Mit einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten handelt die Bundesregierung gegen die Mehrheit der Bevölkerung, um E.ON, Vattenfall, RWE und EnBW glücklich zu machen. Denn damit würden insbesondere die alten und abgeschriebenen Atomkraftwerke weitere Milliarden in die Kasse der Energieriesen spülen.
Im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung fordert Herr Söder eine finanzielle Beteiligung der Energieversorgungsunternehmen an der Sanierung der Asse II. Nach bisherigen Schätzungen belaufen sich die Sanierungskosten auf vier bis fünf Milliarden €, und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Denn wenn man den Giftmüll aus der Asse II im Schacht Conrad untergebracht hat, ist das Problem ja noch nicht gelöst. Dann kommen die Probleme noch mal auf uns zu. Zurzeit sieht es so aus, dass die Steuerzahler allein für die Sanierung aufkommen müssen. Hier sage ich ganz deutlich: Auch ohne Laufzeitverlängerung müssen die Energiekonzerne an den Sanierungskosten beteiligt werden.
Letztlich wird aber deutlich, dass das Problem des verstrahlten Atommülls nicht gelöst ist und dass wir den Atomausstieg schnell brauchen. Wir haben in der letzten Zeit sehr oft gehört, dass wir - wenn wir über Schulden reden - kommende Generationen nicht belasten können. Das haben wir gerade heute Morgen wieder gehört. Hier muss man sich wirklich die Frage der Moral stellen. Wie ist das, wenn wir immer dann darüber reden, dass wir kommen
den Generationen nichts hinterlassen können, aber dann, wenn es um hochgiftigen radioaktiven Atommüll geht, diese Frage plötzlich unterordnen?
Was ich von so einer Moral halte, das möchte ich in diesem Hohen Haus lieber nicht ausdrücken. Das kann sich jeder selbst ausdenken. Ich halte daran fest: Im Jahr 2020 muss das letzte Atomkraftwerk vom Netz gegangen sein.
Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski von der Fraktion DIE LINKE das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Diskussion, die wir hier führen ist keine Diskussion zwischen Rechts und Links oder zwischen Schwarz, Grün, Gelb, Blau. Es ist vielmehr eine Diskussion zwischen dumm und klug. Ich glaube, dass es auf beiden Seiten Kluge gibt. Ich erinnere mich an viele Veranstaltungen im Bundestagswahlkampf. Ich habe die Sprüche der Kandidatinnen und Kandidaten von CDU und FDP noch im Ohr. Ich habe noch im Ohr, was sie zur Atomkraft sagten. Wie gesagt, das war im Wahlkampf. Wir haben heute Morgen festgestellt, dass das irgendwie eine andere Zeit ist. Ich muss noch ergründen, wie das zusammenhängt.
Fest steht: Wenn die Betreiber des Atomkraftwerkes Krümmel eine Imbissbude in Kiel betrieben hätten, dann wären die Hygienepolizei oder das Gewerbeaufsichtsamt gekommen. Man hätte den Laden dichtgemacht, und die Konzession wäre entzogen worden. Atomkraftwerke zu betreiben, ist nicht das Problem. Das Problem wird sein, dass ein Unfall Radioaktivität austreten lässt. Diese Radioaktivität wird keinen Unterschied zwischen CDU-Mitgliedern oder Mitgliedern der LINKEN machen. Sie wird auch keinen Unterschied zwischen den Wählern verschiedener Parteien machen. Diese Radioaktivität tötet alle Menschen in Schleswig-Holstein.
Ich will ein Wort zu meinem Verhältnis zu den Grünen sagen. Das ist schon immer eine große Liebe gewesen, weil es eine unerfüllte Liebe war. Ich war einmal kurz davor, die Grünen zu wählen.
Dann kam von euch die Ankündigung, die Forderung nach einem Preis von 5 DM für den Liter Sprit zurückzunehmen. Daraufhin habe ich gesagt: Dann eben nicht. Jetzt denke ich ähnlich. Wofür habe ich mir in Brokdorf und in Gorleben aufs Maul hauen lassen? - Dafür, dass ihr heute sagt, wir wollen einen Kompromiss machen? Wenn der nicht durch kommt, dann fordert ihr vielleicht noch zwei Meter mehr Beton außen um die Meiler herum? - Das ist für mich wirklich enttäuschend. Es ist einzusehen, ihr habt einen Kompromiss gemacht. Ich glaube sogar, dass diese Bundestagsfraktion den Kompromiss mit gutem Willen gemacht. Dass er das Papier nicht wert ist, auf dem es steht, das merkt man doch jetzt. Die gehen dort hin, und die Merkel wird das eiskalt abservieren. Die verlängern die Laufzeiten, das ist gar keine Frage. Ihr bleibt immer noch dabei, dass ihr Kompromisse machen müsst, dass ihr sehen müsst, dass das funktioniert? - Wenn uns das Ding um die Ohren fliegt, dann werdet ihr in die Pflicht genommen werden. Das weiß ich.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken ich bleibe einmal bei diesem Begriff - wird aktuell mit zunehmder Intensität geführt. Einzelne Interessenvertreter drängen auf schnelle Entscheidungen. Diesen Eilbedarf sehe ich nicht.
Die Stromversorgung ist gesichert, auch wenn Kernkraftwerke wie Krümmel, Brunsbüttel oder Biblis über Jahre aufgrund von technsichen Pannen nicht in Betrieb sind.
- Warten Sie erst einmal ab, was noch kommt. - Ich begrüße allerdings, dass auch wir uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag mit der Problematik dieser Verlängerung auseinandersetzen und dass ich die Gelegenheit habe, die Position der Landesregierung in diesem Haus deutlich zu machen.
Für die Landesregierung stehen der Ausbau und die Nutzung eneuerbarer Energien im Zentrum der künftigen Energiepolitik.
Kohle und Kernenergie wollen wir nur für eine Übergangszeit nutzen. Dies haben CDU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir haben auch ausdrücklich vereinbart, dass wir auf die Übertragung von Reststrommengen von älteren auf jüngere Kernkraftwerke hinwirken wollen.
In seiner Regierungserklärung hat Herr Ministerpräsident Carstensen am 18. November 2010 dies noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Zuvor hatte schon Herr Minister Dr. von Boetticher für die Landesregierung gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode dem Vattenfall-Konzern nahegelegt, die Möglichkeit einer Strommengenübertragung auf das Kernkraftwerk Brokdorf in Betracht zu ziehen.
Ich habe vor wenigen Tagen mit dem Vorstandschef von Vattenfall, Hatakka, ein weiteres Gespräch geführt, ihm unsere Position erneut unmissverständlich klargemacht und ihn zu entsprechenden Schritten aufgefordert.
Ich will aber auch ganz klar sagen, dass die Landesregierung dies nicht erzwingen kann, denn die Möglichkeit der Strommengenübertragung von älteren auf neuere Kernkraftwerke ist nach dem Atomgesetz ein den Betreibern eingeräumtes Gestaltungsrecht. Eine zwangsweise Anordnung durch das Land ist demgegenüber auf der Basis des geltenden Rechts nicht möglich.
Was jedoch die grundsätzliche Frage einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken angeht, so hat Schleswig-Holstein - dies ist heute schon mehrfach gesagt worden - bekanntlich keine Regelungskompetenz. Solche Fragen müssen auf der Bundesebene, vom Bundesgesetzgeber im Atomgesetz, geregelt werden. Wir halten es allerdings für wichtig, dass bei den dort geführten Diskussionen dem Gesichtspunkt Rechnung getragen wird, dass die in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Kernkraftwerke aufgrund ihres unterschiedlichen
Errichtungszeitpunkts auch ein unterschiedliches Schutzniveau haben. Ältere Anlagen haben in der Regel geringere Sicherheitsreserven als jüngere. Dies gilt in besonderer Weise hinsichtlich des Schutzes gegenüber terroristischen Bedrohungen. In älteren Anlagen ist es in der Vergangenheit auch häufiger zu meldepflichtigen Ereignissen sowie zu längeren Betriebsunterbrechungen gekommen als in neueren Anlagen. Dies zeigen die langjährigen Statistiken zum Beispiel des Bundesamtes für Strahlenschutz. Dies gilt auch und gerade für die in Schleswig-Holstein gelegenen Kernkraftwerke, wobei das Kernkraftwerk Brokdorf im langjährigen Mittel eine deutlich höhere Verfügbarkeit aufweist als die vom Vattenfall-Konzern betriebenen Reaktoren in Brunsbüttel oder Krümmel. Generelle pauschale Laufzeitverlängerungen für alle Kernkraftwerke befürworte ich deshalb nicht.
Nach den in Schleswig-Holstein gemachten Erfahrungen mit älteren Anlagen wäre der Bundesgesetzgeber gut beraten, wenn er sich in der Frage der Verlängerung der Laufzeiten einzelner Anlagen auch mit der Frage auseinandersetzte, ob im Gegenzug nicht einige ältere Anlagen vorzeitig vom Netz genommen werden sollten.
Herr Minister, ist es der Landesregierung bekannt, dass die jüngeren Anlagen, auf die jetzt die Restlaufzeiten übertragen werden sollten, im Laufe der Jahre ihrer Restlaufzeiten älter werden? Glaubt die Regierung, dass diese jüngeren Anlagen dann von den Störungen der jetzt älteren Anlagen befreit sind?
Der zweite Teil meiner Frage war mir eigentlich wichtiger. Glaubt die Landesregierung, dass die jüngeren Anlagen die Fehler, Macken und Störungen der jetzt älteren Anlagen nicht haben werden?
Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Minister, das hörte sich ganz anders an als das, was wir von dem Minister der Vorgängerregierung, Herrn Austermann, hier vernommen hatten. Der hielt die älteren Atomkraftwerke für sicherer, weil dort öfter und größere Horden an Technikern durchgegangen sind, um es zu überholen. Er sagte, so ein Atomkraftwerk sei besonders sicher. Insofern gilt das, was ich vorhin gesagt habe, für Atomkraftwerke.