Es ist nicht egal, welche Strukturen wir haben. Das wissen wir, und das wussten wir schon vorher, weil wir in diesem Land eine ganz lange Geschichte des gegliederten Schulsystems haben. Natürlich kann man der SPD sagen: Ihr habt seit 20 Jahren die Möglichkeit gehabt, etwas zu verändern. Das habe
ich der SPD auch oft genug gesagt. Ich hätte mir mehr gewünscht. Davor hatten wir aber 38 Jahre lang eine CDU-Regierung, und auch in dieser Zeit ist nichts geschehen.
Ich kann mich noch an eine bildungspolitische Diskussion in den 70er-Jahren erinnern, die unter dem Strich dazu führte, dass die Volksschule abgeschafft wurde. Stattdessen bekamen wir die Hauptschule. Alles andere blieb, wie es war. Ich bitte also darum, auf dem Teppich zu bleiben und daran zu denken, dass Strukturveränderungen notwendig sind.
Ich komme jetzt wieder zur Lehrerpersönlichkeit zurück. Das heißt also, dass wir jetzt in SchleswigHolstein endlich eine neue Lehrerbildung bekommen. Wir haben lange darauf gewartet. Diese Lehrerbildung sieht aber anscheinend vor, dass wieder bezogen auf die Schulart ausgebildet werden soll.
Wir vom SSW sagen: Wir brauchen das, was man den Stufenlehrer nennt. Das heißt, wir brauchen eine altersbezogene Ausbildung von Lehrkräften. Wenn man schulartbezogen ausbildet, dann sagt man gleichzeitig: Wir haben die Sekundarstufen II, und die Sekundarstufe I an den Gymnasien ist mehr wert als eine mögliche Sekundarstufe I an Gemeinschaftsschulen. Wir machen dann den Unterschied, den wir schon immer gemacht haben. Dieser wird jetzt wieder verfestigt. Das ist ein Beispiel dafür, dass Strukturen kontraproduktiv wirken.
Ein anderes Beispiel macht ebenfalls deutlich, wie wichtig es ist, richtige Strukturen zu entwickeln. Viele von uns nehmen an bildungspolitischen Diskussionen teil. Dabei werden wir mit dem Problem der Rückläufer von den Gymnasien konfrontiert. Das heißt, dass Kinder aufgenommen werden, dass aber dann festgestellt werden muss, dass sie das dort doch nicht packen. Diese Schüler gehen dann zurück an ihre alte Schule. Das ist mittlerweile ein großes Problem, so habe ich es gelernt. Ich habe gelernt, dass es an Gemeinschaftsschulen fast ganze Klassen gibt, die sich aus diesen Rückläufern zusammensetzen. Das kann es doch nicht sein. Die Schule, die die Kinder aufnimmt, hat auch die Verantwortung für die Kinder. Wir können doch nicht das gleiche, was wir schon einmal gemacht haben und wobei wir auch Probleme mit den Rückläufern
Ein letztes Beispiel: Der Minister erzählt gern, wie wichtig ist, dass wir jetzt die Wahlmöglichkeit zwischen G 8, G 9, G Y, Gemeinschaftsschule und Regionalschule haben. Zwischen all dem kann gewählt werden. Das ist wie in einem Supermarkt. Man kann sich für dieses oder jenes entscheiden, es gibt die freie Wahl. In Wirklichkeit führt diese freie Wahl aber dazu, dass wir nicht das erreichen, was zumindest aus unserer Sicht - Sinn und Zweck von Bildungspolitik ist. Da bin ich wieder bei der Bildungsgerechtigkeit.
Diese fällt hinten runter, wenn man sagt: Jeder kann wählen, wie er möchte. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung, und diese gesellschaftliche Verantwortung müssen wir ernst nehmen. Wir werden sie weiterhin sehr ernst nehmen.
Im Rahmen der Aktuellen Stunde werde ich jetzt noch zwei Wortbeiträge aufrufen, zunächst den Wortbeitrag der Kollegin Anke Erdmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit der Hattie-Studie anfangen. Das ist eine Meta-Studie, die versucht, den Überblick über viele verschiedene Studien zu geben. Sie haben gesagt, Herr Minister, dass es keine eindeutigen Befunde für gemeinsames Lernen gebe. Aber Sie können Ihre Politik, Herr Minister - Gymnasien, Gymnasien und Hochbegabtenförderung -, damit eben auch überhaupt nicht begründen.
Wenn Sie sagen, es gehe wirklich um den Lehrer und um die Lehrkraft, dann fragt man sich, warum die Lehrerausbildung von dieser Regierung nicht neu geordnet worden ist. Das haben Sie verstolpert.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])
Das wäre die Konsequenz aus der Hattie-Studie gewesen, auf die wir uns wahrscheinlich einigen können.
Sie haben zudem ein gutes Beispiel für das Filibustern gebracht, Herr Minister. Wer mit soviel Spaß und Freude die einzelnen Zahlen der anderen auseinandernimmt, sollte selber gucken, dass seine Punkte alle stimmen. Die Fridtjof-Nansen-Schule, die Sie erwähnt haben, ist eine Regionalschule. Diese Schule wollte immer Gemeinschaftsschule werden, konnte aber nicht, weil sie die Mindestgröße nicht erreicht hat und steht jetzt vor dem Aus. Sie haben gesagt, es sei früher eine Gemeinschaftsschule gewesen. Wer mit soviel Spaß die anderen auseinandernimmt, sollte bei sich selbst nicht so großzügig sein.
Ein letzter Punkt für mich: Sie haben gesagt, dass derjenige, der die die Mindestgrößen absenken will, sagen muss, wie man das finanzieren kann. Ich habe das vorhin schon erwähnt: Frau Conrad und Frau Franzen, wir sind uns in einem Punkt einig bei den Förderzentren. Da hören wir es auf jedem Podium, wenn wir sagen, die Förderzentrumsgröße mit 1.000 Grundschülerinnen und Grundschülern im Einzugsbereich ist zu groß. Frau Franzen hat mehrfach gesagt, es sollten 750 sein, Frau Conrad gestern auch.
Da stellt sich die Frage, ob nur wir von der Opposition uns da erklären müssen, oder ob es auch für Sie gilt. Das wäre schon eine Frage.
(Beifall der Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ein anderes Beispiel, das genau an diesem Punkt anknüpft: Letztes Jahr, im Januar 2011, haben sich Frau Franzen, Herr Günther und auch der Ministerpräsident persönlich dafür eingesetzt, dass die Regionalschule in Owschlag eine Chance bekommt. Da sind die Anmeldezahlen der Schüler wirklich gering gewesen. Das liegt nicht an der SPD, das liegt an dem Wahlverhalten der Eltern und an den Schülerzahlen, die dort rückläufig sind. An der Stelle haben Sie sich eingesetzt - nachvollziehbar. Aber wenn die CDU sich darum kümmert, ist es Politik für den ländlichen Raum, wenn sich die Oppositionsfraktionen darüber Gedanken machen, ist es Schuldenmacherei. Das ist überhaupt nicht nachzuvollziehen.
Herr Minister, ich muss sagen, dass es wirklich ein Armutszeugnis war, denn in der Rede, die Sie hätten halten sollen, hätte eigentlich darüber handeln sollen - das können Sie sehr lustig finden; ich finde es nicht lustig -, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie wir mit dem demografischen Wandel umgehen. Sie haben gesagt: „Ich habe die Mindestgrößenverordnung einfach verlängert, basta. So wird das schon irgendwie gehen.“ - Ich finde das relativ einfallslos. Es wird der Situation vor Ort überhaupt nicht gerecht. Ich finde, Sie haben die nötige Ernsthaftigkeit bei diesem Thema vermissen lassen. Vielleicht liegt es daran, dass keine Gymnasien gefährdet sind.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich nicht mehr an der Debatte beteiligen, aber ich glaube, ein paar Sachen müssen jetzt geradegerückt werden. Es ist schon spannend, wenn man die Debatte im Landeshaus und im Plenarsaal beobachtet. Es wird von Ihnen, Herr Stegner, eine Aktuelle Stunde beantragt, und dann setzen Sie sich oben zu dem geschätzten Kollegen Hay und schwatzen munter mit ihm, während der Kollege Kubicki hier redet.
Ich finde, wer schon eine Aktuelle Stunde beantragt, sollte an der Stelle entsprechend den Rednern ein bisschen Respekt zollen.
(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP - Zu- rufe der Abgeordneten Martin Habersaat [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD] - Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)
Wir haben Regional- und Gemeinschaftsschulen mit dem Schulgesetz die Möglichkeiten gegeben, langsam und zeitig aufeinander zuzuwachsen. Das wollen wir für die beiden Schularten sicherstellen, dass sie das jetzt auch tun können. Sie haben die gleichen Möglichkeiten zu unterrichten, sie haben die gleichen Möglichkeiten der Differenzierung,
sie unterscheiden sich lediglich darin, dass die Gemeinschaftsschulen einen gymnasialen Anspruch übernehmen wollen.
Dafür brauchen diese Gemeinschaftsschulen eine gewisse Größe, um vernünftige Arbeit leisten zu können. Wenn Sie diese Größe herabsetzen wollen -
An den Gesprächen sind Sie doch gar nicht beteiligt gewesen, die sind doch zwischen Frau Erdsiek-Rave und uns gelaufen. Daran waren Sie doch gar nicht beteiligt.
Herr Dr. Stegner, wenn Sie diese Größen herabsetzen, setzen Sie auch schlicht und ergreifend die Arbeitsfähigkeit von Gemeinschaftsschulen herab. Dann sagen Sie das deutlich!
Sagen Sie deutlich, dass Sie auf den gymnasialen Anteil in Ihren Gemeinschaftsschulen verzichten wollen. Sie wollen doch die Mindestgrößen herabsetzen, wir doch nicht - entschuldigen Sie bitte einmal!