Protocol of the Session on March 21, 2012

Meine Damen und Herren, wir erleben hier Scheindebatten, zum Beispiel auch zum Ausführungsgesetz nach Artikel 53 LVerf.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir sollen das jetzt beschließen, wo wir doch alle wissen, dass das in weniger als zwei Monaten Geschichte ist oder spätestens nach der Sommerpause einkassiert wird.

Ich finde auch den Antrag von CDU und FDP ganz amüsant, Ihre Scheinmehrheit, die sie noch haben, durch ihren Jammerantrag zu den Haushaltseckwerten der Landesregierung als Basis für den kommenden Landeshaushalt über den 6. Mai hinaus retten zu wollen. Das ist doch schon beinahe Torschlusspanik. Sie wissen ganz genau, dass das Papier, auf dem dieser Beschluss irgendwann gedruckt wird, das Geld nicht wert ist. Denn er wird einfach in der Kieler Förde versenkt werden. Sie wissen, dass Sie nach dem 6. Mai gar nichts mehr zu sagen haben werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber Sie?)

Meine Damen und Herren, Finanzminister Asmussen schrieb 1985 in seinen Finanzplan für 1985 bis 1989 - ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Die Konsolidierungmaßnahmen der letzten Jahre haben bei Bund, Ländern und Gemeinden deutliche Erfolge gebracht … Trotz abnehmender Defizite muss die Finanzpolitik weiterhin an einem maßvollen Konsolidierungskurs festhalten.“

Unser ehemaliger Finanzminister Möller, der gerade 70 geworden ist, hat mit dem Finanzplan 2001 bis 2005 erstmals einen Plan entwickelt, die Neuverschuldung bis zum Jahr 2008 auf null zu senken. Jetzt sind Sie gemeinsam mit der Schuldenbremse am Werk.

Wenn ich mir die Ergebnisse von Asmussen und Möller anschaue, muss mir und vor allem den Menschen im Land angst und bange werden. Ihre gemeinsame Finanzpolitik ist gescheitert. Die sogenannten Konsolidierungsbemühungen haben zu einem ungehemmten Schuldenaufbau geführt, und zwar auch gegen die jeweiligen Bestimmungen in der Landessatzung beziehungsweise Landesverfassung. So weit zu den Ausführungen von Wolfgang Kubicki zur Einhaltung der Landesverfassung!

Linke Finanzpolitik folgt dagegen dem Ziel, die politischen Aufgaben im Land zu bestimmen und daraus Finanzpläne und Haushaltsaufstellungen abzuleiten. Das ist kein Wünsch-dir-was-Programm,

das ist die ernsthafte Auseinandersetzung mit den Entwicklungsmöglichkeiten und Entwicklungserfordernissen des Landes.

Immer mehr Menschen hängen von einem funktionierenden Sozialstaat, von funktionierenden Staatsfinanzen ab, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die Transferempfänger und Unternehmen, die darauf angewiesen sind, dass die öffentlichen Investitionen laufen und bezahlt werden. Der Staat ist der größte Konsument, Arbeitgeber, Investor und Kreditnehmer in Deutschland und spielt so auch für die Wirtschaft eine zentrale Rolle.

Mit Ihrer Politik des Zusammenstreichens der Ausgaben nehmen Sie dem Land die Luft, die es zum Atmen braucht. Sie produzieren eine Abwärtsspirale. Die zunehmende Verschuldung unseres Landes erklärt sich nämlich nicht durch eine „charakterlose Schuldenmacherei“, Herr Finanzminister, die Verschuldung erklärt sich aus einer verfehlten Umverteilungspolitik von unten nach oben.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Wenn diese nicht verändert wird, wenn diese nicht umgekehrt wird, ist es absolut sinnfrei, an Entschuldung zu glauben. Weniger Schulden heißt auch immer weniger Vermögen an anderer Stelle. Wenn Sie hier die 2 Billionen € Verschuldung in Deutschland bemühen, ist das nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite der Medaille stehen 10 Billionen € Vermögen der oberen 10 % der Bevölkerung. Da brauchen wir Mut, da müssen wir ran. Sonst werden weder Deutschland, weder Schleswig-Holstein, noch die Kommunen in SchleswigHolstein entschuldet werden können.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Völlig absurd ist es, wenn sich die Landesregierung hinstellt und sagt, sie brächte die Finanzen in Ordnung. Es war dieses Landesparlament, das vor fast genau drei Jahren, am 25. März 2009, 1,5 Milliarden € in die HSH Nordbank gepustet und dazu noch die Garantie von 5 Milliarden € gegeben hat. Die letzten beiden Landesregierungen sind für den größten Schuldenaufwuchs verantwortlich, den das Land je gesehen hat. Herr Minister Wiegard, deshalb drücken Sie sich davor, die Neubewertung der HSH Nordbank in Ihre Schuldenstatistik aufzunehmen.

Ich möchte jetzt nicht mit CDU und FDP über das Ausführungsgesetz streiten, sondern noch ein paar Worte an SPD, Grüne und SSW richten, denn wir

(Ulrich Schippels)

werden ja nach dem 6. Mai über ein neues Ausführungsgesetz debattieren. Das brauchen wir aber gar nicht, denn die Vorgaben des Stabilitätsrats sind mehr als genug. Hier zeigt sich auch die Unsinnigkeit der Schuldenbremse in der Landesverfassung.

Lieber Herr Kubicki, als es darum ging, die Schuldenbremse einzuführen, haben Sie hier gestanden und das damit verteidigt, wir hätten durch die Einführung der Schuldenbremse auf Landesebene bessere Argumente in Karlsruhe. Das war doch wirklich Pustekuchen, das war keine Argumentation für eine eigene Schuldenbremse in der Landesverfassung. Das weiß übrigens jeder Jurist nach dem ersten Staatsexamen beziehungsweise jeder Politikwissenschaftler nach dem ersten Semester. Das war doch wirklich ein Schuss in den Ofen. Wir hätten die Schuldenbremse im Land überhaupt nicht gebraucht, weil wir uns logischerweise an die Bedingungen, die der Stabilitätsrat vorgibt, halten müssen.

Wenn Sie dennoch ein Ausführungsgesetz machen wollen, sollten Sie drei Punkte berücksichtigen, die in Ihrem Entwurf nicht drinstehen. Erstens. Was passiert mit der Schuldenbremse, wenn es ein unvorhergesehenes Finanzereignis im Landeshaushalt gibt?

Zweitens. Gauben Sie wirklich, die Vorgaben für die Schuldenbremse einhalten zu können, wenn es zu einer Entwicklung in Deutschland kommt, bei der vergleichbare Referenzländer ins Straucheln geraten?

Drittens. Meinen Sie, dass Sie die Schuldenbremse einhalten können, wenn die Bundesebene durch eine verfehlte Steuerpolitik den Ländern weitere Belastungen aufdrückt?

Diese Fragen sollten geklärt werden, bevor man für ein Ausführungsgesetz den Arm hebt.

Zum letzten Punkt: Gerade jetzt berät der Niedersächsische Landtag darüber, und die SPD nimmt sich das zu Herzen und wird der Schuldenbremse, wie sie von CDU und FDP vorgesehen ist, nicht zustimmen.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Meine Damen und Herren, unsere Schuldenbremse ist und bleibt eine solide Vermögensteuer, die das strukturelle Defizit unseres Landes auf einen Schlag beseitigen kann.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Ihre Schuldenbremse bleibt - da ist es ziemlich egal, welches der beiden Ausführungsgesetze realisiert wird - eine Entwicklungsbremse für unser Land, Ihre Schuldenbremse bleibt eine Bildungsbremse, Ihre Schuldenbremse führt ungebremst in den Abgrund.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist eine nachhaltige Finanzpolitik die Grundlage jeden politischen Handelns. Hier sind wir uns fast alle einig. Es ist richtig, die Finanzen im Blick zu haben, wenn es um politische Entscheidungen geht. Es ist aber auch wichtig, deutlich zu machen, dass auch in der jetzigen Lage durchaus politische Prioritäten gesetzt werden können. Die Finanzlage an sich ist keine Begründung für kurzfristige Streichungsorgien, welcher Art auch immer.

Vielmehr kommt es doch darauf an, die Finanzlage dauerhaft positiv zu beeinflussen und Spielräume zu nutzen, wo es denn geht. Nicht die eine oder die andere politische Entscheidung der vergangenen 20 Jahre hat dazu geführt, dass die Haushaltslage so ist, wie sie ist, sondern die eigentliche Problematik liegt tiefer. In den 60er-, 70er- und 80er-Jahren hat man scharenweise Personal eingestellt, ohne an die finanziellen Belastungen zu denken, die sich daraus ergeben. Das heißt, man hat sich kurzfristige personelle Wünsche erfüllt und Aufgaben ausgeweitet, ohne dass Rückstellungen für das Personal gebildet wurden. Man hat also keinen langfristigen Ansatz gefahren. Der Effekt ist, dass wir jetzt hohe Pensionsaufwendungen und Zinsbelastungen zu tragen haben. Wenn die Pensionsleistungen oder Zinsbelastungen nicht durch den Haushalt getragen werden müssten, hätten wir unser Ziel der Haushaltskonsolidierung schon erreicht.

Wenn wir uns also jetzt an diese Haushaltskonsolidierung machen, dann müssen wir langfristig handeln. Kurzfristiges Wegsparen von Strukturen im Bildungsbereich, im Sozialbereich oder bei der Kultur helfen uns nichts. Wir müssen die Strukturen verbessern. Wenn wir einsparen wollen, dann nicht bei der Bildung, sondern bei den Strukturen der Verwaltung. Dann müssen wir eine Aufgabenkritik durchführen, und dann müssen wir vor allem

(Ulrich Schippels)

die Verwaltungsstrukturen modernisieren. Wir haben mit der Landesverwaltung, den Kreisen, den Ämtern und den über 1.000 Kleinstgemeinden immer noch eine Verwaltungsstruktur aus Kaisers Zeiten. Das ist der erste Punkt, an dem wir ansetzen müssen, damit es auch den Kommunen in Zukunft besser gehen kann.

Der zweite Punkt ist natürlich die Einhaltung der Schuldenbremse, die die meisten unter uns bewusst aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte eingeführt haben. Die Schuldenbremse ist aber ein Instrument der Haushaltskonsolidierung und kein Selbstzweck. Wir haben mit dem Bund zur Umsetzung der Schuldenbremse einen Weg vereinbart, den die meisten einhalten wollen und den alle einhalten müssen. Es gibt also keinen Grund, diese Vereinbarung ohne Not übererfüllen zu wollen. Wenn wir von einem Ausgangswert von 1,3 Milliarden € anstatt 1,1 Milliarden € ausgehen, dann werden wir bis 2020 circa 550 Millionen € mehr ausgeben dürfen, als Schwarz-Gelb es vorschreiben will.

Wir meinen, dass dieser mit dem Bund ausgehandelte Weg ganz klar der bessere ist, weil er flexibler ist. Außerdem hindert uns dieser Weg nicht daran, auch die Einnahmesituation zu verbessern. Wir müssen das Steuerrecht vereinfachen und verbessern, und dabei muss man auch dazu kommen, dass die Einnahmegrundlagen des Landes verbessert werden. Auch das ist ein Auftrag für die zukünftige Landesregierung.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zukunft bringt viele Unsicherheiten, die sich auf den konkreten Haushaltsvollzug auswirken können: Steuerrechtsänderungen, Wohngeldsteigerungen, Kindergelderhöhungen können einen Einfluss haben. Wenn man bedenkt, dass das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ein Loch in Höhe von 70 Millionen € in die Haushaltskasse gerissen hat, dann kann man erahnen, wie unsicher die Planungsmöglichkeiten hier sind. Das Einzige, was sicher ist, ist, dass die Schuldenbremse von allen eingehalten werden muss. Das ist Verfassungsauftrag auf allen Ebenen. Deshalb brauchen wir die höchstmögliche Flexibilität in der Umsetzung der Schuldenbremse, gerade vor dem Hintergrund der Probleme, die entstehen, wenn irgendwo auf Bundesebene etwas geändert wird. Deshalb müssen wir den Korridor so weit wie möglich offenhalten. Deshalb ist das, was wir als Opposition vorgeschlagen haben, der schlauere Weg, denn er ist flexibler.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Im Rahmen dieser Flexibilität müssen dann die wichtigsten politischen Ziele umgesetzt werden. Da mag es durchaus Unterschiede geben. Für den SSW gibt es einen überragenden Schwerpunkt, und der heißt Bildung, Bildung und nochmals Bildung. Hier muss investiert werden. Bildung ist das Wirtschaftswachstum der Zukunft, und hier kann man nicht sparen. Das unterscheidet uns definitiv von der derzeitigen Regierung.

Weiter darf es nicht sein, dass Menschen in Schleswig-Holstein ungleich behandelt werden. Das gilt sowohl für den sozialen Bereich als auch für die Minderheitenpolitik.

Drittens müssen wir die Grundlagen der Wirtschaft so beeinflussen, dass Arbeitsplätze in der Fläche geschaffen werden können. Deshalb brauchen wir als Schwerpunkte die Verbesserung der Verkehrsanbindung, den Ausbau des Breitbandnetzes in der Fläche und die Stärkung des Tourismus. Wir brauchen ebenso Rahmenbedingungen wie Tariftreue und Mindestlohn, damit die Steuereinnahmen weiter steigen können. Es geht nicht nur um Ausgabenbegrenzung, es geht auch um Einnahmesteigerungen. Auch das ist politisch beeinflussbar, und es ist die Pflicht einer Landesregierung, dafür zu sorgen, dass die Einnahmen steigen. Gerade wenn die Leute vernünftig bezahlt werden, zahlen sie auch Steuern. Diese Steuern kommen dann auch dem Land Schleswig-Holstein zugute. Deshalb muss die Politik in Zukunft eine andere sein.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nur mit einer solchen nachhaltigen Finanz- und Wirtschaftspolitik hat Schleswig-Holstein Zukunftschancen - nicht mit planlosen Sparorgien auf Kosten aller. Deshalb ist unser Kurs der bessere Kurs, und für den gilt es, bis zum 6. Mai 2012 zu streiten. Wir werden das auf jeden Fall tun.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

(Lars Harms)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lars Harms, ich bin immer wieder schwer beeindruckt, wenn ich von der einen Seite der Opposition höre, es handele sich um Sparorgien, von der anderen Seite dagegen: „Sie haben gar nicht gespart; Sie haben überhaupt noch nicht gesagt, wo Sie das machen wollen.“ Das ist höchst interessant. Vielleicht einigt ihr euch in der Opposition einmal darauf, welchen Vorhalt ihr machen wollt.