Protocol of the Session on April 26, 2012

Deshalb müssen wir darüber hinaus die Flexibilisierung der Arbeitsmarktinstrumente und die Passgenauigkeit der Angebote weiter vorantreiben. Deshalb unterstützt die Koalition auch ausdrücklich den Antrag von Christopher Vogt und Werner Kalinka, die soziale Ausrichtung der Arbeitsmarktförderung zu sichern.

Es darf keine Restriktionen bei den Fördervoraussetzungen für Existenzgründungen geben. Hierzu gehören auch die Finanzierung des dritten Ausbil

(Präsident Torsten Geerdts)

dungsjahres in der Altenpflege zur Bekämpfung des massiven Fachkräftemangels, die Berufseinstiegsbegleitung besonders von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie schwerbehinderter junger Menschen. Zusätzliche Möglichkeiten für niedrigschwellige Maßnahmen für Jugendliche bilden dabei bewährte Instrumente wie Lernwerkstätten, Werkstattschulen oder Produktionsschulen.

Das Ziel der CDU ist es nach wie vor, möglichst allen Menschen im Land ein auskömmliches Einkommen zu ermöglichen und ihnen eine berufliche Perspektive zu geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass über zwei Drittel der im UV-Nord organisierten Unternehmen in Schleswig-Holstein die Arbeit der Landesregierung positiv bewerten.

(Beifall bei der CDU)

Das ist die Bewertung des Mittelstands. Diese Koalition steht für eine mittelstandsfreundliche Politik. Eine mittelstandsfreundliche Politik bedeutet, dass wir ein Klima schaffen, in dem Unternehmer sagen: Ja, es lohnt sich, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen und in diese zu investieren. Wer aber wie Sie mit neuen Restriktionen droht und ständig die Tarifautonomie untergräbt, der verhindert mittelfristig die Schaffung neuer gut bezahlter Jobs in diesem Land.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU stärkt den Mittelstand und schafft damit Arbeitsplätze.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Wolfgang Baasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Bekenntnis zu Wert und Würde der Arbeit ist für uns in der SPD der Antrieb, uns für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 € einzusetzen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Mindestens 8,50 € bedeuten, dass 5 Millionen Menschen in diesem Land mehr Geld verdienen. Die Sozialkassen werden um Milliardenbeträge entlastet. Warum ist dies notwendig? - Es ist notwendig,

weil es in unserem Land immer noch Armutslöhne gibt. Knapp 8 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Das entspricht ungefähr einem Viertel aller arbeitenden Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Im Durchschnitt verdienen diese Menschen weniger als 7,00 € pro Stunde. Das ist empörend. Es ist entwürdigend, dass Arbeitnehmer, die den ganzen Tag arbeiten, von ihrer Arbeit nicht leben können.

(Beifall bei der SPD)

Dabei geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf, denn die niedrigen Löhne so vieler Menschen in unserem Land sind umso schwerer zu ertragen, als gleichzeitig die Einkommen und Vermögen einer kleinen Gruppe von Menschen in unserem Land rasant ansteigen. Wie lässt es sich guten Gewissens vermitteln, dass die einen 40 Stunden in der Woche hart arbeiten und zum Teil in Arbeitsverhältnissen stehen, die ihre Gesundheit ruinieren, und sich trotzdem fragen müssen, wie sie das Geld für die Klassenfahrt ihrer Kinder aufbringen sollen? - Wie lässt es sich vermitteln, dass diese Menschen ihr Einkommen mit staatlichen Mitteln aufstocken müssen, weil es nicht zum Leben reicht, während andere gleichzeitig ihre Einkommen und Vermögen in unvorstellbare Höhen hinaufschrauben? - Es kann doch nicht gut sein, dass der Vorstand eines Großkonzerns inzwischen das 350-fache und mehr des Einkommens eines Arbeiters in seinem Betrieb verdient.

(Zuruf von der SPD: Bekommt!)

Das bedeutet, dass Verhältnismäßigkeit und Gerechtigkeit aus dem Ruder laufen. Dabei ist Gerechtigkeit der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält.

(Beifall bei der SPD)

Das begreifen die schwarz-gelben Regierungen einfach nicht. Sie bevorteilen die Hoteliers und die Pharmakonzerne. Sie entlasten die Erben, Sie halten Ihre schützende Hand über die Steuerhinterzieher in der Schweiz, und auf der anderen Seite nehmen Sie Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld und die Arbeitsförderung weg.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Pfui!)

Um es noch zu toppen: Aktuell wollen Sie diese Menschen und ihre Kinder auch noch vom Betreuungsgeld fernhalten. Das ist eine skandalöse Politik.

(Johannes Callsen)

(Christopher Vogt [FDP]: Wir wollen kein Betreuungsgeld!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Sie sperren sich gegen Mindestlöhne und gleiches Geld für gleiche Arbeit. Typisch für diese Geisteshaltung der schwarz-gelben Bundesregierung ist auch, wie Sie mit den über 10.000 Beschäftigten von Schlecker umgehen. Sie waren jederzeit bereit, den Banken zu helfen. Den Frauen von Schlecker halfen Sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Dabei ist entlarvend, was Bundeswirtschaftsminister Rösler von sich gibt.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Er sagte tatsächlich:

„Jetzt gilt es für die Beschäftigten, mehr als 10.000 vornehmlich Frauen, einzelne Mütter und ältere Frauen, schnellstmöglich eine Anschlussverwendung selber zu finden.“

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, Bundesminister Rösler hat tatsächlich „Anschlussverwendung“ gesagt. Man fragt sich: Spricht dieser Mann von Menschen wie von ausrangierten Maschinen?

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Mit solchen Äußerungen untergräbt man den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Das werden wir Sozialdemokraten, aber ich denke, auch die gesamte Gesellschaft, nie hinnehmen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers haben sicherlich eine offene und große Empörung unter den Sozialpolitikern der Union ausgelöst. Nicht anders würde ich die noch schnell vor den Landtagswahlen in unserem Bundesland und in Nordrhein-Westfalen gefundene Einigung auf ein Mindestlohnmodell der Union verstehen. Allerdings bleibt zu dem

vorgestellten Mindestlohnmodell der Union festzuhalten: Ein Mindestlohn ohne einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn ist kein Mindestlohn. Das ist eher eine Fata Morgana, denn man kann damit auch jederzeit Armuts- und Dumpinglöhne zu Tariflöhnen erklären. Herr de Jager, Sie stellen sich jetzt hier hin und machen mit dieser Mogelpackung Wahlkampf, weil Sie gemerkt haben, dass auch Sie nicht darum herumkommen, endlich Mindestlöhne einzuführen.

Das wird aber so nicht funktionieren. Die Menschen erwarten eine klare Aussage dahin gehend, welche Linie auf keinen Fall unterschritten werden darf. Für uns sind dies 8,50 €. Herr Kollege Callsen, warum hat es in dieser Frage nicht zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD und Grünen gereicht? - Lesen hätte geholfen. Der Antrag ist nicht gleichlautend mit dem Antrag aus Bremen. Dort hatte die Fraktion der Grünen etwas verändert. Dementsprechend haben wir gesagt, dass wir uns nach der Wahl darauf einigen müssen. Das werden wir auch tun.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, geben Sie sich einen Ruck! Es gilt, das Wort „Mindestlohn“ nicht nur zu schreiben, sondern Mindestlohn auch in den Inhalt zu packen. Das wäre mutig und die richtige Antwort auf den eigenen Koalitionspartner hier und im Bund.

Abschließend will ich Sie auffordern, unserem jetzt gemeinsamen Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen, denn gerade die Schlecker-Pleite hat mit dem Schicksal von über 10.000 Frauen deutlich gemacht: Wir brauchen funktionierende öffentlich geförderte Beschäftigung, damit wir Menschen, die unverschuldet in Arbeitslosigkeit geraten, möglichst rasch wieder eine sozialversicherungspflichtige und tariflich entlohnte Arbeit anbieten können.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn wieder ein bisschen Ruhe im Plenarsaal ist, rufe ich den nächsten Redner auf. - Für die FDPFraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Christopher Vogt das Wort.

(Wolfgang Baasch)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sehen es derzeit wieder: Eine gute wirtschaftliche Entwicklung hilft den Arbeitnehmern, bringt sie in sozialversicherungspflichtige Jobs und lässt auch die Reallöhne wieder steigen - anders als im Antrag der Opposition behauptet. Die Situation auf unserem Arbeitsmarkt ist so gut wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr. Es gibt in Deutschland so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie nie zuvor. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf einem sehr niedrigen Niveau. Es gibt derzeit rund 1 Million offene Stellen auf unserem Arbeitsmarkt. Davon profitieren zunehmend auch auf dem Arbeitsmarkt eher benachteiligte Gruppen. Sie profitieren noch zu wenig, aber immerhin schon deutlich spürbar.

Meine Damen und Herren, die positive Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist nicht vom Himmel gefallen, Sie hat sehr viel mit der vor einigen Jahren geschaffenen Flexibilität in diesem Bereich zu tun. Das sollten wir uns bei diesen Debatten immer wieder in Erinnerung rufen. Meine Fraktion befürwortet sinnvolle Maßnahmen, die für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Missbrauch muss bekämpft werden. Das hohe Maß an Flexibilität, das für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik von großer Bedeutung ist, muss jedoch erhalten bleiben. Das scheint uns in diesem Haus zumindest teilweise weiterhin zu trennen.

Im Rahmen der letzten arbeitsmarktpolitischen Debatte an dieser Stelle hatte ich es bereits gesagt: Der Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen zum Mindestlohn enthält einige sehr interessante Punkte, über die wir gern ausführlicher beraten hätten. Das war aufgrund der knappen Zeit bis zur Landtagswahl nicht möglich. Das wussten die Antragsteller allerdings vorher. Insofern ist dies an dieser Stelle wenig tragisch. Für uns ist weiterhin klar: Wir wollen für einen fairen Wettbewerb sorgen, Lohndumping verhindern und die Lohnfindung bei den Tarifpartnern belassen. Wir wollen keine staatliche Subventionierung von Lohndumping. Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung durch Ausbeutung von Arbeitnehmern, aber wir wollen auch keine unnötige Gefährdung von Arbeitsplätzen, Herr Dr. Stegner. Unsere Haltung ist bekannt und wird heute auch Beschlusslage des Landtags. Wir wollen die Einführung verbindlicher Lohnuntergrenzen unterstützen, die sich an marktwirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren. Wir wollen Lohnuntergrenzen, die nach Branchen und Regionen differenziert sein können. Alles andere halten wir für wenig sinnvoll. Die unterschiedliche Produktivität in den