Selbstverständlich wissen wir auch um die derzeitige Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts. Da müssen wirklich noch dicke Bretter gebohrt werden, bis in der Gesellschaft und dann auch in der Rechtsprechung Partizipation und Mitbestimmung den ihnen zustehenden Platz endlich erhalten. Aber zumindest das, was im Hier und Heute möglich ist, muss realisiert werden. Deshalb unser Gesetzentwurf.
Also: Setzen Sie ein Zeichen, meine Damen und Herren! Vor allem sind hier die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeint, die sich in den Ausschüssen noch enthalten
haben. Ich hoffe, Sie sind in sich gegangen und werden anders abstimmen. Setzen Sie ein Zeichen für Demokratie! Setzen Sie ein Zeichen für Mitbestimmung!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit 1990 ist in Schleswig-Holstein die Bildung von Personalräten in den Dienststellen des Landes, der Gemeinden, der Kreise, der Ämter sowie in den Körperschaften des öffentlichen Rechts durch das Mitbestimmungsgesetz geregelt. Die Änderungen, die die Fraktion DIE LINKE mit ihrem Gesetzentwurf vorschlägt, betreffen zumeist Paragrafen, die zuletzt im Dezember 2010 geändert wurden, also erst eineinhalb Jahre in Kraft sind. Das entspricht nicht einmal einer vollen Wahlzeit der Betriebsräte. Unter Verlässlichkeit von Gesetzgebung verstehe ich, verstehen wir etwas anderes.
Darüber hinaus erschließen sich uns der Sinn und die Zielsetzung der vorgeschlagenen Regelungen aufgrund der eingebrachten Vorlage nicht.
Als Erstes schlagen Sie eine Änderung des Artikels 13 vor, der die Zusammensetzung der Personalräte betrifft. Hier deckt sich aktuell die Landesgesetzgebung mit der Bundesgesetzgebung, und zwar mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Wir haben auch Bundeskörperschaften hier in Schleswig-Holstein. Wir sollten das mit gleichem Maß messen. Sie aber fordern eine Ausweitung der Personalvertretungen. Da frage ich mich: Warum?
Weiterhin fordern Sie eine Verdoppelung der Freistellungen der Personalratsmitglieder für Fortbildung und Schulung bei gleichzeitiger Verdreifachung der Sitzungen der Personalräte.
Um die durch Ihre Vorschläge zusätzlich in den Personalräten gebundene Arbeitskraft zu kompensieren, muss die Anzahl der Verwaltungsmitarbeiter deutlich erhöht werden
in den Ämtern, in den Gemeinden, in Städten, aber auch beim Land und in den Körperschaften. Dies widerspricht unserer Vorstellung von Verwaltungsverschlankung und von Kostenoptimierung.
Sie vergrößern die Personalräte, erhöhen die Freistellungszeiten der Mitglieder und verdreifachen die Anzahl der Sitzungen. Mit welchem Ziel? Sie betreiben hier nichts weiter als eine verfehlte Klientelpolitik und hoffen, damit Wählerstimmen zu gewinnen - und dies auf Kosten und zulasten der Haushalte des Landes und der Kommunen.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin ein ausgesprochener Befürworter von Mitbestimmung in unseren Verwaltungen. Ich weiß, wie motivierend ein angenehmes Arbeitsklima in den Verwaltungen sein kann. Unser Ziel muss es sein, gute, motivierte Mitarbeiter in unseren Verwaltungen zu haben.
Aber wir haben in vielen Bereichen ein ausgewogenes Mitbestimmungsgesetz in Schleswig-Holstein, das Sie ändern wollen. Lassen Sie die Menschen damit doch erst einmal vernünftig arbeiten und Erfahrungen sammeln. Wir sind für konstruktive Änderungsvorschläge offen, aber Sie haben mit Ihrem Gesetzentwurf die Bodenhaftung verloren.
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, die Beschlussempfehlungen des Innen- und Rechtsausschusses sowie des Finanzausschusses anzunehmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schleswig-Holstein hatte einmal das modernste Mitbestimmungsgesetz in der Bundesrepublik. Es ist unter Björn Engholm eingeführt worden. Der Gedanke war, dass man Politik mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern macht, dass man mit mündigen Bürgerinnen und Bürgern umgeht, dass man die Meinungen, die Erfahrungen, das Wissen, die Mitwirkungsrechte einbezieht und man nicht so handelt, wie Sie das eben gesagt haben: Im Prinzip bin ich für Mitbestimmung, aber
Bei uns fügte sich das ein in eine Philosophie, die sagte: Wir wollen Beteiligungsrechte haben bei Kindern und Jugendlichen, bei Volksentscheiden, bei Gleichstellungsbeauftragten. Mitbestimmung ist das, was Sie Entbürokratisierung nennen, wenn Sie das wieder abschaffen oder einschränken.
Dabei haben wir Zeiten, in denen die Arbeitsverdichtung immer größer wird, in der wir den Arbeitnehmern mit Blick auch auf die Haushaltslage des Landes vieles haben zumuten müssen, in der wir Sonderzulagen gestrichen haben, Urlaubs- und Weihnachtsgeld eingeschränkt haben, bei den oberen Einkommensgruppen sogar ganz gestrichen haben. Dann hinzugehen und zu sagen: Demokratie ist mir darüber hinaus unbequem, und ich will das einschränken oder abschaffen, ist falsch. Das ist der falsche Weg. Das halten wir Sozialdemokraten für genau das Gegenteil dessen, was nötig ist. Denn Mitbestimmung stärkt ein Land, stärkt die Legitimität einer Regierung und schwächt sie nicht.
Das haben Sie leider nie verstanden. Sie haben entweder ein paternalistisches Politikverständnis oder ein elitäres. Im Übrigen ist es auch so: Wer Lobbyinteressen bedienen möchte, kann an der realen Mitwirkung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kein Interesse haben. Das ist es. Wenn man Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung als Ballast, als lästige Angelegenheit oder als Bürokratie versteht, sollte man sich schämen.
Insofern wundert es uns nicht, dass die Union die erste Gelegenheit ergriffen hat, kaum dass sie mit der FDP zusammen regiert hat, die Rechte abzubauen. Widerstand gab es nicht. Ich war letztens auf einer Podiumsdiskussion mit den beiden Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP. Da wurde danach gefragt, was bei der Mitbestimmung gemacht worden ist. Da fragt der FDP-Fraktionsvorsitzende tatsächlich seinen Kollegen: Haben wir da was geändert? Der CDU-Kollege hat einen Moment überlegt und sagte: Ja. Und dann sagte er: Na, dann können wir doch auch sagen, wir sind offen, darüber vor der Wahl noch einmal zu reden. Und das, obwohl man das ins Haushaltsgesetz hineingeschrieben hat! Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das ist ein Umgang mit dem Thema Arbeitnehmerrechte, der das Gegenteil dessen ist, was richtig ist.
Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit geben, von jedem von Ihnen persönlich zu erfahren, wie Sie das halten. Deshalb wird meine
Fraktion heute namentliche Abstimmung zu diesem Gesetz beantragen, sodass Sie sich klar zu der Frage bekennen können, ob Sie die Mitbestimmungsrechte erweitern wollen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mitbestimmung ist die Teilnahme der Arbeitnehmer oder ihrer Vertretungen am Willensbildungsprozess in ihrem Betrieb. Faire, integere und kooperative Zusammenarbeit bildet die Grundlage einer funktionierenden Partnerschaft und ist ein Element der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. In der Tat.
Der Gesetzgeber hat die Mitbestimmung, also die repräsentative Mitwirkung der Beschäftigten an Entscheidungen des Arbeitsgebers, auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Dazu gibt es entweder Mitbestimmungsgesetze oder das Betriebsverfassungsgesetz. Dadurch hat er den Unternehmerinnen und Unternehmern ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem Probleme bereits vorzeitig im Konsens gelöst werden sollen und können. Mit der Mitbestimmung können bestehende Hierarchien überbrückt werden, und durch die Übernahme von Verantwortung, die durch demokratische Wahlen legitimiert ist, können Arbeitnehmer selbst die Zukunft ihres Unternehmens gestalten.
Die Bundesrepublik ist im internationalen Vergleich das Land mit den weitgehendsten Mitwirkungsrechten von Arbeitnehmern. Es hat sich gezeigt, dass sich die anfänglichen Bedenken der Arbeitgeber dagegen nicht bewahrheitet haben. Das ist auch gut so. Natürlich ist die deutsche Mitbestimmung aber auch ein Kostenfaktor. Kosten entstehen durch die Vertretungsorgane wie Personalrat oder Betriebsrat, durch Gesamtbetriebsräte, verschiedene Ausschüsse oder beispielsweise bei weltweit agierenden Konzernen durch einen Weltbetriebsrat.
Auch die Freistellungen der Arbeitnehmer von der Arbeit, Schulungskosten, Reisekosten, Büroräume, Büromaterial, Sitzungszeiten, Fachliteratur, die Hinzuziehung von Sachverständigen und Rechtsstreitigkeiten verursachen Kosten, Kosten, die der
Diese Kosten waren auch der Grund, warum sich die Regierungskoalition im Rahmen der Haushaltskonsolidierung seinerzeit mit dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein befasst hat. Dies wurde hier bereits vorgetragen. Dabei war unser Grundtenor klar: Als eines der fünf Länder, die Konsolidierungshilfen erhalten, können wir keine Leistungen versprechen oder gar geben, die andere, auch finanzstarke Bundesländer nicht finanzieren.
Wir hatten bei den Freistellungsgrenzen von Personalräten bundesweit die niedrigste Schwelle. Bereits ab 200 Beschäftigte wurde ein Personalratsmitglied vollständig von der Arbeit freigestellt. In anderen Bundesländern liegt die Schwelle bei 300 Beschäftigten. Wir wollten damals die Freistellungsgrenze entsprechend heraufsetzen. Das war im Haushaltsbegleitgesetz so verankert. Dies ist bereits angesprochen worden. Im Zuge der Haushaltsberatungen wurde dann vorgeschlagen, die Freistellungsgrenzen zu belassen und stattdessen die Anzahl der Personalratsmitglieder geringfügig abzusenken. Die Änderungen haben wir dann mit den Gewerkschaften besprochen und hierbei Konsens erzielt. Jedenfalls wurden sie für akzeptabel gehalten.
Um es deutlich zu sagen: Wie in vielen anderen Bereichen auch, hat auch hier die Quantität nichts, aber auch gar nichts mit Qualität zu tun.
Hinsichtlich Ihres Vorschlags, ein Sitzungsgeld für die Personalräte in Höhe von 4 € täglich einzuführen, verweise ich auf Folgendes: Für Großunternehmen der Privatwirtschaft besteht gerade im Zusammenhang mit dem Thema Compliance eine rechtliche Problematik. In § 1 Abs. 4 des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig-Holstein heißt es:
Gleichlautend ist § 37 des Betriebsverfassungsgesetzes. Natürlich bekommen Personalräte und Betriebsräte ihr Gehalt gezahlt, wenn sie Personalratsarbeit oder Betriebsratsarbeit machen, und zwar in gleicher Höhe, wie wenn sie gearbeitet hätten. Damit soll die Sicherung der äußeren und inneren Unabhängigkeit hergestellt werden, um eine sachdienliche und ordnungsgemäße Arbeit gewährleisten zu können. Gerade wegen dieser Unabhängigkeit sind sich alle Arbeitsrechtler einig, dass an den Begriff der Unentgeltlichkeit im Gesetz ein stren
ger Maßstab anzulegen ist. Besondere Vergütungen oder irgendwelche sonstigen Vorteile dürfen deshalb nicht gewährt werden. Das wäre nämlich eine Bevorzugung von Personalräten im Vergleich zu ihren Kollegen, und die ist unzulässig.
Ihr Vorschlag, meine Damen und Herren der LINKEN, zeugt wieder einmal davon, dass Sie Ihre Anträge bar jeder tatsächlichen Kenntnisse machen.