Protocol of the Session on January 27, 2010

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe immer noch die Debatte zur Aktuellen Stunde im Ohr. Alles muss auf den Prüfstand, es darf keine Tabus geben, haben uns die Koalitionsfraktionen erzählt, und wir fragen uns und werden auch hellhörig, wie auch die Schulen, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler, wie denn die Prüfstände für den Einzelplan 07 für Ihren Haushalt, Herr Dr. Klug, aussehen. Wo sind dort die Tabus, die man brechen kann? Ihr Haushalt ist der größte Haushalt des Landes Schleswig-Holstein im Ausgabenvolumen. Ich kann nur sagen: Bleiben Sie stark! Ich habe neuneinhalb Jahre mit Ihnen vor Ort, auf Podiumsdiskussionen diskutiert. Sie haben immer konsequent die Auffassung vertreten, dass an der Bildung nicht gespart werden darf, dass wir in der Bildung eigentlich zu wenig Geld ausgeben. Ich wäre dankbar, wenn Sie diese Haltung beibehielten. Wir würden Sie als Oppositionsfraktion in dieser Hinsicht selbstverständlich unterstützen. Bleiben Sie stark!

(Heike Franzen)

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es scheint allerdings kein Tabubruch zu sein, in Schleswig-Holstein eine weitere Schulart als zusätzliches Angebot einzurichten.

Meine Damen und Herren, es gehört zu den bleibenden Verdiensten der Großen Koalition, in der zwei Parteien mit sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen in der Schulpolitik zusammengearbeitet haben, dass sie die Grundlagen hierfür im Schulgesetz von 2007 geschaffen haben. Niemand kann behaupten, dieses Gesetz sei nicht sorgfältig vorbereitet, diskutiert oder vorberaten worden.

Die FDP hat sich in diesem Reformprozess als letzte Gralshüterin der überkommenen Schularten präsentiert und sich den Erhalt der Realschule als Regelschule auf die Fahnen geschrieben und versucht nun, für diese Schulart zumindest als sogenannte Angebotsschule das zu retten, was zu retten ist. Dazu hat der Koalitionsvertrag in dem mühsam angelaufenen Volksbegehren, das der Verband der Realschullehrer initiiert hat, auch eine Krücke gefunden. Der Bildungsminister hat in der 4. Sitzung des Bildungsausschusses deutlich gemacht, dass die Koalitionspartner die Option auf die Errichtung von Realschulen als Angebotsschulen von dem Quorum des Volksbegehrens abhängig machen und hiermit lediglich eine Fristverlängerung zur gesetzlichen Umwandlung von Realschulen zu Regionalschulen um ein Jahr gegeben ist.

Hierin liegt aber eine nicht zu unterschätzende Problematik im Zusammenhang mit dem bislang gelaufenen Strukturprozess. Die bisher genehmigten 92 Gemeinschaftsschulen sowie die 55 genehmigten Regionalschulen sind von dieser Option nicht betroffen; sie sind Schulen im Sinne der schulgesetzlich definierten Schularten unseres Landes. Dieses trifft auch für die 22 Integrierten Gesamtschulen zu, die kraft Gesetzes zum kommenden Schuljahr zu Gemeinschaftsschulen werden. Demnach bleiben - so die vorliegende Schuldatenbank noch 37 Realschulen übrig, deren Schulträger diese Option theoretisch wahrnehmen können, wobei sich diese Zahl nach unserem Kenntnisstand noch weiter reduziert.

So gibt es in den vier kreisfreien Städten noch sechs Realschulen, die formell noch nicht in Regionaloder Gemeinschaftsschulen umgewandelt worden sind. Es gibt aber dort beschlossene Schulentwicklungspläne, in denen die Schulstruktur für die Zukunft festgelegt wurde. Bleiben nur noch 31 Schulen übrig. Für sechs weitere gibt es bereits

Schulträgerbeschlüsse für die Errichtung einer Regionalschule oder einer Gemeinschaftsschule. Macht 25. Acht weitere Schulen sind Realschulen mit Hauptschulteil oder Realschulen mit Grundund Hauptschulteil, also eigentlich schon Regionalschulen, und sie arbeiten schon längst in der Art und Weise, wie das die Regionalschulen heute tun. Macht noch 17. Einige werden nicht Realschule bleiben können wie etwa die Realschule des Schulverbandes Sylt. Hier müsste dann nämlich auch eine Hauptschule eingerichtet werden. Das geht nach dem Schulgesetz nicht. Das hat uns auch der Minister bestätigt.

Was macht es denn für einen Sinn, wenn wir in Uetersen, Quickborn, Elmshorn oder Norderstedt noch Realschulen haben, also in einem räumlich sehr engen Bereich mit örtlichen Besonderheiten? Wir wollen doch, dass die Schulstruktur in SchleswigHolstein an jeder Stelle des Landes auf der gesamten Fläche dasselbe Angebot liefert.

Die Eintragungsfrist für dieses Volksbegehren ist zum Ende des Jahres 2009 ausgelaufen. Uns liegen bisher keinerlei Daten darüber vor, ob sich tatsächlich mehr als 5 % der wahlberechtigten SchleswigHolsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in die Listen eingetragen haben. Gerade in den größeren Städten nimmt die Überprüfung solcher Unterschriften natürlich einige Zeit in Anspruch.

Die Option auf die Erhaltung der Realschule als Angebotsschule macht die Koalition aber abhängig vom erfolgreichen Quorum des Volksbegehrens. Was mache ich jetzt eigentlich als betroffener Schulträger

(Zuruf der Abgeordneten Heike Franzen [CDU])

dieser doch sehr geringen Anzahl von Realschulen, die diese Möglichkeiten haben? Ich warte, bis das Ergebnis des Quorums vorliegt und bis die Landesregierung eine Schulgesetzänderung durchgezogen hat, die die Realschule im Schulgesetz wieder definiert.

Von daher mache ich als Schulträger bislang am besten gar nichts, weil meine Beschlüsse bei Nichterreichung des Quorums obsolet wären. Damit ist klar, das Anmeldeverfahren für die weiterführenden Schulen zum Schuljahr 2010/11 ist dann schon längst abgeschlossen. Die Eltern der heutigen Drittklässler werden erst für das Schuljahr 2011/12 Sicherheit haben können. Das Manöver, das sie jetzt gestartet haben, bewirkt nur eines: nämlich Unruhe in den Schulen, Unruhe unter den Eltern und unter den kommunalen Schulträgern.

(Dr. Henning Höppner)

(Beifall bei SPD und SSW)

Die Verabschiedung des Schulgesetzes liegt nunmehr drei Jahre zurück. Alle Schulträger hatten Zeit, sich sorgfältig zu überlegen, in welche Schulart sie ihre bisherigen Haupt- und Realschulen überführen wollen. Daran hat sich auch durch die Kommunalwahlen von 2008 nichts geändert, obwohl es an manchen Orten neue kommunale Mehrheiten gegeben hat. Für die große Mehrheit der Schulträger war also die Umsetzung des Schulgesetzes überhaupt kein Problem.

Sie wollen die Umwandlungsfrist um ein weiteres Jahr verlängern und bei dieser Gelegenheit auch gleich die wenigen kooperativen Gesamtschulen einbeziehen. Wir müssen bedenken, die kooperative Gesamtschule ist keine Schulart, die besonders stark vertreten ist im Land Schleswig-Holstein; es sind insgesamt vier. An dreien gibt es bereits Schulträgerentscheidungen, was aus der kooperativen Gesamtschule werden soll, nämlich Gemeinschaftsschulen: in Tornesch, in Reinfeld und in Elmshorn. Die einzige Schule, die bisher noch keine Entscheidung getroffen hat, ist die kooperative Gesamtschule in Flensburg-Adelby. Es geht also nur um diese eine einzige Schule, wenn wir dieses Schulgesetz für dieses Verfahren ändern wollen.

Meine Damen und Herren, Sie haben das Verfahren der Anhörung auch noch ein wenig weiter kompliziert und Änderungen so spät vorgelegt, sodass die Anzuhörenden sich gar nicht mehr mit diesen Fragen auseinandersetzen konnten. Für die Anzuhörenden war überhaupt nicht transparent, dass Sie auch die Umwandlung der kooperativen Gesamtschulen um ein Jahr verschieben wollen. Ich darf nur daran erinnern, dass die Arbeitsgemeinschaft der Gesamtschulleiter ausdrücklich begrüßt hat, dass der § 147 des Schulgesetzes nicht angetastet werden soll, der nämlich den Übergang der Gesamtschulen zu Gemeinschaftsschulen betrifft.

Und so ist am Ende das Ergebnis der Anhörung ganz eindeutig: Sie haben an Ihrer Seite den VDR, den Verband Deutscher Realschullehrer, sonst keinen - welch ein Wunder! Und das ist es dann auch schon. Alle übrigen Institutionen und Verbände haben sich, soweit sie eine Stellungnahme abgegeben haben, negativ geäußert. Die kommunalen Landesverbände, die eigentlich betroffene Schulträger sind, zumindest der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag oder der Städtebund, haben sich leider nicht dazu geäußert.

Sie haben es im Bildungsausschuss trotz dieses eindeutigen Votums der Angehörten, nämlich des ein

deutig negativen Votums, für richtig gehalten, diesen Entwurf einfach durchzustimmen. Sie haben ich erinnere es noch einmal - das Verfahren von dem Quorum abhängig gemacht, ob dieses erfolgreich war oder nicht, Sie wissen aber heute, wenn wir dieses Gesetz verabschieden, überhaupt nicht, wie das Quorum aussieht. Also wäre alles das, was heute beschlossen wird, vielleicht in einigen Wochen nach Auszählung des Quorums obsolet.

Die Bedingungen, die für die Gesetzesänderung gegeben sind, die Sie sich selbst gegeben haben, sind also heute nicht erfüllt. Warum sollten wir eigentlich heute darüber abstimmen? Wir hätten die Zeit ganz gut gebrauchen können.

Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen wird die SPD auch die Gesetzesänderung ablehnen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Cornelia Conrad das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gute Gründe für die Änderung dieses Gesetzes wurden zu verschiedenen Zeitpunkten genannt. Da Sie die offensichtlich noch nicht verstanden haben, möchte ich sie gerne noch einmal wiederholen. Das mache ich auch deshalb schon sehr gern, weil ich es als Lehrerin aus beruflichen Gründen gewohnt bin, Dinge zu wiederholen, bis sie wirklich jeder verstanden hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zum Inhalt des Gesetzes. Meine Damen und Herren, für mich ist es selbstverständlich, dass der Ausgang eines Volksbegehrens hier in diesem Haus beachtet wird. Wenn die Initiative zum Erhalt der bestehenden Realschulen tatsächlich die Unterstützung von mehr als 110.000 Menschen hier im Lande erfährt, ist es unverschämt, uns Klientelpolitik vorzuwerfen. Wir achten die Meinung der Bürger und das demokratische Element - und das sollten auch Sie tun. Darüber hinaus stehen wir zu dem, was wir vor der Wahl gesagt haben.

Damit das Volksbegehren überhaupt einen Sinn ergeben kann, ist eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes notwendig. Wir schaffen den noch bestehenden Realschulen - die übrigens für ihren Erhalt aktiv kämpfen und nicht, wie behauptet wird,

(Dr. Henning Höppner)

ihre Situation lediglich aussitzen - die Möglichkeit, als Angebotsschule weiter zu bestehen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Habersaat zu?

Nein, im Moment nicht.

(Zurufe der Abgeordneten Martin Habersaat [SPD] und Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

- Wir haben nachher noch genug Zeit.

(Unruhe)

Das Wort hat die Abgeordnete.

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Insofern ist auch ein gewisser zeitlicher Druck vorhanden, denn für Schule, Eltern und Lehrer muss Planungssicherheit geschaffen werden. Die Anmeldephasen stehen vor der Tür, und um ein positives Volksbegehren entsprechend umsetzen zu können, ist eine entsprechende Änderung des Gesetzes notwendig.

(Beifall der Abgeordneten Katharina Loedige [FDP])

Darum sollte das Gesetz auch noch heute verabschiedet werden.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Wir wollen den Schulen und den Schulträgern - wie vor der Wahl und auch im Koalitionsvertrag angekündigt - Wahlfreiheit ermöglichen. Sie haben recht: Die Schulen befinden sich weiterhin im Prozess des Umbruchs. Dieser wird von uns aktiv begleitet, und wir geben den Schulen auch die nötige Zeit, diesen Prozess zu Ende zu führen.

(Detlef Buder [SPD]: Und das ist so plötzlich gekommen?)

Das unterscheidet uns auch deutlich von unseren Vorgängern im Bildungsministerium, die die Schulreform gegen den Widerstand der Schulen und unter massivem zeitlichen Druck durchgeführt haben.

(Detlef Buder [SPD]: Das stimmt doch über- haupt nicht!)

Aber gerade die Schulen, über die wir hier sprechen, sind noch gar nicht im Umbruchprozess. Daher kann dieser auch nicht - wie Sie, verehrte Frau Erdmann, im Bildungsausschuss behauptet haben gestört werden. Frau Erdmann, es wurde mehrfach gesagt, aber ich wiederhole es auch für Sie gerne noch einmal: