Ich füge in aller Ernsthaftigkeit eine weitere Bemerkung hinzu: Es ist wichtig, dass wir darüber auch öffentlich diskutieren und sprechen. Es ist aber auch ganz wichtig, dass relevante Informationen, die nicht in der Öffentlichkeit sein müssen, mit dem Ziel gerichtsfester Hinweise auch tatsächlich beigesteuert werden können. Ich glaube, dass
diese Effektivität wichtig ist; denn zur Bitternis der vergangenen 14 Jahre gehört ja auch, dass nicht alle Informationen bundesweit in Relevanz zusammengetragen werden konnten.
Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bündnis zwischen Politik, Vereinen, Verbänden, jedem einzelnen. Ich glaube, dass es einige Gesichtspunkte gibt, die wir noch hinzusetzen sollten. Die Möglichkeit, dass es zwischen den Zwickauer Neonazistrukturen und der NPD eine Verbindung gibt oder geben könnte, könnte möglicherweise ein weiterer Gesichtspunkt sein, der noch deutlicher werden könnte. Das NPD-Verbotsverfahren ist konkret in die Nähe des Möglichen gekommen. Ich glaube, wir wünschen uns alle, dass dieses noch beschleunigter vonstatten gehen könnte.
Die Polizei ist zum Teil an die Grenze der Belastbarkeit gekommen. Ich möchte gerne das wiederholen, was ich hier im vergangenen Jahr gesagt habe: Es ist auch eine große innere Belastung, wenn man ständig das Recht von Leuten schützen muss, die unsere Demokratie nicht nur nicht achten, sondern bekämpfen. Auch das gehört zu dieser Diskussion dazu.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen zusammenstehen, und wir tun dieses. Nach dem, was ich von dem NPDMarsch in Neumünster gehört habe, habe ich für mich entschieden, dass mein Platz am 1. Mai an der Seite der Gewerkschaften in Neumünster ist. Das ist doch ganz klar.
Wir alle sollten uns auch weiterhin gegen die Neonazis engagieren, wie wir das hier auch tun. Ich will gern noch einen Satz hinzufügen: Nicht jede Toleranz ist bei Intoleranten geboten. Wer die Grundstrukturen der Demokratie bekämpft, darf nicht all ihre Rechte nutzen dürfen. Dies ist ein Punkt, der im Rechtlichen, aber auch im Politischen von Bedeutung ist. Wir zeigen heute in diesem Landtag, dass wir gemeinsam in dieser Frage denken, handeln und agieren. Ich meine, das ist ein wichtiges Signal auf dem Weg, die Neonazis in die Schranken zu verweisen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in diesem Hohen Haus immer einig gewesen: Null Toleranz gegenüber den Rechtsextremisten, egal ob in den Parlamenten oder auf der Straße!
Ferner waren wir uns auch immer einig, dass der jährliche Naziaufmarsch und der Versuch, die Bombardierung Lübecks zur Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen zu missbrauchen, zu verurteilen ist und eine unerträgliche Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus darstellt.
Herr Innenminister, es erschließt sich uns daher nicht, wie Ihre gegenüber der Presse gemachten Äußerungen dabei helfen sollen, diesen Spuk in diesem Jahr durch ein rechtssicheres Demonstrationsverbot zu verhindern.
Öffentlich fordern Sie den Bürgermeister von Lübeck auf, den Aufmarsch zu verbieten. Als zuständiger Minister wissen Sie aber genau, dass öffentliche Verbotsaufforderungen der obersten Versammlungsbehörde drei Monate vor der Demonstration den Erfolg eines Verbotsverfahrens mehr gefährden als ihm nützen können.
Aber wir wissen ja, dass Sie es eigentlich besser wissen; denn in der letzten Innen- und Rechtsausschusssitzung haben Sie uns wortreich erklärt, dass eine öffentliche Diskussion über die Erkenntnisse, die Ihnen heute vorliegen, die Sie zu Ihrer Einschätzung gebracht haben, dass ein Verbotsverfahren erfolgreich sein könnte, dieses gefährden könnte. Und dann wiederum dürfen wir aber in der Presse lesen, dass die Erkenntnisse über die NSU Sie zu dieser Einschätzung geführt haben. Herr Innenminister, Sie können nicht gegenüber dem Innen- und Rechtsausschuss die auch unserer Meinung nach richtige Auffassung vertreten, dass jede öffentliche Diskussion über konkrete Verbotsgründe das Verfahren gefährdet, aber gleichzeitig gegenüber der Presse genau dies tun, um nach außen das Bild des durchgreifenden Ministers zu suggerieren.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, kommen wir jetzt zu unserem nun endlich gemeinsamen Antrag. Ich finde, dass es auch diesem Hohen Haus sehr gut zu Gesicht steht, dass wir es geschafft haben. Ich hätte mich gefreut, wenn wir es bei diesem Thema, bei dem wir uns immer sehr einig sind, noch ein paar Tage vorher geschafft hätten. Aber nun ist es ja geschafft. Wir wollen alle ein rechtssicheres Verbot der Nazi-Demo in Lübeck erreichen. Hier schließen wir uns den Forderungen des Kollegen Kalinka aus dem Dezember an. Dies kann nur gelingen, wenn der Innenminister alle ihm bekannten Informationen der Versammlungsbehörde in Lübeck, und nur dieser, mitteilt. Mit Freude stelle ich fest, dass wir es nun geschafft haben. Ich stelle aber auch fest, dass viele in diesem Haus die Auffassung teilen, dass Demo-Verbote nicht die Verpflichtung zur Demonstration der öffentlichen demokratischen Gegenmacht ersetzen können.
Gerade am heutigen Tag sollten wir die Gemeinsamkeit der Demokraten suchen und nicht kleinlich das Trennende in der Interpretation einzelner Formulierungen. Das ist ein Wink in Richtung der LINKEN. Deshalb freue ich mich darauf, wenn möglichst viele am 31. März in Lübeck ein friedliches Zeichen gegen Rassismus, Faschismus und rechte Gewalt setzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tagesordnungspunkt stimmt in zweierlei Hinsicht sehr nachdenklich. Zum einen lassen wir uns mal wieder hier im Plenum von einer Gruppe eine Diskussion aufzwingen, mit der kein Demokrat in Verbindung gebracht werden will. Keine Angst, ich meine nicht Sie - aber Sie hören sowieso nicht zu -, liebe Kollegen von den LINKEN. Ich meine die braune Horde, die alljährlich durch Lübecks Straßen zieht und sich nicht schämt, sich die Opfer des Bombenangriffs auf meine Heimatstadt vor 60 Jahren für ihre menschenverachtende Ideologie zunutze zu machen.
Jetzt beschäftige ich mich doch mit der LINKEN; denn ein Thema beschäftigt mich sehr. Ihr Ursprungsantrag, wie immer der auch geändert werden sollte, zeigt nämlich ein sehr schräges Rechtsstaatsverständnis. Erinnern Sie sich noch an die Aussprache im Dezember-Plenum zum Versammlungsrecht? - Da war nicht nur am Rande von Bürgerrechten die Rede. Wir betonten alle das garantierte Grundrecht, sich frei versammeln zu können. Das war der zentrale Punkt, um den sich die Diskussion drehte. Davon ist bei Ihnen nicht viel hängen geblieben. Sie setzen nämlich Grundrecht mit Gesinnungsrecht gleich, und das macht mir Angst.
Meine Damen und Herren, es kann in unserem Rechtsstaat nicht angehen, dass Entscheidungen willkürlich werden. Es darf in Deutschland nie wieder soweit kommen, dass ohne Rechtsgrundlage Grundrechte einfach über Bord geworfen werden.
Das wäre reine Willkür. Willkürstaaten aber können keine Rechtsstaaten sein. Die Deutschen haben ihre traurigen Erfahrungen mit solchen Staatsformen viel zu lange machen müssen. Es gibt genaue rechtliche Vorgaben, nach denen Grundrechte eingeschränkt oder sogar den einzelnen verwehrt werden können. Entschließungs- oder Aufforderungsanträge deutscher Landtage gehören glücklicherweise nicht dazu.
Haben Sie überhaupt die geringste Vorstellung davon, wie unser Versammlungsrecht funktioniert, liebe LINKE? - Das Versammlungsrecht sieht eine Versammlungsbehörde vor. In Lübeck ist das der Bürgermeister. Dieser muss eine Versammlung nicht genehmigen, damit sie stattfinden darf. Er darf die Versammlung aber mit Auflagen versehen, sie beschränken, sie auflösen und - als Ultima Ratio - verbieten. Dabei steht ein Begriff im Vordergrund, von dem die Linken wohl noch nichts gehört haben, da er im Kommunismus nicht vorkommt. Es geht mir um das Ermessen. Wer Grundrechte einschränken will, der muss überlegen, ob der Eingriff geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Ich gehe davon aus, dass der Lübecker Bürgermeister verantwortungsvoll mit seinem Entscheidungsspielraum umgeht. Wie uns der Herr Innenminister im Ausschuss mitgeteilt hat, gibt es bereits intensive Gespräche zwischen ihm und den Vertretern in Lübeck. Eine Anweisung des Innenministers an den Lübecker Bürgermeister würde keinerlei Raum für
eine Ermessensentscheidung lassen. Beruht sie zudem auf einem Beschluss des Landtags, so wäre dies eine rein politische Entscheidung.
Eine darauf gründende Verbotsverfügung würde vom Verwaltungsgericht schneller aufgehoben, als sie erlassen wurde. Liebe LINKE, wollen Sie das wirklich? - Wollen Sie wirklich unsere Grundrechte beliebig und zum Spielball der Politik machen?
Bezeichnend war der Schreibfehler in einer Pressemitteilung der LINKEN vom 18. Januar. Sie wiesen auf die Gefahr von Recht hin. Gemeint war wohl die Gefahr von Rechts; es fehlte ein „s“. Ja, es stimmte. Für DIE LINKE stellt das deutsche Recht durchaus oft eine Gefahr dar; zum Beispiel dann, wenn man sich alljährlich fröhlich mit linksextremistischen Verfassungsfeinden zu geselligen Sitzblockaden in Lübeck treffen will. Wenn böse Polizisten sie dann wegtragen, dann soll das die Schwäche unseres Rechtsstaats belegen. - Man glaubt es kaum!
- Ich rede über Ihren Antrag, aber das scheint Sie nicht weiter zu interessieren. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Auch die FDP will alles daransetzen, dass diese Naziaufmärsche in Lübeck und anderswo verhindert werden; aber nur auf der Grundlage von Recht und Gesetz. Deshalb muss ein neues Versammlungsgesetz für unser Land eine klare Regelung vorsehen, die besagt, dass Demonstrationen, die in Bezug zu geschichtsträchtigen Tagen und zwecks Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft abgehalten werden, untersagt werden können.
In der Fraktion der LINKEN gibt es keine Juristen. Das mag Ihre Haltung erklären, sie aber nicht entschuldigen. Vielleicht wissen Sie deshalb nicht, dass eine allgemeine, unbestimmte Gefährdungslage kaum dazu geeignet sein wird, die Demonstration in Lübeck zu verbieten; schon gar nicht zwei Monate vorher.
Meine Damen und Herren, bei Ihrem obskuren Rechtsstaatsverständnis, das Sie hier immer wieder bestätigen, kann einem angst und bange werden. Nicht bange bin ich aber, wenn ich nach Lübeck schaue. Dort werden auch in diesem Jahr wieder viele Bürgerinnen und Bürger friedlich ihr klares Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeben und ein Zeichen gegen Extremismus jeder Richtung setzen. Ich freue mich deshalb sehr, dass es uns gelungen ist, eine Übereinstimmung und einen übereinstimmenden Antrag von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und FDP vorzulegen. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir gemeinsam für einen Antrag stehen, hat den Hintergrund, den man zumindest erwähnen muss, dass nicht alles von dem, was gerade eben gesagt wurde, in diesem Antrag steht und dass wir uns wesentlich auf andere Punkte konzentriert haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit vielen Jahren missbrauchen rechtsextreme Parteien und Organisationen in ganz Deutschland historische Daten aus der dunkelsten Zeit unserer Geschichte. Sie relativieren, sie leugnen und sie deuten um. Mit Kranzniederlegungen, Gedenkund Trauermärschen verhüllen sie die Geschichte und damit auch die Geschichte der Opfer des Zweiten Weltkriegs. Mit ihren Demonstrationen, in denen sie - ich zitiere: