Protocol of the Session on April 25, 2012

m) Friesischunterricht an den Schulen ausweiten

Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 17/2258

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 17/2468

Ich erteile zunächst zu den Tagesordnungspunkten 5, 54 und 55 der Berichterstatterin des Bildungsausschusses, der Frau Abgeordneten Susanne Herold, das Wort.

Herr Präsident, ich verweise auf die Vorlage.

Ich danke für den Bericht. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Mit dem Tagesordnungspunkt 28 - Zukunft der Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein - wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Dann erteile ich für die Landesregierung dem Minister für Bildung und Kultur, Herrn Dr. Ekkhard Klug, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gute Schule fängt bei der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer an. Mit dem Kabinettsbeschluss zur Lehrerausbildung an der Universität Flensburg haben wir im März eine entscheidende Weiche für die Reform der ersten Phase, also des Studiums, gestellt. Damit wird künftig gewährleistet, dass erstens die Lehrerbildung an den neuen Schularten ausgerichtet ist, zweitens, dass die Lehrerbildung an der Universität Flensburg den KMK-Vorgaben entspricht und drittens, dass sie inhaltlich an die veränderten Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer angepasst wird. Nach dem neuen Konzept werden die Studiengänge an der Universität Flensburg ab dem Wintersemester 2013/2014 auf das Lehramt Grundschule und das Lehramt Regionalund Gemeinschaftsschule für die Sekundarstufe I bis zum mittleren Bildungsabschluss - vorbereiten. Mit der Einführung eines eigenständigen Lehramts für die Grundschulen trägt Schleswig-Holstein den hohen und stets wachsenden pädagogischen Anforderungen in der Primarstufe Rechnung und folgt gleichzeitig einem bundesweiten Trend. Der neue Bachelorstudiengang Bildungswissenschaften ist von vornherein auf den Lehrerberuf ausgerichtet. Ab dem sechsten Semester werden schulartspezifische Module angeboten. Diese stärkere Ausrichtung auf dem Lehrerberuf schon im Bachelorstudium stellt für uns eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem Status quo dar.

In der Masterphase setzt sich die im Bachelor eingeleitete Differenzierung zwischen dem Lehramt an Grundschulen und den Lehramt an Regional- und Gemeinschaftsschulen bis zum mittleren Bildungsabschluss in zwei gesonderten Studiengängen fort. In Flensburg werden künftig Lehrer ausgebildet, die

(Präsident Torsten Geerdts)

nicht nur durch die fachliche Ausrichtung des Studiums, sondern auch durch einen hohen Praxisanteil auf den anspruchsvollen und zukunftsweisenden Beruf des Lehrers gut vorbereitet sein werden. In der Masterphase soll es ein 14-wöchiges - also dreieinhalb Monate dauerndes - Praktikum geben. Dafür - das sage ich als Bildungsminister - war für mich ein ganz wesentlicher Punkt, dass die Schulen für die Lehrerinnen und Lehrer dort für den Aufwand, der mit der Betreuung der Studierenden verbunden sein wird, einen angemessenen Ausgleich erhalten. Es sollen zwei Ausgleichsstunden sein, die für die Betreuung eines im Langzeitpraktikum in der Masterphase an die Schule gehenden Studenten eingeplant sind. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass dieses künftig sehr lange Praktikum während des Masterstudiums auch mit einer guten Anleitung und Betreuung verbunden sein wird, sodass es seinen Zweck optimal erfüllen kann.

Es wird in Schleswig-Holstein keine Stufenlehrerausbildungen geben, so wie sie andere in diesem Hause in ihren Programmen vorgesehen haben. Die Einführung einer Stufenlehrerausbildung würde nichts anderes bedeuten, als die mittelfristige Erosion des Gymnasiums. Das Gymnasium ist als Schulart existenziell darauf angewiesen, dass dort Lehrkräfte vom fünften Schuljahr bis zum Abitur das gymnasiale Niveau unterrichten. Deshalb brauchen wir eine eigenständige Gymnasiallehrerausbildung – so wie bisher an der Universität Kiel.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich sehe in den Plänen zur Einführung von Stufenlehrerausbildungen nichts anderes als eine SalamiTaktik, mit der man das Gymnasium auf mittlere Sicht obsolet machen will und ihm die Grundlagen entziehen will. Das ist letzten Endes eine klare Ansage einer bildungspolitischen Strukturveränderung, die auf die Abschaffung des Gymnasiums zielt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Was die zweite Phase der Lehrerausbildung betrifft, das Referendariat, so haben wir hier bereits Änderungen vorgenommen. Sie gehen einher mit einer Neuausrichtung des IQSH, des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein. Es konzentriert sich zunehmend auf den Kernbereich, also die Organisation und Durchführung des Vorbereitungsdienstes. Wir wollen die Unterrichtsqualität durch eine schulartbezogene Aus-, Fortund Weiterbildung steigern. Analog zu der Ent

wicklung der Studiengänge in der ersten Phase soll - so unsere Planungen und Überlegungen für die weitere Entwicklung des IQSH - dort eine Gliederung nach den entsprechenden Schularten in Landesseminaren eingerichtet werden spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die neuen Studiengänge etabliert sind.

(Beifall der Abgeordneten Heike Franzen [CDU])

Meine Damen und Herren, bereits zum 1. August 2011 ist die neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung Lehrkräfte II in Kraft getreten, also die Regelung, die das Referendariat strukturiert. Kernpunkte sind die Einrichtung von laufbahnbezogenen Ausbildungsgruppen für jedes Fach, für jede Fachrichtung und für den Bereich Pädagogik sowie eine flexible Regionalisierung der Ausbildungsveranstaltungen. Zudem erhalten die Referendare wesentlich mehr Beratungsbesuche durch Studienleiterinnen und Studienleiter, auch in dem Fachgebiet Pädagogik - aus unserer Sicht eine wesentliche Verbesserung in der Qualität der Ausbildung der Referendare.

Die Neufassung zielt insgesamt darauf ab, die angehenden jungen Lehrkräfte intensiver auszubilden und besser zu betreuen. Zu den Neuerungen gehört auch die Einführung eines Pflichtmoduls Deutsch als Zweitsprache für Referendare und Lehramtsanwärter aller Laufbahngruppen und aller Unterrichtsfächer. Das ist eine inhaltliche Verbesserung, die darauf zielt, den jungen Lehrern bessere Voraussetzungen für einen Unterricht in Klassen zu geben, in denen der Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund aufgrund der demographischen Entwicklung bereits deutlich gestiegen ist und auch in Zukunft weiter steigen wird.

Mit dieser Veränderung der Inhalte, also mit der Einführung des Pflichtmoduls Deutsch als Zweitsprache, haben wir in Schleswig-Holstein eine Entwicklung vollzogen, mit der wir für andere Bundesländer vorbildlich sind. Kein anderes Bundesland bereitet die jungen Lehrkräfte so konsequent auf die dargestellte Thematik vor, wie wir das tun.

Mit den Änderungen in der Lehrerbildung ziehen wir die Konsequenzen aus den Bildungsreformen der vergangenen Jahre. Auf dieser Basis wird eine verlässliche Schulentwicklung für die kommenden Jahre möglich. Das Wort Schulfrieden ist in diesen Zeiten in aller Munde. Mein Eindruck ist, dass manche, die es als politische Waffe gegen diese Landesregierung gebrauchen, selber recht eigenartige Friedensfürsten sind, denn sie wollen erst einmal

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

die Friedensbedingungen, die sie für ideal halten, diktieren, bevor der Friede eintreten darf.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Die Abschaffung bestehender Schularten wie der Regionalschule gehört zum Repertoire genauso wie das Infragestellen von G 9 am Gymnasium, das wir ermöglicht haben.

Herr Albig räumt in dem Interview mit der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ vom 14. April 2012 ganz offen ein, dass die SPD als Fernziel die eine Schule für alle ansteuert. Das ist schwarz auf weiß nachzulesen. Eine Schule für alle, das ist Einheitsschule. Das ist das, was - lesen Sie heute „sh:z“ - 69 % der Bürger Schleswig-Holsteins nicht wollen. Sie wollen ein differenziertes, mehrgliedriges Schulsystem.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das ist genau das, was die Schulpolitik von Sozialdemokraten und Grünen - von LINKEN reden wir jetzt gar nicht; da ist das eh klar - nicht will und mit ihren einzelnen Plänen - siehe Stufenlehrer - nicht ermöglicht.

Schon 2007 gab es den Versuch, unsere Schullandschaft mit der Strukturreform der damaligen Großen Koalition auf eine neue Grundlage zu stellen. Rückblickend wissen wir, dass das nicht in jeder Hinsicht gelungen ist. Insbesondere gab es Kritik an der Umsetzung von G 8 an den Gymnasien. Auch das Nebeneinander von Regionalschule und Gemeinschaftsschule, also die Ablösung eines alten dreigliedrigen Schulsystems durch ein neues dreigliedriges allgemeinbildendes Schulsystem hat nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung einige Probleme herbeigeführt. Dies war die Ausgangslage für die jetzige Landesregierung.

Auf diese Ausgangslage aufbauend mussten wir unsere Schulpolitik gestalten. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die Strukturen nicht neu anzufassen. Stattdessen haben wir Änderungen vorgenommen, die auf die wichtigsten Kritikpunkte eingehen. Die Gymnasien erhielten die Möglichkeit, G 9 wieder anzubieten. Wie wir heute sehen, wird dieses Angebot von Eltern und Schülerinnen und Schülern sehr dankbar angenommen. Die G-9-Bildungsgänge an Gymnasien zum nächsten Schuljahr verzeichnen prozentual einen Zulauf mit einem Zuwachs von 1,4 %, während an den Schulen, die ein G-8-Bildungsangebot an Gymnasien haben, die Anmeldezahlen um 9 % gegenüber dem Vorjahr abgesunken sind bei einem insgesamt um etwas mehr als 6 %

kleineren Jahrgang, der von den Grundschulen in die weiterführenden Schulen wechselt. Zugleich haben wir Entlastungen und zusätzliche Unterstützungen auch für die G-8-Bildungsgänge eingeführt, sodass dort die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit verbessert werden konnten.

Ich stehe für Wahlfreiheit am Gymnasium zwischen G 8 und G 9, und ich setze auf die Entwicklung in unserem Bundesland, in dem sich unsere Entscheidung als richtig erweist. Nicht zuletzt setze ich auch auf andere Bundesländer. Ich nenne Bayern. Ich nenne Baden-Württemberg. Ich nenne den Spitzenkandidaten der SPD in Bayern, Herrn Ude, der just die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 am Gymnasium als das richtige Ziel bezeichnet.

(Beifall bei der FDP)

Schleswig-Holstein macht damit Schule. Wir sind das Vorbild für andere Länder. Das ist bemerkenswert.

Das schwierige Nebeneinander von Gemeinschafts- und Regionalschule haben wir dadurch deutlich entschärft, dass wir die Strukturvorgaben für beide Schularten einander angeglichen haben. Wir haben den Schulen dabei Entscheidungsfreiheit und Spielräume gegeben, selbst über die Schulgestaltung zu befinden, anstatt alles zentral von einem Ministerium vorzugeben. Diese Entwicklung hin zu einer eigenverantwortlich gestalteten Schule ist der richtige Weg. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Schulgesetznovelle von 2011 ist darauf angelegt, Gegensätze zu entschärfen und Gestaltungsfreiheit zuzulassen. Das öffnet den Weg zu einem zweigliedrigen Schulsystem. Dafür werden auf einen starren Rahmen und Zwangsumwandlungen verzichtet. Gesetzt wird auf die Verantwortungsbereitschaft und den Gestaltungswillen vor Ort. Wer dies unter dem Deckmantel eines wie auch immer gearteten Schulfriedens wieder einschränken will, wird unweigerlich neuen Unmut bei den Eltern, bei den Bürgern in unserem Land hervorrufen.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Was die kleinen Schulstandorte betrifft, so warne ich davor, die bisherigen Vorgaben zu verändern. Seit Jahren stellen sich die Schulträger auf die Mindestgrößen ein, die 2007 von der Großen Koalition eingeführt wurden. Die Schulaufsicht steuert diesen Prozess nicht vom grünen Tisch aus, sondern im Dialog mit den Betroffenen. Anpassungen werden erst dann vorgenommen, wenn sich der Schüler

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

rückgang unterhalb der Mindestgröße verstetigt. An diesem Verfahren nachträglich etwas zu ändern, würde alle Menschen vor den Kopf stoßen, die sehr engagiert an Lösungen arbeiten, wie das Schulangebot vor Ort auch bei sinkenden Schülerzahlen organisiert werden kann. Auch dies also wäre prädestiniert für einen neuen Schulunfrieden in SchleswigHolstein, wenn man von der bewährten Praxis der letzten Jahre abginge und neue Konditionen durch Festlegung neuer Mindestgrößen schaffte.

Meine Damen und Herren, aus Zeitgründen kann ich das Thema Analphabetismus hier nur ganz kurz streifen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Schleswig-Holstein seit Jahren Maßnahmen im Bereich der Alphabetisierung fördert. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist unser Angebot weit überdurchschnittlich. Pro 100.000 Einwohner bieten wir 11,6 Kurse, der Bundesdurchschnitt liegt bei 4,2 Kursen. Ein flächendeckender freier Zugang für jeden ist gewährleistet. Von den Volkshochschulen, die diese Alphabetisierungsmaßnahmen durchführen, wissen wir, dass noch kein Interessent für einen solchen Alphabetisierungskurs abgewiesen worden ist.

Abschließend: Diese Landesregierung steht für bessere Bildungsqualität, für mehr Eigenverantwortung und für eine breite Teilhabe an Bildung. Zwei aktuelle Maßnahmen verdeutlichen diesen Kurs beispielhaft. Wir verdoppeln den Vertretungsfonds zur Bekämpfung von Unterrichtsausfall, und wir bauen die Schulsozialarbeit mit Landesmitteln weiter erheblich aus. 1,7 Millionen € stehen in diesem Jahr aus Landesmitteln zur Verfügung. Vom kommenden Jahr an sollen es zusätzlich noch einmal weitere 3 Millionen € obendrauf sein. Das ist eine ansehnliche Summe und eine beachtliche Entscheidung, die dazu beitragen wird, den Schulen eine unterstützende Infrastruktur zu geben, die die Arbeit auch im Unterricht wesentlich erleichtern wird.

Mit solchen konkreten Maßnahmen erreichen wir mehr als mit den alten ideologischen Schulstrukturdebatten. Deshalb ist es richtig, sinnvoll und notwendig, dass wir den eingeschlagenen Weg auch in den kommenden Jahren fortsetzen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 6 Minuten überschritten. Diese Zeit dürfte auch von allen anderen Fraktionen zusätzlich genutzt werden, das muss aber nicht geschehen.

Bevor wir in die Debatte einsteigen, möchte ich weitere Gäste auf der Zuschauertribüne begrüßen. Das sind ebenfalls Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte vom Regionalen Berufsbildungszentrum der Eckener-Schule in Flensburg sowie Schülerinnen und Schüler von der Emil-PossehlSchule in Lübeck. - Seien Sie uns ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall)

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Björn Thoroe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tausende von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern aus ganz Schleswig-Holstein werden morgen hier vor dem Landeshaus stehen. Sie haben zum landesweiten Bildungsstreik aufgerufen. Sie wollen ihren Unmut über die Situation an den Schulen und Universitäten gegenüber der Politik zum Ausdruck bringen, denn mit ihrer chaotischen Bildungspolitik haben CDU und FDP der schlechten Bildungspolitik der vorherigen Großen Koalition noch eine weitere Spitze aufgesetzt. DIE LINKE stellt sich an die Seite dieser Schülerinnen, Schüler und Studierenden. Denn sie haben recht, sie benennen die offenen bildungspolitischen Baugruben, die CDU, SPD, FDP und Grüne in den letzten Jahrzehnten aufgerissen haben.