Protocol of the Session on January 21, 2016

Dass die Union das so vehement ablehnt, heißt ja nicht, dass es von der Union sehr bald umgesetzt wird - mit Blick auf das, was in den vergangenen zwei Jahren im Deutschen Bundestag alles so beschlossen wurde. Meinen Sie nicht auch, dass wir in den nächsten 10, 20 Jahren in einer sehr großen Zahl qualifizierte Zuwanderung brauchen, und meinen Sie nicht auch, dass - Union und FDP haben in der letzten Wahlperiode einiges beim Aufenthaltsgesetz verändert, zum Beispiel die Grenzen beim notwendigen Einkommen heruntergesetzt -, dass das bisherige Gesetz nur in sehr geringer Zahl qualifizierte Zuwanderer aus Drittstaaten anlockt?

Ich gebe Ihnen in dem Punkt recht, dass unsere bisherigen rechtlichen Möglichkeiten nicht genug anlocken. Die Möglichkeiten für Hochqualifizierte, nach Deutschland zu kommen, halte ich für ausreichend, aber der Werbeeffekt, der mit einem Einwanderungsgesetz verbunden sein könnte, tritt noch nicht in dem Umfang ein, wie es wünschenswert wäre.

Da wir beide unter uns reden, würde ich sagen: In dem Moment, in dem wir gemeinsam ein Einwanderungsgesetz mit dieser Zielrichtung auf den Weg bringen könnten, kann das sofort losgehen. Ein Einwanderungsgesetz, in dem inhaltlich etwas ganz anderes drinsteht als das, was wir haben wollen, brauchen wir nicht.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde genommen ist nach der Rede noch deutlicher geworden, warum wir ein Einwanderungsgesetz brauchen. Zur Erinnerung: Wir reden nicht erst seit gestern über ein modernes Einwanderungsrecht beziehungsweise ein Migrationsrecht, wie es andere nennen, sondern seit vielen Jahren und mit der CDU ganz konkret seit 2005. Da hat man den ersten Aufschlag gemacht. Seit 2005, seit der damaligen Großen Koalition, ist die CDU in der Pflicht, mit der SPD ein modernes Einwanderungsrecht zu schaffen. Dieser Pflicht sind Sie nicht nachgekommen.

Liebe Kollegen von der CDU, in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses haben Sie gesagt, Sie hätten Ihren Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen, und haben sich bei der Abstimmung enthalten. Heute habe ich vernommen, dass Sie hier noch einmal deutlich einige Schritte zurückgegangen sind und Sie überhaupt kein neues Einwanderungsrecht wollen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Die anderen Fraktionen im Landtag sind da deutlich weiter.

Auf der einen Seite reden wir hier über verschiedene Möglichkeiten. Es geht nicht primär - Kollege Bernstein, ich finde es schade, dass Sie sich darauf konzentriert haben - um die Hochqualifizierten. Über die reden wir schon lange nicht mehr, denn

(Dr. Axel Bernstein)

für die gibt es schon lange Möglichkeiten, nach Deutschland zu kommen.

Wir reden über diejenigen, die wir mittlerweile in allen Bereichen auf dem Arbeitsmarkt brauchen. Schon in der IHK-Stellungnahme ist deutlich geworden, dass wir in 14 Jahren mehr als 100.000 Arbeitskräfte allein in Schleswig-Holstein brauchen werden. In der IHK-Stellungnahme ist ebenfalls nachzulesen, dass im letzten Jahr 3.500 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten, weil es nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber gab. Das heißt, wir reden hier schon lange nicht nur über ein Einwanderungsrecht für Hochqualifizierte, sondern über ein Einwanderungsrecht für Qualifizierte aus vielen anderen Bereichen auch.

Vieles muss neu geregelt werden, weil das bisherige Einwanderungsrecht einfach viel zu viele Einschränkungen und Beschränkungen enthält. Es gibt zum Beispiel keine Regelung darüber, ob die Ehepartnerinnen und Ehepartner arbeiten dürfen, wenn Sie eine Hochqualifizierte oder einen Hochqualifizierten angeworben haben. Das hat auch etwas mit der Attraktivität des jetzigen Gesetzes zu tun und mit der Frage, wie es überhaupt weitergeht.

Es fehlt auch - das sagen auch die Hochqualifizierten - an einer Willkommens- und Anerkennungskultur insgesamt in Deutschland. Die Hochqualifizierten fühlen sich teilweise in anderen Ländern wohler.

Fakt ist aber auch: Deutschland hat sich - jetzt nicht bezogen auf die Flüchtlingssituation, sondern auf die Situation an sich - in den letzten Jahren ein bisschen gemausert, und wir sind wieder im Trend, was die Einwanderung von Arbeitskräften angeht. Festzustellen ist aber, dass über zwei Drittel dieser Menschen aus den EU-Ländern kommen. Auch das ist vielleicht wichtig für die Diskussion.

Wir begrüßen es und gehen sehr konform damit, dass die FDP-Fraktion diesen Antrag gestellt hat. Wie Sie wissen, läuft bereits seit Februar letzten Jahres die Bundesratsinitiative mit Rheinland-Pfalz und Niedersachsen für ein modernes Einwanderungsrecht, um so mehr Möglichkeiten zu schaffen, insbesondere auch eine legale Einreisemöglichkeit für Menschen, die nicht aus EU-Ländern kommen. Das ist auch eine Forderung, die insbesondere vom Flüchtlingsrat, aber auch vom UNHCR erhoben worden ist.

Da wir Ihrem Antrag nicht in allen Punkten zustimmen konnten, haben wir uns hier für eine andere Form der Abstimmung entschieden. Es ist auch in der Anhörung deutlich geworden, dass wir gerade

bei dem Punkt 1 nicht mitgehen konnten; denn darin sind einige Punkte enthalten, die zumindest Fragezeichen hinterlassen haben. Ich muss Ihnen als Sozialdemokratin wohl nicht unbedingt sagen, dass es - das hat auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration gesagt mit Sozialdemokraten natürlich nicht machbar ist, die Gehälter auf ein realistisches Maß zu senken. Ich glaube, das ist zumindest ein Punkt, bei dem Sie auch klar erkennen können, warum wir dem ersten Punkt Ihres Antrags, aber auch anderen Punkten nicht zustimmen konnten.

Was das Punktesystem angeht, sind wir bereits etwas weiter. Das war etwas, das wir in Teilen auch unterstützt haben, wobei uns dort nur die wirtschaftlichen Aspekte nicht genügen. Denn die gesellschaftspolitischen Aspekte müssen bei einem Punktesystem natürlich auch berücksichtigt werden. Es ist wahr, dass Kanada von seinem Punktesystem mittlerweile abgerückt ist.

Wir müssen einfach konstatieren, dass mittlerweile in der Diskussion - ich habe das kanadische Modell hier auch oft vertreten - festzustellen ist, dass Kanada sagt: Dieses Punktesystem hat eine so große Selektion, dass man gar nicht an die Leute herankommen kann, die die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zum Beispiel möchten. Von daher ist Kanada gerade dabei, sein System umzustellen.

Insbesondere für die Arbeitgeber ist es wichtig, dass ein unbürokratisches Einwanderungsrecht geschaffen wird, damit es leichter wird, die Menschen aus anderen Ländern anzuwerben. Denn dieses Monstrum an Aufenthaltstiteln ist wirklich ein Abschreckungsgesetz, sodass ich jeden Arbeitgeber verstehen kann, der sich nicht auf diesen Weg machen möchte.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt?

Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich glaube, da liegt bei Ihnen ein fundamentales Missverständnis vor, was unseren Vorschlag angeht. Wir wollen ja nicht die Gehälter absenken, sondern wir wollen die rechtliche Schwelle absenken, sodass auch Menschen, die zunächst mittlere Einkommen haben, wenn sie denn als qualifi

(Serpil Midyatli)

zierte Zuwanderer zu uns kommen, die Möglichkeit haben, hier zu leben und zu arbeiten. Dieses Einkommen liegt momentan im Bereich von etwa 40.000 €. Wir haben das in der letzten Wahlperiode deutlich abgesenkt; denn es betrug - zumindest in Westdeutschland - etwa 60.000 €. Mit der Absenkung wurden aber nicht die Gehälter der Menschen gesenkt, sondern dadurch wurden nur die Möglichkeiten vergrößert, dass auch Menschen mit mittlerem Einkommen hier einwandern können. Ich glaube und hoffe nicht, dass die Sozialdemokraten dagegen sind. Insofern sollten Sie sich das noch einmal genauer anschauen; ich gehe davon aus, dass Sie das schlicht missverstanden haben.

- Das kann sehr gut sein. Aus den Stellungnahmen habe ich zumindest entnommen - es geht um 48.500 €, so ist es zumindest aus der Stellungnahme zu entnehmen -, dass schon in einer EU-Richtlinie - diese Blue-Card haben wir ja nicht selber erfunden - gesagt worden ist, dass Deutschland bereits das niedrigste Gehalt zugrunde gelegt hat. Deshalb glaube ich nicht, dass es sinnvoll ist, das noch einmal abzusenken. In Ihrem Antrag geht es um Menschen, die einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation haben. Es geht nicht um diejenigen, die geringbeschäftigt werden sollen, weil sie nur eine geringwertigere Ausbildung haben. Eventuell habe ich das tatsächlich nicht richtig einschätzen können. Aber so steht es zumindest nicht in Ihrem Antrag.

Gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Noch einmal, Frau Kollegin. Es geht hier nicht darum, dass das das Maximalgehalt der Menschen ist, sondern das ist das Minimalgehalt. Insofern vergrößern wir doch die Möglichkeit für viele Menschen, zu uns zu kommen; denn wir senken das Gehaltsniveau deutlich. Ich glaube, das sollte doch auch für die Sozialdemokratie durchaus verständlich sein. Das hoffe ich zumindest. Vielleicht können wir das ja als Ergebnis dieser Beratung mitnehmen.

- Das können wir gern als Ergebnis dieser Beratung mitnehmen. Auf der anderen Seite habe ich vorhin

schon ausgeführt, dass gerade für die Hochqualifizierten Deutschland nicht gerade das Land ist, in dem sie sich zuerst nach einer Arbeit umschauen, sondern sie dies eher in anderen europäischen Ländern tun, weil andere Länder mehr bezahlen und diese Länder auch eine andere Willkommens- und Anerkennungskultur haben. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um an die Hochqualifizierten zu kommen, wenn wir denen sagen: Ihr könnt auch Gehälter annehmen, die darunter liegen. Vielleicht habe ich das aber wirklich missverstanden. Das geht jedenfalls aus dem Antrag so nicht hervor.

Das war meine Stellungnahme in dieser Richtung. Von daher bleiben wir bei unserer Entscheidung. Aber wir werden, wie Sie gehört haben, zumindest auf Bundesebene weiter darüber diskutieren.

Frau Midyatli, jetzt müssen Sie aber zum Ende kommen.

Das war es auch schon.

(Beifall SPD)

Danke schön. - Dann kommen wir jetzt zum Redebeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir brauchen Zuwanderung in Deutschland. Auch wenn im Moment viele Menschen auf dem Fluchtweg zu uns kommen, macht uns die Wirtschaft immer wieder deutlich: Wir brauchen Zuwanderung, und die demografische Entwicklung in Deutschland reicht nicht aus, um den Fachkräftemarkt zu bedienen. Dazu gehört, dass wir bei den Menschen darum werben, zu uns zu kommen, und dass wir uns bemühen, die Menschen dazu anzuhalten, auch bei uns zu bleiben.

Selbst wenn wir der Meinung wären, wir bräuchten nur hochqualifizierte und gut qualifizierte Menschen - es ist ja im Moment in der Diskussion, dass zwar viele Menschen zu uns kommen, dass es aber viel zu lange braucht, bis wir denen unsere Sprache beibringen können; viele kommen ja auch als Analphabeten, bei denen sich die Frage stellt, wie wir

(Serpil Midyatli)

diese Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren -, sind wir uns sicherlich einig, dass wir qualifizierte und hochqualifizierte Menschen für unseren Arbeitsmarkt brauchen. Wenn das so ist, dann ist es sehr wichtig, dass wir nicht nur ein liberales Recht und liberale Rechtsmöglichkeiten haben, sondern dann ist es ebenso wichtig, dass dieses Recht auch transparent ist. Ich habe schon im vergangenen Jahr, als wir darüber debattiert haben, ausgeführt: Wenn man bei Google „Kanada“ und „Migration“ eingibt, dann hat man wesentlich bessere Ergebnisse, als wenn man versucht, sich in Deutschland in dem Wust des Einwanderungsrechts zurechtzufinden.

Das reicht also nicht. Vielmehr brauchen wir auch ein freundliches Gesicht, wie auch die Kanzlerin es so trefflich bemerkt hat. Wir müssen deutlich machen, dass fremde Menschen, die neu zu uns kommen, bei uns willkommen sind. Das ist auch für die Hochqualifizierten und gut Qualifizierten sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, die demografische Forschung hat festgestellt, dass es noch relativ einfach ist, Menschen zu uns anzuwerben, dass wir also einen relativ guten Zuzug auch bei hochqualifizierten und besser qualifizierten Menschen haben. Das Problem ist nur: Diese Menschen müssen auch bleiben. Es gibt eine Studie mit dem Titel „Gekommen, um zu bleiben“. Diese Studie sagt: Eine wichtige Voraussetzung ist sicherlich das Gehalt. Die wichtigste Voraussetzung dafür hierzubleiben ist aber, dass man hier auch mit seiner Familie leben kann, dass es also einen Familiennachzug gibt.

Die zweitwichtigste Voraussetzung ist, dass man wirklich gut und schnell die Sprache erlernen kann. Deshalb bleiben viele lieber in englischsprachigen Ländern, weil es für sie dort vermeintlich leichter ist. Aus diesem Grund brauchen wir auch insoweit sehr gute Angebote. Das Dritte, das in der Studie genannt wurde, ist die Möglichkeit, hier auch eine dauerhafte Perspektive zu haben, eingebürgert zu werden, also eine Teilhabemöglichkeit zu bekommen. Die Länder, in denen das besser ist, haben sehr viel bessere Möglichkeiten, die Menschen auch zu halten. Es reicht nicht aus zu sagen, man macht mal eben einen Job, dann bekommt man woanders bald einen besseren Job.

Das ist etwas, was wir auf der langen Ebene ebenfalls brauchen. Deshalb finde ich es gut, wenn wir uns ganz klar auch weiterhin für Mehrstaatlichkeit und auch für das Wahlrecht für Ausländer aussprechen.

Herr Bernstein, Sie haben vorhin gefragt: Ausgerechnet jetzt? Ich sage: Gerade jetzt, weil es gerade in der jetzigen Situation, da so viele Menschen zu uns kommen, wichtig und richtig ist, ein Einwanderungsrecht zu schaffen und deutlich zu machen, dass wir ein Einwanderungsland sind.

Last, but not least ist das auch eine Möglichkeit, wie man mit dem Thema Flucht umgehen kann. Natürlich kommen im Moment viele Menschen zu uns, zum Beispiel aus Afrika, um hier Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Im Grunde ist das Schlauchboot doch im Moment die einzige Möglichkeit, nach Europa zu kommen. Es gibt quasi keine legalen Einreisemöglichkeiten. Egal wie klein ein Kontingent sein mag, egal wie sehr man auf bestimmte Berufsgruppen zugeht, zum Beispiel auf Pflegekräfte, das ist für die Menschen doch alles besser als eine komplette Perspektivlosigkeit. Vielleicht käme der eine oder andere dann ja auf die Idee zu sagen: Ehe ich dem Schlepper 5.000 € gebe, investiere ich das lieber in eine Fortbildung.

Ich glaube, dass man irgendeine Perspektive in Europa entwickeln muss, damit man auch legal hierherkommen kann. Alles andere - Obergrenzen, Grenzen dichtmachen - sind Scheinlösungen. Das funktioniert nicht. Deswegen sage ich: Ja, gerade jetzt müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Das ist meine Antwort darauf. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens will ich mit einem wirklich fundamentalen Missverständnis aufräumen, liebe Kollegin Midyatli. Mich hat das, was Sie gesagt haben, wirklich gewundert. Bei der Verhandlung über die Gehaltsgrenzen bei der sogenannten Blue Card hat die CSU deutlich gemacht, dass die Gehaltsgrenzen aus ihrer Sicht gar nicht hoch genug sein können, damit möglichst wenige kommen; genau das war die Intention. Sie haben ja recht: Wir brauchen in Zukunft auch eine sichere Regelung für die Facharbeitskräfte, deren Gehalt unterhalb der Schwelle liegt. Deswegen sage ich: Nur weil der Vorschlag von den Freien Demokraten kommt, ist er nicht gleich gegen die Menschen gerichtet. Das war tat

(Eka von Kalben)