Protocol of the Session on December 16, 2015

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie erinnern sich sicher alle - das haben Sie in der letzten Tagung beschlossen - an das Votum zu den diesjährigen Bemerkungen des Landesrechnungshofs und damit an das Ziel der Haushaltskonsolidierung; das wurde damit bekräftigt.

Zu den Haushaltsberatungen in diesem Jahr standen wir alle vor einer besonderen Herausforderung: der Bewältigung der Flüchtlingssituation, deren Dynamik bei der Aufstellung des Haushalts beziehungsweise der parlamentarischen Beratung Ende September/Anfang Oktober noch nicht abzusehen war.

Die zweite große Aufgabe sind Investitionen in die Infrastruktur des Landes. Wir haben uns mit dem ersten Infrastrukturbericht befasst und haben mehrere Sondervermögen gebildet, zuletzt das Projekt „IMPULS“.

Alle Fraktionen scheinen mit der Landesregierung einig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die mit diesen beiden Schwerpunkten zusammenhängenden Fragen enorme finanzielle Kraftanstrengungen vonseiten des Landes und der Kommunen erfordern, und haben zusätzliche Haushaltsmittel in erheblichem Umfang beantragt. So steigen die Ausgaben des Landeshaushalts nach den Fraktionsanträgen im Jahre 2016 gegenüber dem von der Landesregierung Ende August eingebrachten Haushaltsentwurf um rund 500 Millionen € und die Nettokreditaufnahme auf 272 Millionen €. Damit verringert sich der Abstand zur Obergrenze der zulässigen Kreditaufnahme, die zukünftig nach der Bundesmethode berechnet wird, auf 39 Millionen €. Gleichwohl hat der Stabilitätsrat dem Land in der letzten Woche bescheinigt, das Sanierungsverfahren 2016 erfolgreich abschließen zu können. Aber auch die Investitionsquote erhöht sich nach den Ausschussberatungen von 6 auf 7 %.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Finanzausschuss hat die Haushaltsberatungen in der bewährten Weise durchgeführt. Rechtzeitig vor den Einzelplanberatungen, die er gemeinsam mit den jeweils betroffenen Ausschüssen durchgeführt hat, lagen die Antworten der Ministerien auf die Fragen der Fraktionen vor. Im November hat die Landesregierung umfangreiche Änderungen im Wege zweier

Nachschiebelisten vorgelegt. Da ist eine Menge Papier bewegt worden.

Als Vorsitzender des Finanzausschusses möchte ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken, bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die kollegiale Zusammenarbeit, beim Finanzministerium - die Frau Ministerin ist gerade nicht hier - und der Verwaltung für die zuverlässige Zuarbeit und beim Landesrechnungshof für die konstruktiv-kritische Begleitung.

Genauso bedanke ich mich natürlich bei den Haushaltsverantwortlichen in allen Ressorts, bei der Landtagsverwaltung, ganz besonders bei unserem Ausschussgeschäftsführer Ole Schmidt, die sehr viele Inhalte und auch Papier in einem ganz besonderen Volumen zu bewegen hatten.

Der Finanzausschuss hat am letzten Donnerstag über den Haushalt, die beiden Nachschiebelisten und die Fraktionsanträge abgestimmt. Im Namen der Mehrheit des Finanzausschusses bitte ich Sie, das Haushaltsgesetz, das Haushaltsbegleitgesetz und den Plan des Landeshaushalts für das Jahr 2016 in der Fassung der Ihnen in der Drucksache 18/3597 vorliegenden Beschlussempfehlung anzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht.

Ich erinnere Sie an die im Ältestenrat vereinbarte und vorhin vorgetragene Vereinbarung hinsichtlich der Reihenfolge der Wortmeldungen und daran, dass wir erst dann in die Mittagspause eintreten werden, wenn alle Fraktionen das Wort ergriffen haben.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion der CDU, der Herr Oppositionsführer Daniel Günther. - Pardon! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tobias Koch. Das ist geändert worden.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! „Flüchtlinge“ ist das Wort des Jahres 2015, und auch der Landeshaushalt steht ganz im Zeichen der Mehrausgaben zur Bewältigung der Flüchtlingssituation in unserem Land. Gegenüber dem Jahr 2014 - das ist gerade mal ein

(Thomas Rother)

Jahr her - werden sich die Ausgaben für Flüchtlinge im kommenden Jahr mit über 800 Millionen € mehr als verzehnfachen. In einer Haushaltsposition zusammengefasst wäre dies der größte Einzeltitel des Landeshaushalts. Die bisherigen Spitzenreiter Zinsausgaben und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung bleiben dahinter deutlich zurück.

Ich will deshalb durchaus konstatieren, dass keine Landesregierung - egal welcher Couleur - in der Lage gewesen wäre, in der Kürze der Zeit einen derart drastischen Anstieg von unabwendbaren Ausgaben zu bewältigen, ohne dabei von geplanten Haushaltsansätzen, von Eckwerten der Finanzplanung oder von Vorgaben des Ausführungsgesetzes zur Schuldenbremse abzuweichen. Als CDU-Fraktion tragen wir alle diese Ausgaben zur Bewältigung der Flüchtlingssituation uneingeschränkt mit. An keiner Stelle nehmen wir daran Abstriche vor.

(Beifall Daniel Günther [CDU])

Neben den über 800 Millionen € für Unterbringung, Betreuung und Integration der Flüchtlinge sieht unser Antrag allerdings auch 1,5 Millionen € für die Wiederinbetriebnahme der Abschiebehafteinrichtung in Rendsburg vor. Wenn abgelehnte Asylbewerber konsequent abgeschoben werden sollen, wie es auch die SPD-Parteispitze fordert, dann braucht es auch solche Instrumente. Es ist unehrlich und verlogen, die Einrichtungen im eigenen Land zu schließen und dann Abschiebehaft in anderen Bundesländern durchzuführen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die hohen Ausgaben für Flüchtlinge im Landeshaushalt anschauen, dann dürfen wir nicht vergessen, dass zur Wahrheit aber auch dazugehört, dass SchleswigHolstein auf diese Situation denkbar schlecht vorbereitet war. Schon im Jahr 2006 hatte uns der inzwischen verstorbene Professor Seitz ins Stammbuch geschrieben, dass der Landeshaushalt keine Risikoabsorptionsfähigkeit besitze, also nicht in der Lage wäre, eine Krise zu bewältigen. In seiner Handlungsempfehlung hieß es damals wörtlich ich darf zitieren -: Aufgrund der gravierenden finanzpolitischen Problemlage wäre deshalb ein moderater Konsolidierungskurs nicht hilfreich. Erforderlich seien vielmehr massive Konsolidierungsschritte.

In den vergangenen Jahren hat die Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW jedoch das genaue Gegenteil getan. Sie haben offen und unverblümt die Parole ausgegeben, nicht mehr zu tun als unbedingt

notwendig. Was für eine falsche Weichenstellung haben Sie damit bloß vorgenommen!

(Beifall CDU)

Sie haben sich auf den Einsparungen der Vorgängerregierung ausgeruht, haben von fallenden Zinsausgaben und steigenden Steuereinnahmen profitiert. Ausgabekürzungen waren und sind für diese Landesregierung dagegen ein Fremdwort.

In nur vier Jahren steigern Sie die Ausgaben um fast 20 %. Berücksichtigt man zusätzlich noch den geringeren Zinsaufwand, so haben SPD, Grüne und SSW im Jahr 2016 rund 2 Milliarden € mehr Ausgabespielraum zur Verfügung als CDU und FDP im Jahr 2012. Schon an dieser Größenordnung wird deutlich, dass die Entwicklung nicht allein mit den Flüchtlingen zu begründen ist. Die Flüchtlingsausgaben treffen zudem alle Bundesländer gleichermaßen. Trotzdem steigen die Ausgaben in SchleswigHolstein stärker als im bundesweiten Vergleich.

Deshalb bewahrheitet sich jetzt die Prognose von Professor Seitz. Der Landeshaushalt ist nicht in der Lage, diese Krise zu bewältigen, und wird tief in die roten Zahlen zurückgeworfen. Am Ende der Regierungszeit von CDU und FDP lag das strukturelle Haushaltsdefizit bei 630 Millionen €. Nach vier Jahren rot-grün-blauer Landesregierung sind wir nicht einen Schritt weitergekommen. Das Defizit wird im kommenden Jahr nicht etwa niedriger sein, wie es eigentlich sein sollte, sondern es wird nach Berechnungen des Landesrechnungshofs auf 680 Millionen € ansteigen, wenn man weiterhin die Landesmethode zugrunde legen würde. Der Haushalt wäre damit verfassungswidrig, Frau Heinold.

(Zuruf Volker Dornquast [CDU]: Ver- schwendungssucht!)

Nur durch die Umstellung auf die Bundesmethode zur Berechnung des Konjunkturfaktors gelingt es der Landesregierung, diese negative Entwicklung vordergründig zu kaschieren. Aber selbst nach der Bundesmethode beträgt der Abstand zur Defizitobergrenze gerade noch 39 Millionen €, und das bei einem Haushaltsvolumen von über 11 Milliarden €.

(Zuruf CDU: Unglaublich!)

Angesichts dieser Entwicklung ist es vollkommen verfehlt, die letzte Stellungnahme des Stabilitätsrats als überschwängliches Lob zu interpretieren, wie es die Finanzministerin und die Koalitionsabgeordneten getan haben. Es lohnt genauer hinzuschauen. Dort kann man nämlich Folgendes nachlesen - ich zitiere wiederum -:

(Tobias Koch)

„Schleswig-Holstein verfolgt … mit dem vorgelegten Sanierungsbericht einen … weniger ambitionierten Konsolidierungskurs als bisher geplant.“

Weiter heißt es:

„Zur Einhaltung der Schuldenbremse … ist … eine Rückkehr zu einem strikten Konsolidierungskurs unerlässlich.“

So weit die Aussage des Stabilitätsrats!

(Beifall CDU und FDP)

Davon ist bei dieser Koalition aber nicht das Geringste zu sehen und auch in Zukunft nicht zu erwarten. Stattdessen stellen Sie immer mehr ungedeckte Schecks für die Jahre nach 2017 aus. Sie spielen damit auf Zeit in der Hoffnung, das Sanierungsverfahren mit dem Stabilitätsrat im Jahr 2016 abschließen zu können und dann nicht mehr der Kontrolle des Stabilitätsrats zu unterliegen, wenn die Schecks ab 2017 zur Einlösung anstehen. Meine Damen und Herren, das ist ein reines Vabanquespiel, das die Landesregierung hier betreibt. Das Herumdoktern am Trendsteuerpfad in den letzten Jahren hat offenbar noch nicht ausgereicht. Deswegen wird jetzt mit dem Wechsel auf die Bundesmethode das Blatt endgültig ausgereizt.

Der einzige Schritt, der danach noch übrig bleibt, ist die Bankrotterklärung, nämlich das Eingeständnis, dass das Einhalten der Schuldenbremse mit dieser Landesregierung nicht möglich ist. Dazu wird es womöglich im nächsten Jahr kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU und Dr. Heiner Garg [FDP])

So wie die Landesregierung agiert, kann man in der Tat den Eindruck gewinnen, dass die Flüchtlinge nur als Vorwand und Alibi für alles und jedes herhalten müssen:

(Beifall CDU und PIRATEN)

für die Forderung nach Steuererhöhungen, als Begründung für den Ausgabeanstieg, für den Verzicht auf Ausgabekürzungen, für das Nichteinhalten der Schuldenbremse und auch für das Abweichen vom Stellenabbaupfad. Ja, ich sage für die CDU-Fraktion ganz klar und deutlich: Wir brauchen für die zu uns kommenden Flüchtlinge neue Stellen für Lehrer, für Polizisten, im Landesamt für Ausländerangelegenheiten und auch in der Justiz. Nach Auffassung der CDU-Fraktion sind dafür sogar noch deutlich mehr Lehrer und Polizisten erforderlich als von der Landesregierung vorgesehen. Denn die eigentli

chen Herausforderungen bei der Integration kommen in diesen Bereichen ja erst noch auf uns zu.

(Zuruf SPD: Wie bezahlen Sie die?)

Aus diesem Grund beantragen wir über die Planung der Landesregierung hinaus zusätzliche 480 Lehrerstellen und 100 Anwärterstellen für die Polizei. Wir zeigen mit unserem Haushaltsantrag auch auf, wie die dadurch verursachten Mehrkosten durch Kürzungen und Einsparungen zu finanzieren sind.

(Beifall CDU - Beate Raudies [SPD]: Mit globalen Minderausgaben!)

Wenn die Regierungsfraktionen jetzt endlich von ihren Kürzungsplänen bei der Polizei abrücken, ist das zu begrüßen.

(Beifall Martin Habersaat [SPD])

- Herr Kollege Habersaat, Sie haben heute Nachmittag bei dem Haushaltsantrag für das Jahr 2016 und spätestens bei der Meldung an den Stabilitätsrat die Gelegenheit, diesen Ankündigungen Taten folgen zu lassen.

(Beifall CDU und FDP - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das einmal erklären?)