Immerhin ist der Wandel, von einer Pflicht hin zu einem Recht, Straßenausbaubeiträge zu erheben, kein neuer Weg. Er ist in anderen Bundesländern bereits gegangen worden. Da wird immer wieder das Beispiel Rheinland-Pfalz genannt. Hier gibt es allerdings eine andere Regelung, als wir sie jetzt hier in Schleswig-Holstein schaffen wollen. Unsere Regelung kommt der Regelung im Saarland näher. Dort gibt es keine Probleme. Das geht auch aus der Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegin Heinold durch die Landesregierung hervor. Insofern
trifft das Argument, wir würden hier möglicherweise ein unnötiges Risiko eingehen, überhaupt nicht zu. Darüber haben wir auch im Ausschuss ausführlich diskutiert. Von daher gibt es hier keinerlei Bedenken.
Dass diese Wahlmöglichkeit so schlecht eigentlich gar nicht sein kann, wurde auch dadurch deutlich, dass der Gemeindetag sich selbst im vergangenen Jahr noch ähnlich geäußert und auch vor Ort entsprechende Initiativen ergriffen hat.
Ich freue mich besonders, dass der SSW bei uns im Ausschuss gesagt hat, er könne eigentlich inhaltlich zustimmen. Im Finanzausschuss hat er dann dem Gesetzentwurf auch zugestimmt. Das verdient besondere Aufmerksamkeit. Es sind also nicht nur CDU und FDP, sondern auch der SSW, die diese Regelung wollen. Mit dem, was wir heute gesetzlich auf den Weg bringen, erfolgt ein Stück kommunale Weichenstellung, über die wir uns freuen sollten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten hat uns ein Gesetzentwurf aus dem Landtag erreicht, der so wie dieser in den Anhörungsstellungnahmen der Sachverständigen und in der Öffentlichkeit zerrissen worden ist.
„Aus diesen Gründen haben die Gremien des SHGT beschlossen, den Vorschlag zur Streichung von § 76 Abs. 2 GO nicht zu unterstützen“.
,,Der Gesetzentwurf setzt sich in der Gesamtschau der Änderungen dem Makel der Widersprüchlichkeit aus.“
,,Abschließend sind wir der Ansicht, dass wiederkehrende Beiträge rechtlich nicht haltbar sind und darüber hinaus nicht den gewünschten Effekt erzielen?“
,,Insgesamt erscheint die vollständige Aufhebung der Verpflichtung zur Erhebung der Straßenausbaubeiträge vor dem Hintergrund der nach wie vor angespannten Haushaltslage vieler Kommunen nicht opportun.“
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nur aus den Stellungnahmen zitiert, die die CDU selbst angefordert hat, nicht einmal aus denen, die wir angefordert haben.
Lediglich der Bauernverband sieht das aus sehr naheliegenden Gründen positiv. Diese Gründe sind auch nachvollziehbar, weil die Wegstrecken an den Äckern und Wiesen ja länger sind als an Eigenheimgrundstücken und Tiefenbegrenzungen beim Straßenbau den Bauern zugute kämen. Welcher Beschenkte kritisiert schon sein Geschenk?
Mit diesem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen CDU und FDP nach dem Landesentwicklungsplan - Kollege Kalinka hat darauf hingewiesen - mit einer weiteren schweren Waffe ihren Feldzug gegen die Städte fort.
Es ist kein Geheimnis, dass die Bevölkerungszahl Schleswig-Holsteins schrumpfen wird und dass der demografische Wandel dazu führen wird, dass gerade für ältere Menschen die Zentren wieder attraktiver werden. Zu einer vernünftigen Zukunftspolitik gehört es daher, diesen Wandel hin zu einer älteren Gesellschaft aufzunehmen, die Zentren zu stärken und die Menschen nicht auf dem platten Land ohne Daseinsvorsorge allein sitzen zu lassen.
CDU und FDP wollen aber, dass die Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aufgehoben wird und dass nicht nur ein einmaliger, sondern auch ein wiederkehrender Beitrag erhoben werden kann. Sie wollen die Landgemeinden stärken, junge Familien anwerben und glauben, dort sei genug Geld, um die Beiträge ganz zu übernehmen und somit eine Ansiedlung zu fördern.
Den Städten geht es finanziell meist nicht so gut, und sie müssen alle Möglichkeiten der Einnahmenerzielung ausschöpfen. Sie würden bei diesem Mittel des Standortwettbewerbs nicht mithalten können und sollen zudem - das ist noch gar nicht genannt worden - statt bisher 10 nun 15 % Mindestbeitrag erheben. Das ist alles andere als die Schaffung von Wettbewerbsgleichheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU und FDP locken die Menschen aufs Land, locken sie quasi hinters Gebüsch, sorgen für einen billigen Spaß und lassen die Beteiligten dann sitzen, wenn die Rücklagen im Asphalt verschwunden sind.
Dem Vorhaben von CDU und FDP stehen aber nicht nur politisch-moralische, sondern auch rechtliche Zweifel entgegen: Gemeinden sind nach § 76 Gemeindeordnung dazu verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen zunächst aus Entgelten für ihre Leistungen und im Weiteren aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen.
Derjenige, der einen Vorteil aus einer kommunalen Leistung erfährt, ist vorrangig zur Abgabe heranzuziehen, erst dann die Allgemeinheit. Die Entschei
dungsträger könnten in der Tat unter Druck geraten, vom Beitragsverzicht Gebrauch zu machen, um politisch gut dazustehen, gerade vor Wahlen, statt an solide Finanzen zu denken. Und genau das haben, lieber Herr Kollege Kalinka, Städteverband und Landkreistag vorgestern zu Recht noch einmal kritisiert, diese Scheinfreiheit, von der Sie hier sprechen.
Ebenso zweifelhaft bleibt der Sinn der Erhebung wiederkehrender Beiträge. Eine vergleichbare Regelung - Sie haben auf Rheinland-Pfalz hingewiesen - ist für verfassungswidrig erachtet und an das Bundesverfassungsgericht zur Klärung weiterreicht worden. Warum sollte man dieses Urteil nicht abwarten, lieber Kollege Kalinka? Es besteht da wirklich überhaupt kein Grund zur Eile.
Unabhängig davon wäre ein hoher Verwaltungsaufwand erforderlich, um die Maßnahmen abzurechnen und die Beiträge zu berechnen. So etwas kann dann in der Konsequenz für weitere Rechtsstreitigkeiten sorgen.
Somit bleibt der Gesetzentwurf unzureichendes Stückwerk - ohne eine grundlegende Reform der Finanzierungsgrundlagen der Kommunen und ohne einen gerechteren Ausgleich zwischen Städten und ländlichem Raum, die beide notwendig sind. Er ist lediglich ein Wahlkampfgeschenk an den ländlichen Raum.