Protocol of the Session on January 21, 2016

Das ist hier doch wohl, und davon gehe ich aus, fraktionsübergreifend die Überzeugung.

Wenn wir über Prävention reden, dann müssen wir auch über die Landesstelle für Suchtfragen reden. Sie erfüllt dem Bericht zufolge nicht die Merkmale, die für eine institutionelle Förderung notwendig sind. So steht es zumindest auf Seite 10 des Berichts. Wer allerdings landesweit und jährlich die Suchtprävention als Partner der dezentralen Einrichtungen vorantreibt, der erfüllt doch eine unverzichtbare Aufgabe. Ich komme zu einer Grundforderung der Suchtselbsthilfe in Schleswig-Holstein, nämlich dass die Förderung dieses Bereichs nicht als Projektförderung definiert werden kann. Planungssicherheit für alle Betroffenen und die Anlaufstellen muss hier oberstes Gebot sein. Wiederkehrende und komplizierte Projektanträge gefährden eigentlich das Gute.

Die Kultusministerin geht hier vorbildliche Wege, da kann man sich etwas abschauen. Die Träger, die im Kulturbereich stetig wiederkehrende und unverzichtbare Aufgaben für das Land erfüllen, werden zunehmend von aufwendigen Antragsverfahren entlastet und über Kontraktförderung in Verbindung mit Zielvereinbarungen abgesichert. Das könnte man im Bereich der Suchtprävention genauso gestalten.

Die Gesundheitsministerin wählt hier einen anderen Weg, und der ist falsch. Ich will hier nicht von der Zerschlagung von Strukturen reden, aber eine ver

(Ministerin Kristin Alheit)

lässliche Fortentwicklung sehe ich im Bericht nicht. Was die ganze Ausstattung angeht, so müssen wir uns doch fragen, wie eine Landesregierung dem Konsensmotto, das seit mehreren Jahrzehnten gilt und auch im Betäubungsmittelstrafrecht verankert ist, nämlich Therapie statt Strafe, Rechnung tragen will.

Wie soll sich eine fundierte Suchtpolitik so gegen eine althergebrachte und nachweislich gescheiterte Drogenpolitik durchsetzen können? - Das ist fehlerhaft. Der Bericht wirft viele Fragen auf, Antworten gibt er nicht genug. Ich möchte diesen wichtigen Bericht darum im Sozialausschuss weiter mit Ihnen besprechen und halte es für gut und unentbehrlich, diesen Bericht breit und öffentlich auch mit Experten aus diesem Bereich im Sozialausschuss zu erörtern. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN und Volker Dornquast [CDU] - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Hans Hinrich Neve das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Dank für den erstellten Bericht gilt der Ministerin. Richtig ist: Es gibt keine drogenfreie Gesellschaft, und die wird es vermutlich auch nie geben. Rauscherfahrungen werden für manche Menschen immer einen Reiz darstellen. Dies finden wir in der Menschheitsgeschichte in fast allen Kulturen. Aber ob die legalen Drogen wie Alkohol und Tabak nun lediglich eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz finden oder Kulturgüter sind, wie Sie es in Ihrem Bericht nennen, sei einmal dahingestellt. Für die legalen Drogen Alkohol und Tabak gibt es in unserem Land eine Vielzahl von Beratungsangeboten, die gut sind, sofern sie von den Betroffenen auch in Anspruch genommen werden. An dieser Stelle möchte ich einen Dank an all die aussprechen, die in der Suchtarbeit ehrenamtlich tätig sind und mit ihrem Einsatz den Betroffenen und deren Angehörigen helfen und auch Freunden eine große Stütze sind. - Ein herzliches Dankeschön noch einmal.

(Beifall CDU, FDP, PIRATEN, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich gebe Ihnen recht, dass es dennoch viele Bereiche gibt, die unsere Aufmerksamkeit und unser Handeln erfordern. In Ihrem Bericht sprechen Sie

von der Mediensucht, von neuen illegalen Suchtstoffen. Crystal Meth, Badesalze, Flakka, um nur einige dieser neuen illegalen Suchtstoffe zu nennen, können heutzutage schnell und einfach irgendwo im Keller oder in der Küche hergestellt werden und sind hochgefährlich.

Im Bericht fehlt mir allerdings das Thema Schnüffeln, welches uns durch den tragischen Tod einer Schülerin im vergangenen Jahr noch intensiv beschäftigt hat. Aber ich bin guter Dinge, dass wir da auch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen und auch den Bereich des Schnüffelns in die Suchtarbeit aufnehmen.

Besorgniserregend ist, dass vor allem bei Menschen mit Migrationshintergrund ein starker Anstieg beim Thema Sucht zu verzeichnen ist. Eine Zunahme von 7 % auf 23 % beim pathologischen Glücksspiel innerhalb von drei Jahren muss uns aufhorchen lassen. Dabei gehe ich davon aus, dass in diesen Zahlen die Flüchtlingswelle noch nicht berücksichtigt wurde.

Über diese Entwicklung sollten wir uns im Ausschuss noch einmal unterhalten und darüber, wie diese Gruppe angesprochen werden kann und - wie es auch im Bericht genannt wird - die Hürden in der Suchtkrankenhilfe abgebaut werden können.

Der Bericht befasst sich auch ausführlich mit der Umstellung der Finanzierungspraxis und zeigt, dass die bereits im Jahr 2011 abgeschlossene Rahmenvereinbarung zur Kommunalisierung der Mittel richtig war. Dass sowohl die Einrichtungen als auch die Kommunen die Umstrukturierung als positiv und verwaltungsvereinfachend bewerten, belegt dies eindeutig. Im Ausschuss sollten wir dennoch darüber sprechen, wie wir einen noch stärkeren Fokus auf Prävention und Aufklärung legen und wie aktuelle Entwicklungen auch zügig in die Suchtarbeit aufgenommen werden können. Die Entwicklung ist hier fließend. Es kommen immer neue Sachen hinzu.

Ich bitte um Ausschussüberweisung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP, PIRATEN, Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Peter Eichstädt das Wort.

(Wolfgang Dudda)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht zeigt auf, dass Suchtkrankenhilfe in Schleswig-Holstein in den unterschiedlichsten Bereichen von vielen Akteuren gut koordiniert wahrgenommen wird. Es gibt eine Vielfalt ehrenamtlicher und professioneller Organisationen, die sich dieser Aufgabe annehmen; besonders die Selbsthilfegruppen leisten hier Unverzichtbares, da sie ohne Zugangsschwellen viele Menschen, die suchtbelastet ihr Leben bewältigen müssen, erreichen und durch erfahrene ehrenamtlich Tätige wertvolle Hilfe anbieten. Dafür sollten wir uns bei all denjenigen, die das ohne Bezahlung schon seit vielen Jahren machen, ganz herzlich bedanken.

(Beifall SPD, CDU, PIRATEN und SSW)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat im November 2013 beschrieben, welche Aspekte er bei der Ausgestaltung der Suchtkrankenhilfe berücksichtigt wissen wollte. Diesen Antrag haben auch die PIRATEN gemeinsam mit Herrn Dudda getragen. Wir haben ihn im Sozialausschuss gemeinsam entwickelt. Dabei stand an oberster Stelle die Prävention und Aufklärung über die Gefahren von suchterzeugenden Stoffen und Angeboten; denn langfristig ist es die entscheidende Strategie, auf Prävention und Aufklärung zu setzen, um möglichst wenige Menschen in eine Suchtkarriere hineingeraten zu lassen.

In diesem Bereich der Prävention ist - das ist wirklich wichtig und gut - in den letzten Jahren viel auf den Weg gebracht worden. Die Landesstelle für Suchtgefahren, LSSH, hat ein vielfältiges und wirksames Angebot aufgebaut, das sich an Schulen, Freizeitstätten und Kindertagesstätten richtet, aber auch sein Angebot auf Partygroßveranstaltungen und ähnliche Veranstaltungen besonders im ländlichen Bereich ausdehnt. Daran wirken aber auch viele andere Beratungsstellen der freien und kommunalen Träger mit, die sich in vielfältiger Form an diesen Aufgaben beteiligen.

Wenn Herr Dudda eine Darstellung im Bericht vermisst, dann empfehle ich ihm, noch einmal in das Kapitel 3.3 hineinzusehen, das sind die Seiten 10 und 11. Da ist das aufgelistet. Nur ist es eben auch als eine Besonderheit in unserem Land dargestellt, Herr Dudda, dass sich diese einzelnen Träger und Organisationen in Arbeitsgemeinschaften zusammengefunden haben. Wenn man so etwas macht ich finde, dass es vollkommen der richtige Weg ist -, dann fördert man natürlich auch die Arbeitsgemeinschaften und lässt denen einen gewissen Spiel

raum, diese Mittel aufgabenorientiert und zweckbestimmt zu verteilen und einzusetzen. Deshalb ist es völlig richtig so, wie das in dem Bericht hier dargestellt wurde. Ich finde, es ist gut, dass das bei uns so gemacht wird, weil das die Vernetzung in diesem Bereich wirklich fördert und zu guten Ergebnissen führt.

(Beifall SPD)

So ist auch zum Beispiel eine deutliche Verbesserung beim Spielerschutz und bei der Aufklärung über die Suchtgefahren des Glücksspiels sowie das Therapieangebot für diejenigen Menschen, die sich aus dem Strudel der unterschiedlichsten Süchte nicht selbst befreien können, erreicht worden.

Daneben - aber das will ich auch ausdrücklich erwähnen, auch wenn es in dem Bericht keine so entscheidende Rolle spielt, weil der Bericht vom Sozialministerium erstellt worden ist - steht natürlich auch die Repression, die konsequente Strafverfolgung von kriminellen Dealern und organisiertem Drogenhandel - damit meine ich nicht die kleinen Dealer oder die Ameisen -, eine Aufgabe, die die Polizei gerade in Schleswig-Holstein mit wachem Auge wahrnimmt, worüber ich sehr froh bin.

Jeden Tag gibt es neue synthetische Drogen, jeden Tag gibt es neue Verunsicherung vor allen Dingen bei Eltern. Deshalb dürfen wir nicht nachlassen, mit Prävention und Aufklärung dafür zu sorgen, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche rechtzeitig vor den Gefahren von solchen Substanzen gewarnt und aufgeklärt werden. Herr Kollege Neve, das Thema Schnüffeln ist natürlich eins, das gerade durch das besondere tragische Ereignis, das wir in Kiel alle begleitet haben, in unserer Erinnerung und Wahrnehmung ist. Wir haben uns im Ausschuss damit beschäftigt. Es ist aber eine ernst zu nehmende Frage, ob man das in breiter Weise in ein Präventionsangebot mitaufnimmt, möglicherweise sogar Aufdrucke auf die Dosen macht. Da gibt es Für und Wider. Wir haben es im Ausschuss diskutiert. Ich bin sicher, dass wir auch da gemeinsam - Sie haben die Initiative damals auch im Wesentlichen ergriffen - ein Ergebnis finden, wobei ich für mich sage: Ich finde es falsch, Aufdrucke auf die Flaschen oder Spraydosen zu machen, zumal es ganz schwierig ist, sie zu platzieren. Wir sollten auch aufpassen, dass wir nicht Informationen auf den Weg bringen, die vielleicht viele Jugendliche noch gar nicht haben. Aber das Thema werden wir weiter vertiefen und sicher zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen. Wir haben da schon einen Antrag, der im Umlauf ist.

Aber - das will ich auch sagen - es führt eher selten ein direkter Weg über die Substanz in die Sucht.

Am Anfang stehen oft psychische, emotionale Verunsicherungen, die den Weg bereiten, vorhandene Probleme scheinbar mit Drogen lösen zu können. Deshalb ist die emotionale, psychische und soziale Stärkung unserer Kinder und Jugendlichen das erste Mittel der Wahl, sie selbstbewusst, aufgeklärt und stabil zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will zum Schluss drei Bereiche herausgreifen, die nach meiner Meinung für die Zukunft eine besondere Beachtung verdienen:

Erstens. Fachkräfte, die in der Gerontopsychiatrie arbeiten, kennen das Phänomen: die Medikamentenabhängigkeit älterer Menschen, vor allem Frauen. Sie - in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen - geraten häufig in eine mit anderen Erkrankungen kombinierte Abhängigkeit von Psychopharmaka. Sie finden dann Hilfen in den Gerontopsychiatrischen Krankenhäusern oder entsprechenden Tageskliniken, und das über Jahre, oft bis zum Lebensende in einem Kreislauf zwischen stationärer Psychiatrie, Tagesgruppe, eigener Wohnung und wieder Krankenhaus. Es ist wirklich gut, dass das Sozialministerium gemeinsam mit der Beratungsstelle „Frauen Sucht Gesundheit“ ein besonderes Projekt organisiert. Das steht am Anfang. Ich hoffe, dass wir bald Strategien entwickeln können, die vielen Menschen in dieser Situation helfen.

Als Zweites möchte ich die Internet- und Spielabhängigkeit nennen, die unter Jugendlichen stark zunimmt. Das wissen wir alle. Auch hier hat das Sozialministerium in der Vergangenheit mehrere Projekte gefördert, die sich diesem Phänomen und betroffenen Personenkreis in besonderer Weise zuwenden, die ich für wichtig halte.

Ein drittes Thema ist die Situation von Familienangehörigen von Suchtkranken. In diesen Familien erleben nicht nur die Suchtkranken selbst, sondern auch die Familienangehörigen - oft vor allem die Familienangehörigen! -¸ wie die Drogensucht eines Angehörigen das ganze Leben der Familienmitglieder beeinflusst, oft mit tragischen Konsequenzen. Auch hier werden wir in Zukunft überlegen, wie diesen Menschen wirksam mit Beratung und Unterstützung geholfen werden kann.

Meine Damen und Herren, wie können solche Leuchtturmprojekte, die so wichtig sind, um innovativ auf neue Herausforderungen zu reagieren, eigentlich finanziert werden?

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Das, liebe Kolleginnen und Kollege von der CDU und der FDP, ist deswegen etwas leichter geworden, weil die Regierungskoalition gemeinsam mit dem Sozialministerium die 300.000 €, die Sie in Ihrer kurzen Regierungszeit bei der Suchtkrankenhilfe gestrichen haben, wieder aktiviert hat. Und das ist gut so. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Frau Abgeordnete Anita Klahn - - Nein, hat sie nicht. Entschuldigung. Ich habe versehentlich schon ein Häkchen an einer Stelle gemacht, wo es noch nicht hingehört. Jetzt ist von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn dran. Das soll auch so bleiben.

Entschuldigung, Frau Klahn, dass ich Sie erschreckt habe!

(Heiterkeit - Zuruf: Aufgeweckt!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Piratenfraktion zunächst einmal sehr dankbar, dass sie einen Bericht angefordert hat. Es ist ein sehr wichtiges Thema, denn Sucht und Drogen sind in unserer Gesellschaft viel weiter verbreitet und führen zu den von dem Kollegen Eichstädt gerade beschriebenen Folgen nicht nur für die Betroffenen selber, sondern auch für die Familien. Deswegen ist es gut, wenn wir an dieser Stelle auch einmal über dieses Thema sprechen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei unserer Sozialministerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht.

Wir haben einen Systemwechsel vollzogen. Wir beziehungsweise die Vorgängerin der jetzigen Ministerin - haben auf Landesseite dafür gesorgt, dass mehr auf kommunaler Seite gefördert wird. Das ist sinnvoll, weil die Kommunen vor Ort die direkten Ansprechpartnerinnen für die Erkrankten sind.

Was gerade zum Indikatorenmodell ausgeführt worden ist, finde ich sehr sinnvoll. Es ist erst ein

(Peter Eichstädt)

mal ausgewertet worden: „Wie ist der Sachstand?“, dann: „Sind die Gespräche geführt worden?“, und dann ist neu verteilt worden, und das ist auch noch wissenschaftlich begleitet worden. Auch da denke ich, lieber Kollege Dudda, sind wir uns einig, dass genau das der Weg ist, auf dem man in der sozialen Infrastruktur gucken kann: Was ist gut? Was kann zukünftig noch besser werden?

Ich denke, es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass das alles stufenweise passiert ist und es nicht über Nacht plötzliche Veränderungen gegeben hat. Letzteres führt bei den Betroffenen zu Verunsicherungen. Das können wir alle nicht wollen.

Um das Ganze auch rechtlich auf sichere Füße zu stellen, hat man sich einen Zeitraum von drei Jahren angeguckt. Den haben wir erfolgreich durchlaufen. Es ist eine Umfrage gemacht worden. Das brauche ich als x-te Rednerin nicht zu wiederholen. Sie sehen, wir nehmen das Thema ernst.