Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollege! Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum Antrag der FDP zur Erarbeitung eines industriepolitischen Konzepts hat deutlich gemacht, dass Schleswig-Holstein nicht gerade den Ruf eines großen Industriestandorts hat. Vielmehr wird das Bild von Schleswig-Holstein außerhalb des Landes von Landwirtschaft und Tourismus geprägt - was an sich gar nicht schlecht ist, aber das darf natürlich nicht alles sein.
Der Standort Schleswig-Holstein muss für die Industrie attraktiver werden. Das ist aber leichter gesagt, als getan. Die industrieferne wirtschaftliche Entwicklung des Landes reicht Jahrzehnte zurück. Am 23. Oktober diesen Jahres wurde ein Buch über den früheren SSW-Politiker Berthold Bahnsen veröffentlicht. Es ist sehr interessant, wenn man dieses Buch liest, was Berthold Bahnsen gerade in den 60er-Jahren, Ende der 60er-Jahre, zum Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein gesagt hat. Damals lagen wir im bundesdeutschen Ranking beim Thema Wirtschaft auf dem allerletzten Platz. Berthold Bahnsen hat immer darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, industriewirtschaftlich hier ein anderes Standbein zu finden. Damals hat man immer wieder nur auf Bundeswehrliegenschaften für die Schaffung von Arbeitsplätzen gesetzt. Er hat aber schon damals gesagt: Irgendwann werden wir hier wieder abrüsten, und dann ist es wichtig, dass man vorgesorgt hat und dass wir gute industrielle Arbeitsplätze haben. - Bloß wollte damals keiner auf ihn hören.
Das zeigt also, dass es auch früheren Landesregierungen nicht gelungen ist, den Standort SchleswigHolstein als Industriestandort zu etablieren und voranzubringen. Damit stehen wir heute vor den Versäumnissen von früher und befinden uns in einem Aufholprozess, den wir in Gang gesetzt haben.
Das Ergebnis der Anhörung ist gerade vonseiten der wirtschaftsnahen Verbände davon geprägt, dass im Bereich der Industrieansiedlung oder der Standortbedingungen in Schleswig-Holstein mehr gemacht werden muss. Der Fokus auf die Industrie müsse verstärkt werden. Zudem fehle es an einem industriepolitischen Konzept für das Land. Die Erwartungen und Forderungen an die Politik sind sehr groß. Viele der in der Anhörung vorgebrachten Forderungen und Anregungen können wir als SSW durchaus unterstützen.
Nun wollen wir uns aber auch nicht kleiner reden als wir sind. Wir haben durchaus Erfolge in Schleswig-Holstein zu verzeichnen. Allen voran können wir feststellen, dass sich die Windenergiebranche in Schleswig-Holstein etabliert und zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat. Aber auch in anderen Bereichen ist es Unternehmen gelungen, eine gute Positionierung zu erreichen. Zu nennen ist hier der Bereich des Spezialmaschinenbaus, der sich auch global etabliert hat, oder der Bereich spezieller Werkzeugmaschinen. Ebenso ist es etlichen Unternehmen im Land gelungen, im Bereich der Medizintechnik innovative Entwicklungen hervorzubringen, die sich durchaus im globalen Wettbewerb behaupten können.
Die Wirtschaftsstruktur bei uns im Land fußt auf kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dies gilt auch für die eben genannten Bereiche. Dort müssen wir ansetzen, wenn wir über Industriepolitik in Schleswig-Holstein reden, denn wir haben erfolgreiche Industriebereiche im Land. Ein großer Teil ihres Erfolges liegt in der Innovationskraft dieser Unternehmen und in dem Mut zur Internationalisierung.
Der noch in diesem Monat stattfindende industriepolitische Kongress, zu dem die Landesregierung alle in Schleswig-Holstein beteiligten Verbände und Organisationen eingeladen hat, ist ein Startschuss, um gemeinsam zu einer modernen industriepolitischen Strategie für das Land zu gelangen.
Welche Art von Industriepolitik passt zu uns, zu unserer Struktur? Was sind die Märkte der Zukunft? Und wie können wir daran teilhaben? Wie
sieht eine zukunftsorientierte und innovative Industrie für Schleswig-Holstein aus? Was kann Politik tun, um die Ansiedlung und Entwicklung von Industrieunternehmen zu fördern? - Das sind die Fragen, auf die wir Antworten brauchen. Der Kongress kann diese Antworten geben. Daher sollten wir das Ergebnis dieses Kongresses abwarten und dem Ergebnis nicht vorgreifen. Aus diesem Grund plädiere auch ich dafür, dass wir den Antrag an den Ausschuss überweisen und von dort aus weiterarbeiten. - Jo Tak.
Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor, dann hat jetzt für die Landesregierung der echte Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer, das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Landrat Sager, wir können vielleicht einmal eine Woche tauschen, anschließend weiß dann wieder jeder im Land, wer was macht. Da bin ich mir ganz sicher.
Meine Damen und Herren, über Industriepolitik reden viele. Das gilt für den DGB, das gilt für die Einzelgewerkschaften, das gilt für die Hans-Böckler-Stiftung, die vieles untersucht hat, das gilt für die Industrie- und Handelskammern und für den Leitantrag des letzten SPD-Landesparteitags im März diesen Jahres, und das gilt auch für die FDP. Das ist auch gut so.
Wir haben in der Landesregierung bereits Eckpunkte für eine industriepolitische Strategie verabschiedet, nämlich vor zwei Monaten, am 22. September 2015, im Kabinett zur Vorbereitung des industriepolitischen Kongresses, den wir am 25. November 2015 gemeinsam erleben werden. Wir wollen gemeinsam mit Unternehmen, mit Kammern, mit Verbänden, mit Gewerkschaften diskutieren. Sie sehen, die entscheidenden Weichen dafür, das Thema Industriepolitik strategisch für SchleswigHolstein zu diskutieren, sind bereits gestellt. Ich freue mich natürlich, dass die FDP-Fraktion dabei ist. - Herzlich willkommen!
Wir haben bereits heute über 250 Anmeldungen zu diesem Kongress. Wir wollen fünf Kernfragen einer industriepolitischen Strategie für Schleswig-Holstein diskutieren:
Erstens geht es um das Thema Marketing und Akzeptanz. Es geht um die bessere Wahrnehmung Schleswig-Holsteins als leistungsfähiger und innovativer Industriestandort. Es geht um die Frage der Akzeptanz von Industriebetrieben in Politik und Gesellschaft und darum, wie das gefördert werden kann. Dazu passt die neue Standortkampagne für den echten Norden, die wir Anfang letzter Woche vorgestellt haben.
Zweitens beschäftigen wir uns natürlich mit dem Thema Fachkräftesicherung für unsere Industrie. Das heißt, vor allen Dingen werden wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir dauerhaft in SchleswigHolstein die Fachkräfte bekommen können, die wir in der Industrie brauchen. Dazu ist die Fachkräfteinitiative ein gutes Instrument.
Meine Damen und Herren, das dritte Thema ist die Energiewende und natürlich die Frage, wie wir als Land der erneuerbaren Energien dafür mehr Wertschöpfung im Land Schleswig-Holstein halten können. Ich hatte schon an anderer Stelle auf das gemeinsame Projekt mit Hamburg hingewiesen, „Norddeutsche Energiewende 4.0“, bei der das zum zentralen Zukunftsthema - auch technologisch - gemacht worden ist und wo wir noch einiges erleben werden.
Darüber hinaus werden wir uns viertens mit dem Top-Thema Digitalisierung Industrie 4.0 beschäftigen und natürlich mit der für Schleswig-Holstein traditionell sehr wichtigen maritimen Industrie als fünften Punkt.
Insgesamt geht es darum, dass wir Impulse von den Teilnehmern bekommen wollen. Wir wollen nicht über die Industrie diskutieren, sondern wir wollen mit der Industrie und ihren Gewerkschaften gemeinsam darüber reden, wie wir mehr Industriepolitik für Schleswig-Holstein wagen können.
Dazu werden wir symbolisch ein Bündnis für Industrie in Schleswig-Holstein ins Leben rufen. Gemeinsam mit dem Unternehmerverband Nord und dem DGB Nord werden wir das in der nächsten Woche unterzeichnen.
Meine Damen und Herren, dann kommt es darauf an, dass wir all das, was wir diskutieren, in konkrete Handlungsansätze umsetzen. Wir betrachten Industriepolitik in Schleswig-Holstein als Langzeitaufgabe. Das neu gegründete Referat Industriepolitik bei mir im Haus wird diesen Prozess begleiten.
Apropos, Herr Callsen, das hätten vier meiner Vorgänger in den Vorgängerlandesregierungen, die das CDU-Parteibuch hatten, alles schon längst machen können.
Herr Callsen, insofern zeigt mir Ihre Rede wieder, dass Sie den Zenit überschritten haben und nicht andere, von denen hier die Rede war.
Ich will auch noch einmal etwas zu Brunsbüttel sagen, weil Sie das kritisiert haben. Wer redet über die Multi-Purpose-Pier? - Wir, die Landesregierung. Wer redet darüber, dass wir den dreistreifigen Ausbau der B 5 durch einen Planfeststellungsbeschluss bis Wilster West untermauert haben? - Wir, diese Landesregierung. Wer redet über LNG? Diese Landesregierung.
Und wer redet gemeinsam mit dem Hafen Brunsbüttel über die Kooperationen der Häfen in der Elberegion? - Wir, diese Landesregierung.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Jens-Christian Magnussen [CDU]: Wer hat die Kooperationsvereinba- rung unterzeichnet?)
Meine Damen und Herren, das gilt auch für die industriepolitische Kooperation besonders mit Hamburg. Wir reden gemeinsam mit Hamburg. Da ist in der letzten Zeit viel passiert, nämlich über ein gemeinsames Gewerbegebiet zwischen der Gemeinde Stapelfeld in Stormarn und HamburgWandsbek. Wir treten auch gemeinsam mit Hamburg auf. Im letzten Jahr war ich mit dem Kollegen Horch in der Türkei, und aktuell letzte Woche war ich mit dem Ersten Bürgermeister in Shanghai. Da ging es um das Thema Industrie 4.0 und das, was schleswig-holsteinische Unternehmen in der Welt leisten können, um hier am Standort SchleswigHolstein eine schlagkräftige Industrie zu haben.
Meine Damen und Herren, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir sind das auch bei dem Thema Zusammenarbeit mit den Hochschulen. Wir arbeiten an der Infrastruktur, insbesondere an dem, was beim Thema Industrie 4.0 wichtig ist, dem Ausbau
Mein Fazit lautet daher: Die Erarbeitung eines industriepolitischen Konzepts für Schleswig-Holstein läuft bereits auf Hochtouren. Die Landesregierung hat das Thema frühzeitig erkannt und gehandelt. Lassen Sie uns gemeinsam so weitermachen. - Danke.
Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 1 Minute überzogen. Die hätten Sie jetzt noch. Aber weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.
Für die Drucksache 18/3532 ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuss beantragt worden. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist sie einstimmig in den Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/3529
Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich erteile für die Landesregierung der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung, Kristin Alheit, das Wort.