Die Krise auf dem Milchmarkt ist nicht plötzlich und unerwartet über uns gekommen. Sie ist nicht die Folge eines kurzfristigen Wegbrechens irgendwelcher Märkte in Russland oder China. Sie ist vielmehr das Resultat einer vom Grundsatz her falschen und auf stetiges Wachstum und Eroberung der Weltmärkte angelegten Agrarpolitik mit den logischen Folgen: Überschussproduktion, Preisverfall.
Diese Überschüsse drängen dann auf die globalisierten Märkte. Diese aggressiven, mit Dumpingmethoden um Marktanteile kämpfenden Exportstrategien schaden unseren Betrieben, aber auch weltweit. Daran sollten wir immer wieder denken, wenn wir über Fluchtursachen diskutieren.
Ja, die Lage auf dem Milchmarkt ist für bäuerliche Erzeuger existenzbedrohend. Allein in SchleswigHolstein ist im abgelaufenen und im kommenden Jahren mit einem Defizit in der Wertschöpfung der über 4.000 Milcherzeugerbetriebe von über 500 Millionen € jährlich auszugehen. Diese Entwicklung ist auch vor dem Vorzeichen vieler anstehender Investitionen auf den Betrieben in Umwelt, Tierwohl und Arbeitsqualität äußerst kritisch zu bewerten. Dass diese Investitionen anstehen, ist nicht irgendwelches grüne Gedöns und entstammt irgendwelchen grünen Phantasien, sondern es ist auch eine Konsequenz aus Ihrem dritten Weg, der agrarpolitischen Analyse der CDU.
Ja, Liquiditätshilfen, Bürgschaften, sind in diesen schwierigen Zeiten ein Teil der Mittel. 500 Millionen € Liquiditätshilfen wurden für den Sektor im vergangenen Herbst in der EU beschlossen. Diese 500 Millionen € waren nicht an eine Mengenredu
zierung gekoppelt. Das war ein großer Fehler. Bundesminister Schmidt fordert jetzt das nächste Programm.
Ich sage ganz klar: Kein Staat kann gegen überlaufende Märkte und verfallende Marktpreise an subventionieren.
Liebe CDU, ich habe schon bei der Vorstellung Ihres neuen Agrarprogramms im vergangenen Jahr angemerkt: Sie schreiben vieles Richtige in die Situationsanalyse. Sie sollte vielleicht auch den einen oder anderen weiblichen und urbanen Kreis für Sie als Wähler erschließen. Aber Sie sagen damals wie heute nicht, wie es bezahlt werden soll. Das geht nur über die - wie heißt es theoretisch? - ökonomischen und ökologischen Wahrheiten, die die Preise sagen. Um es anders zu sagen: Das geht einfach nur über funktionierende Märkte. Die haben wir hier nicht.
Ja, bäuerliche Milchviehhaltung ist ein zentraler und wichtiger Bestandteil der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. In Grünlandregionen ist sie oftmals die einzige mögliche landwirtschaftliche Nutzung. Sie prägt wie kaum eine andere Betriebsform die Kulturlandschaft auch in Schleswig-Holstein und kann wesentlich zum Erhalt der ökologisch wertvollen Grünländereien und der damit verbundenen biologischen Vielfalt beitragen. Die Landesregierung hat durch viele Programme, sei es Grünland, Ökolandbau, Verarbeitung und Vermarktung, Eckpunkte gesetzt, um diese Potenziale zu heben.
Wer nicht liefert, wer es versäumt, diese Facetten, die verschiedenen Optionen, die die Betriebe haben, aufzugreifen, ist wieder einmal die Bundesregierung. Wir warten immer noch auf ein verbindliches öffentliches Label für die Haltungsform von Tieren.
Die dringendste Aufgabe ist es jetzt, den Verlust zahlreicher Milchviehbetriebe und damit einen dramatischen Strukturbruch in der Milcherzeugung zu verhindern. Landwirtschaftliche Betriebe kann man nicht im Stand-by-Betrieb abschalten. Wenn sie weg sind, dann sind sie weg. Hier sind europaweit jetzt auch die Molkereiunternehmen gefordert. Es gilt, Verantwortung zu übernehmen und Anreize für eine Reduzierung der Milchmenge und damit für bessere Erzeugerpreise zu setzen. Dass dies schnell und effizient und ohne überbordende Verwaltung
möglich ist, das hat vor Kurzem eine holländische Molkerei gezeigt, wenn auch aus ganz anderen Motiven heraus. Das kann unterstützt und gefördert werden durch öffentliche Bürgschaften und öffentliche Darlehen. Die Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene endlich dafür einsetzen, dass Maßnahmen für eine schnelle Anpassung der Milchproduktion an den Bedarf im Fall von Marktkrisen möglich sind und umgesetzt werden. Und was macht die Bundesregierung? - Am vergangenen Montag tagte der EU-Agrarrat. Gute Vorschläge kamen aus Frankreich, sie gingen in die richtige Richtung. Die Bundesregierung hat diese Vorschläge auflaufen lassen.
Ich komme zum Fazit: Nicht das Bündeln von Molkereien und Molkereikonzernen ist das Zauberwort, sondern mit schnellen Maßnahmen die Menge an die Nachfrage anzupassen und die Erzeuger letztlich am Markt in ihrer Position zu stärken. Ich bitte wirklich darum, die Anträge, die heute von der CDU gestellt wurden, abzulehnen. Ich will nicht auf den Antrag der CDU eingehen: „Seid nicht so böse zu den Bauern“. Ich finde, der Antrag erübrigt sich.
Bevor wir auf der Rednerliste fortfahren, möchte ich mit Ihnen gemeinsam auf der Tribüne weitere Gäste begrüßen. Es sind Mitglieder des CDU-Ortsverbands Großsolt. Das sind Gäste der Kollegin Nicolaisen, die uns auf der Tribüne zuhören. Ferner sind es neue Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Landesvorsitzende Ruth Kastner und Arfst Wagner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Herzlich willkommen Ihnen allen hier im Kieler Landeshaus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Initiative der CDU, eine Vermarktungsplattform für Milcherzeuger einzurichten, lenkt wirklich von den eigentlichen Problemen am Milchmarkt ab.
- Die habe ich selbst geschrieben, Herr Arp. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen: Ihr Landesvorsitzender stellt sich hin und gibt die Pressemitteilung heraus: Wir müssen die Discounter bekämpfen! - Und was macht die Bundesregierung gleichzeitig? Gleichzeitig handelt sie gegenteilig, denn Wirtschaftsminister Gabriel hat erst vor wenigen Wochen eine Ministererlaubnis zur zuvor vom Kartellamt abgelehnten Übernahme der Tengelmann-Supermärkte durch den Branchenprimus EDEKA in Aussicht gestellt. Dazu muss man wissen, dass nicht nur das Kartellamt die Übernahme abgelehnt hat, sondern dass auch ein Sondergutachten der Monopolkommission empfohlen hat, diese Ministererlaubnis nicht zu erteilen.
Liebe Freunde von der CDU, ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Statt in Pressemitteilungen solche Forderungen aufzustellen, sollten Sie in Berlin Ihren großen Einfluss geltend machen und mit konkretem Handeln gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgehen. Damit die Milchviehhalter in Zukunft selbstbestimmte Unternehmer bleiben können, müssen strukturelle Reformen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe und im Sinne des betrieblichen Risikomanagements erfolgen.
Die deutschen Milchbauern brauchen Hilfe dabei, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, auch um neue Absatzmärkte zu erschließen. Das gilt gerade vor dem Hintergrund des Russland-Embargos. Dafür und für weitere Unterstützungsmaßnahmen ist auf Bundesebene noch viel zu tun, und ich will einmal konkrete Beispiele nennen. Das ist von meinem Vorredner nicht gemacht worden. Ich will konkret benennen, wie man der Krise begegnen kann: Beispielsweise wäre eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ein sinnvolles Mittel, das die klassische Form der Eigenvorsorge wirksam unterstützen könnte, doch leider wird diese Maßnahme vom Bundesfinanzminister blockiert.
Ein zweiter Punkt: Die Macht der Erzeuger sollte unserer Meinung nach dadurch gestärkt werden, dass die Rechte der Mitglieder gegenüber den Genossenschaftsvorständen wieder ausgeweitet wer
Nur leider hat gerade die schwarz-rote Regierung 2006 das Genossenschaftsrecht dahin gehend geändert, dass es geschwächt worden ist, aber ich hoffe, dass Sie sich jetzt dafür starkmachen werden, um beim Genossenschaftsrecht wieder auf den Stand von 2006 zurückzukehren.
- Ach so, auch nicht schlecht. - Karneval ist vorbei. - Meine Damen und Herren, die von der Union geforderte Plattform könnte übrigens sogar negative Folgen für die Milchbauern haben: Eine Vermarktungsplattform dieser Art könnte die Discounter dazu bewegen, auf andere Milchzulieferer außerhalb Schleswig-Holsteins auszuweichen und würde die Existenz hiesiger Milchviehbetreibe gefährden. Das Letzte, was der Milchmarkt jetzt braucht, ist mehr staatliche Regulierung,
denn die Milcherzeuger brauchen die von mir eben erwähnten Maßnahmen und notwendigen Rahmenbedingungen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Statt überzogener Regulierungen bei der Agrarinvestitionsförderung müssen Mittel markgerechter und unbürokratischer freigegeben werden.
Nun komme ich vom Bund zum Land und damit zum zweiten Antrag der CDU. Die FDP-Fraktion teilt hier die Forderungen der Union. Die Landesregierung darf die Landwirte nicht überfordern, sondern sie soll sie unterstützen. Aber sie tut leider genau das Gegenteil. Sie versucht, sinkende Preise mit steigenden Kosten zu bekämpfen. Dabei bringen immer neue Verordnungen und Gesetze und immer mehr Agrarphilosophie die Landwirtschaft keinen Schritt voran. Da gibt es leider genug Beispiele: Die Knickschutzverordnung, das Dauergrünlanderhaltungsgesetz, die Pflanzenschutzsteuer, auch Habeck-Steuer genannt, und nicht zuletzt das Landesnaturschutzgesetz.
- Auch so, Frau Redmann. Was ist eigentlich aus dem Naturschutzgesetz geworden? Sie wollten doch einen großen Änderungsantrag präsentieren,
durch den Sie der Regierung zeigen wollten, was Sie von dem Entwurf gehalten haben. Sie wollten Dialog mit Bauern, Jägern und der Opposition aber: Fehlanzeige. Im März wollen Sie Ihr Gesetz nun durch den Landtagtag bringen. Ich bin äußerst skeptisch. Ich bin natürlich gespannt wie Bolle darauf, aber ich bin sicher, dass das Vorkaufsrecht und dass die Gewässerrandstreifenbürokratie drin bleiben werden, und das nützt der Landwirtschaft überhaupt nicht.
Die rot-grün-blaue Koalition und der Umweltminister treffen immer zielsicher diejenigen am härtesten, die sie eigentlich fördern wollen. Das tun Sie mit den eben genannten Gesetzen und Verordnungen. Und wenn Dr. Robert Habeck sagt, er lasse die Bauern mit ihren Problemen nicht allein, dann klingt das aus seinem Mund wirklich wie eine handfeste Drohung.
Wir brauchen endlich eine Landwirtschaftspolitik, die sich auf Wissenschaft und Sachverstand gründet und nicht durch Ideologie, Meinungsmache und Bauchgefühl bestimmt wird. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.