Protocol of the Session on February 24, 2012

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe bekannt, dass die SPD-Fraktion eine Sitzung des Ältestenrates in der Mittagspause beantragt hat. Ich gehe davon aus, dass wir uns im Anschluss an die Vormittagssitzung im Zimmer des Präsidenten treffen werden.

Herr Abgeordneter Kubicki, es tut mir leid, dass eben das Saalmikrofon nicht funktioniert hat. Inzwischen - Sie haben es alle wahrgenommen - sind die Saalmikrofone alle scharf geschaltet worden,

(Heiterkeit)

sodass ich davon ausgehe, dass sie alle wieder funktionieren.

Ich gebe darüber hinaus bekannt, was der Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Stegner vorhin schon messerscharf geschlossen hat: Die Landesregierung hat ihre Redezeit um 3 Minuten überzogen. Wir führen Protokoll über die Restredezeiten aller Fraktionen und geben sie nach dem ersten Durchgang bekannt.

Für die Fraktion des SSW rufe ich jetzt die Frau Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk auf.

(Björn Thoroe)

In der Zwischenzeit begrüße ich mit Ihnen allen gemeinsam Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Käte-Lassen-Gemeinschaftsschule aus Flensburg. - Seien Sie uns herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag! Einen interessanten Vormittag für Sie! Ich denke, bei dieser Debatte ist er garantiert.

(Beifall)

Frau Fraktionsvorsitzende, Sie haben das Wort.

Frau Präsidenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer mit offenen Ohren durchs Land geht, kann mit Leichtigkeit das Thema benennen, das die Menschen in Schleswig-Holstein umtreibt und verunsichert. Das sind - Sie haben es erraten - die Themen Bildung und Schule. Infratest hat 1.000 Bürgerinnen und Bürger gefragt. So wie in den anderen norddeutschen Bundesländern zeigt sich auch bei uns, dass das Thema Bildung ein Dauerbrenner ist.

In Schleswig-Holstein nennt jeder fünfte Befragte die Themen Schule und Bildung als ausschlaggebend für seine beziehungsweise ihre Wahlentscheidung. Zu den Hintergründen dieser Gemengelage gehört zum einen das von der Landesregierung und vom Bildungsminister gewollte Schulgesetz, das mit Beginn des neuen Schuljahres 2011 eine Reihe von Änderungen zementierte, die vor Ort vielfach zu Konflikten führten und als eine Rolle rückwärts empfunden wurden. Denn man kann es drehen und wenden, wie man will: Das Schulgesetz von 2007 war nun wirklich keine Schulreform aus einem Guss; es gab vieles, was man besser hätte machen können und auch besser hätte machen müssen, aber erstmals in der Geschichte unseres Landes gab es ein Schulgesetz, das, weil es von einer großen Mehrheit getragen wurde - von CDU und SPD nämlich -, Bestand haben könnte, das man evaluieren und weiterentwickeln könnte. Man darf nicht durchgehen lassen, dass dieses Schulgesetz gekippt wurde.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dass die CDU nach 2009 nicht mehr zu ihren eigenen Beschlüssen stand, war eine bittere Pille.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Soll das für alle Beschlüsse von Großen Koalitionen gelten?)

- Wir reden darüber, lieber Kollege Kubicki, dass es gerade in der Bildungspolitik wichtig ist, dass Entscheidungen Bestand haben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich komme dazu. - Die CDU hat das Schulgesetz von 2007 mitgetragen. Sie knickte nach dem Regierungswechsel 2009 ein. Das ist eine bittere Pille.

(Beifall bei der SPD)

Damit machte man es nämlich der FDP viel zu leicht, mit Vorstellungen durchzukommen, die Entscheidungsfreiheit mit Beliebigkeit verwechselten und das Ziel eines längeren gemeinsamen Lernens von innen torpedierten.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Dass weder G 9 noch „G Y“ zum Nulltarif zu haben waren und Stellen auslösten, die andernorts im System Schule viel nötiger waren, gehört zur Wahrheitsfindung dazu.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist falsch, schlicht und ergreifend falsch!)

Zum anderen haben wir in den letzten Monaten erlebt, wie die Forderung nach Schulfrieden immer mehr zur Worthülse verkommt. Denn zu Recht sind Eltern über Unterrichtsausfall besorgt und frustriert über die Politik der Landesregierung, Stichwort auch das Thema Schülerbeförderung.

Frau Abgeordnete Spoorendonk, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner zu?

Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, finden Sie es angemessen, dass kein Regierungsmitglied von der Union dieser bildungspolitischen Debatte folgen möchte?

- Da haben Sie recht, Herr Kollege. Das ist eigentlich nicht angemessen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Frustration über die Politik der Landesregierung hat sich in den letzten Monaten breitgemacht, zum Beispiel beim Thema Schülerbeförderung. Lehrerkollegien müssen mit ansehen, wie ihre Bemühungen

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

um Bildungsdifferenzierung und neue Unterrichtsformen mit Gleichgültigkeit aufgenommen werden. Stichwort hier: Abschlussbezogene Klassen gehen auch.

Dass diese Unruhe auch bei der FDP als Partei des Bildungsministers ankam, war also nur eine Frage der Zeit. Die Landtagswahl lässt natürlich grüßen. Denn zur Faktenlage gehört auch, dass die Regierungsmehrheit sowohl 2012 wie auch für das kommende Schuljahr jeweils 300 Lehrerstellen streichen will. Was dann geschah, ist, denke ich, allen noch in Erinnerung.

Neu ist aber, dass Herr Dr. Klug nunmehr selbst die größten Defizite benennt und die notwendigen Stellen beziffert hat. „Bildung als Lebenschance“ heißt sein Papier, und genau darum geht es ja auch. Die Eckpunkte sind bekannt. Er will 17 neue Schulpsychologen, 8 neue Berufseinstiegsbegleiter, 50 Lehrer für Dörfergemeinschaftsschulen, mehr Planstellen für gebundene Ganztagsschulen und so weiter. Dazu kommen 125 Stellen zur Erhöhung der Differenzierungsstunden, die der Bildungsminister höchstpersönlich vor Kurzem noch weggefegt hat. „Rin in de Kartüffel, ruut ut de Kartüffel“, kann ich nur sagen. Die Conclusio kann vor diesem Hintergrund daher nur lauten: Mit der Streichung weiterer Planstellen im Schulbereich entpuppt sich alles, was über Qualitätsentwicklung gesagt wird, als heiße Luft.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Was bleibt, ist ein Koalitionskompromiss von CDU und FDP, der nichts anderes ist als eine Beruhigungspille für Eltern und aufgebrachte Wählerinnen und Wähler.

Vertretungslehrer sollen es also richten: flexible und einsatzbereite Lehrkräfte, die überall im Land eingesetzt werden können, so wie eine Art Unterrichtsnotarzt - allerdings ohne Festanstellung und Karriereaussichten. Also, kurz gesagt: Lehrer, die nichts kosten. Referendare, Pensionäre, Nachwuchslehrer oder Studierende zu dieser ganz besonderen Sorte Leiharbeiter zu machen, das, finde ich, ist schon gewöhnungsbedürftig,

(Beifall bei SSW und der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

einmal davon abgesehen, dass sich sicherlich kaum ausreichend Lehrkräfte melden werden. Denn wir wissen aus vielen Gesprächen, dass es gar nicht möglich ist, mit diesen Mitteln überhaupt Unter

richtsversorgung sicherzustellen, nicht weil es nicht Mittel genug sind, sondern weil es keine Lehrkräfte dafür gibt.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Durch Vertretungslehrer wird die Unterrichtssituation also nicht nachhaltig verbessert. Sie verbessern höchstens die Statistik, mit der es, nebenbei gesagt, sowieso nicht zum Besten steht.

Tatsächlich gibt es also nur einen Weg gegen den Unterrichtsausfall, nämlich die geplante Streichung von Planstellen aufzuschieben.

(Beifall der Abgeordneten Ellen Streitbörger [DIE LINKE])

Schon bei der letzten Debatte zu diesem Thema sagte ich für den SSW, dass das einzig transparente Verfahren die Einbringung eines Nachtragshaushalts sei. Dieser Meinung bin ich immer noch. Es ist auch möglich, das noch zu schaffen. Das geht aus dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hervor. Denn mit Transparenz haben die Beschlüsse vom Koalitionsausschusses der Regierungsfraktionen nun wirklich nichts zu tun.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Auch wenn sich die Landesregierung nunmehr hinstellt und sagt, sie handele ja bereits und habe in bestimmten Bereichen sowieso viel mehr geleistet als alle Vorgängerregierungen, bleibt es dabei, dass jetzt Mittel bereitgestellt werden, die auch wieder einkassiert werden können. Man macht etwas für den nächsten Doppelhaushalt. Man plant das, dann weiß man nicht, was geschieht, und dann kann man das wieder einkassieren. Zu einer nachhaltigen Bildungspolitik gehören aber auch Korsettstangen. Wo sie fehlen, hat Ekkehard Klug in seinem besagten Bildungspapier ja selbst aufgezeigt. Daher ist es wichtig zu erfahren, wie wir dieses Papier einordnen sollen. Wir haben ja jetzt gerade wieder gehört: Das ist also ein Papier. Man kann es haben, man kann es auch weglassen; es hat keine Wirkung.

Der SSW unterstützt die vorliegenden Anträge zur Verbesserung der Unterrichtssituation, die heute mit debattiert werden. Wer postuliert, Bildung als Lebenschance zu sehen, muss natürlich konkret werden. Daher ist für uns nachvollziehbar, wenn vonseiten der SPD zwei Aspekte gesondert hervorgehoben werden: Stärkung der Sprachförderung und die Projekte „Lesen macht stark“ und „Mathe macht stark“. Folgerichtig ist auch, Schule breiter zu denken. Daher gehört der SSW-Antrag zur För

(Anke Spoorendonk)

derung der Minderheiten- und Regionalsprache Friesisch natürlich in diesen Kontext. Friesisch gehört zu den Lebenschancen, die es gilt durch Bildung zu stärken.