen deutlich zu machen, dass wir wollen, dass die Zahl der Menschen, die zu uns kommt, begrenzt wird. Wir wollen, dass die Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, auch Wirkung haben. Wir versuchen, das auf allen Veranstaltungen zu dokumentieren. Wir glauben, dass das, was auf Bundesebene verhandelt wird, was auf europäischer Ebene verhandelt wird, zu spürbaren Entlastungen bei uns führen wird.
Was, Herr Ministerpräsident, macht das für einen Eindruck auf die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, wenn Sie im gleichen Atemzug - während wir den Menschen sagen, wir wollen, dass die Zahlen reduziert werden - sagen, in diesem Jahr kämen nicht 50.000 Flüchtlinge, sondern 70.000 Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein? Was für einen Eindruck macht das auf die Bevölkerung, wenn Sie mit diesen haltlosen Zahlen, die sich durch nichts belegen lassen, die Bevölkerung verunsichern, Herr Ministerpräsident?
Frau von Kalben, ich gehören zu den Vielen hier im Haus, die sich im Moment über die CSU ziemlich ärgern. Ich halte es nicht für sonderlich hilfreich, wenn die CSU der Bevölkerung über Scheinlösungen schnelle Hilfestellungen zusichert, die überhaupt nicht durchsetzbar sind, Stichwort - wir brauchen nicht darüber zu reden -: Festlegung einer Obergrenze. Ich halte das für wenig glaubhaft, weil das aus meiner Sicht Populismus ist. Man sagt den Leuten: „Wir würden das so und so machen“, aber am Ende machen wir überhaupt nichts.
Ich sage Ihnen aber auch: Ich finde das, was Sie machen, mindestens genauso populistisch. Sie beschließen nämlich auf Ihrem grünen Parteitag in Schleswig-Holstein letztlich, dass Sie den Zuzug Sie sprechen nicht von „Begrenzung“; das passt nicht zu Ihnen - nach Schleswig-Holstein durch schnellere Maßnahmen begrenzen wollen. Die SPD macht genau das Gleiche. Man überbietet sich gegenseitig mit markigen Formulierungen, dass die Anzahl der Flüchtlinge reduziert werden solle. Aber
was für ein Populismus ist es, wenn man glaubt, damit auf Wählerfang zu gehen, aber sich vor der Verantwortung drückt, wenn Maßnahmen zu einer Begrenzung des Zuzugs führen würden. Ich halte das für noch viel falscher als das, was die CSU in unserem Land macht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich weiß, dass es für jede einzelne Maßnahme ein Für und Wider gibt. Bei jeder einzelnen Maßnahme kann hinterfragt werden, was diese bringt und wie viel schneller die Verfahren würden, wenn Herkunftsländer als sicher gälten.
Vergleichen Sie diese Verfahren mit denen hinsichtlich von Flüchtlingen aus den Ländern, die wir als sichere Herkunftsländer bezeichnen. Nur 1 % der Flüchtlinge, die nach Schleswig-Holstein kommen, kommt aus den sicheren Balkanstaaten. Daran sehen Sie doch, dass die Festlegung von sicheren Herkunftsländern etwas bewirkt hat. Schauen Sie sich das Verfahren zu Menschen aus dem Senegal an. Schauen Sie sich das Verfahren zu Menschen aus Ghana an. Obwohl diese beiden Staaten als sichere Herkunftsländer gelten, sind die Zahlen mit Blick auf die Schutzquoten höher als bei Flüchtlingen aus den Ländern, die wir jetzt als sicher erklären wollen.
Ihre Argumente, dass es in diesen Ländern natürlich Verfolgung gebe - wer bestreitet das denn? -, sprechen nicht gegen die Festlegung von Ländern als sicherer Herkunftsstaat. Jedem, der individuell betroffen ist - ob aus Gründen der Homosexualität, was Sie immer wieder anprangern, oder anderen Gründen -, steht es frei, in Deutschland Asyl zu beantragen. Das hat doch überhaupt nichts damit zu tun, dass Staaten als sichere Herkunftsländer gelten. Vielmehr soll durch diese Erklärung das Asylverfahren beschleunigt werden. Das ist doch der Grund, warum das Asylpaket II beschlossen werden soll.