Protocol of the Session on January 26, 2012

Herr Minister, so haben Sie hier im Dezember 2008 zum Zukunftsinvestitionsgesetz geredet, das dann gekommen ist. Es ist also blanker Unsinn, was jetzt in Ihrer Vorlage steht zum entschlossenen Handeln. Herr Finanzminister Wiegard, wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte die ganze Sache gar nicht stattgefunden. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie legen die Geschichte immer so aus, wie Sie sie gerade brauchen. Ich rede übrigens nicht davon, dass Sie hier nur die halbe Wahrheit gesagt und, wie die Zitate belegen, Nebelkerzen geworfen haben. Also nichts mit einem gemeinsamen Kraftakt, denn Sie wollten das Ganze gar nicht haben!

Meine Damen und Herren, gleichzeitig mit dem tatsächlich erfolgreichen Konjunkturprogramm haben Sie die Schuldenbremse eingeführt, die einen solchen Erfolg in Zukunft verhindern wird. Zumindest wird es sehr viel schwerer sein, solche Programme in Zukunft durchzusetzen. Also nichts mit Konjunkturprogrammen, nichts mit Zukunftsinvestitionsprogrammen, wenn es nach Ihnen geht.

Meine Damen und Herren, trotzdem sind wir Linken guten Mutes, denn wir wissen ja: Das Land hat sich stets über alle Regeln der Finanzpolitik hinweggesetzt. Von 1949 bis 1970 hatten wir das Gebot ausgeglichener Haushalte, an das man sich nicht gehalten hat. Dann hatten wir die goldene Regel, dass die Verschuldung die Investitionen nicht überschreiten darf. Auch daran hat sich niemand gehalten. Jetzt haben wir wieder die Lage wie vor

1970, noch verschärft, das Gebot ausgeglichener Haushalte.

Was bringt Sie eigentlich auf das schmale Brett, meine Damen und Herren von SPD bis CDU, was würde sich heute ändern, nur weil wir an der Verfassung herumgefummelt haben? - Es wird sich nichts ändern. Herr Minister Wiegard, es war übrigens auch noch nie verboten, ausgeglichene Haushalte vorzulegen, auch zu Ihrer Regierungszeit nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden in Zukunft weiter dafür eintreten, dass solche wichtigen Programme trotz Schuldenbremse auch in Zukunft möglich sein werden. Wir treten dafür ein, dass das strukturelle Defizit, das wir haben, durch Einnahmeerhöhungen und nicht durch Ausgabesenkungen in den Griff gebracht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Konsolidierung über Haushaltskürzungen führt nur zu mehr statt zu weniger Schulden. Haushaltskürzung heißt weniger Bruttoinlandsprodukt, heißt mehr Arbeitslosigkeit, heißt weniger Steuereinnahmen, heißt weniger Konsumnachfrage.

Lassen Sie mich etwas zu Europa sagen! Sie sagen ja, wir seien gut durch die europäische Finanzkrise gegangen. Tatsächlich ist es so, dass Deutschland viel später in den Abschwung geraten und früher wieder herausgekommen ist. In Frankreich, in Italien, in England setzte die Rezession schon 2007 ein, und die Wirtschaftsleistung dieser Länder beträgt immer noch nur knapp 90 % der Leistung von vor der Krise. Deutschland hingegen hat das Niveau von vor der Krise wieder erreicht - wobei ich nicht so optimistisch bin wie mein Vorredner von der CDU, denn ich fürchte, wir rutschen wieder in die Rezession.

Meine Damen und Herren, warum war Deutschland so erfolgreich? Sie sagen erstens, zum einen tatsächlich wegen der Konjunkturprogramme, zum anderen aber auch, weil die Exportunternehmen von den Konjunkturprogrammen der anderen europäischen Länder profitiert haben und der Export einen sehr hohen Anteil an der Wertschöpfung in Deutschland hat. Übrigens bedeutet dies auch, dass die Krise in Europa mitnichten beendet ist. Es handelt sich nämlich nicht um eine Staatsschuldenkrise. Die Staatsschuldenkrise ist nur das Ergebnis eines völligen ökonomischen Ungleichgewichts in Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier bin ich mir ausnahmsweise einmal einig mit den Analysten von Standard & Poor’s und der Chefin des IWF.

(Zurufe)

Da müssen wir ansetzen, wir müssen die ökonomischen Ungleichgewichte in Europa verringern.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen zweitens, nach dem Einbruch sei Schleswig-Holstein auf den Wachstumspfad zurückgekehrt. Die bittere Wahrheit ist - das sagen alle Zahlen -: Es gibt in Schleswig-Holstein nur zwei Jahre, in denen die Wirtschaftsleistung der Unternehmen ausgereicht hätte, um Wachstum im Land zu generieren. Das waren die Jahre 2006 und 2007. In allen anderen Jahren dieses Jahrtausends hätte es einen Rückgang der Wirtschaftsleistung gegeben, wenn sich das Land nicht verschuldet hätte. Die bittere Wahrheit ist: Ihr ganzes Wachstumsmodell ist auf Pump gebaut.

Sie sagen drittens, mit dem Schwerpunkt der Investitionen bei der energetischen Sanierung würden nachhaltige Effekte erreicht. - Richtig. Aber, das ist doch nur ein Spruch, wenn man sich tatsächlich anguckt, was im Bericht steht. Wenn Sie 5 Millionen € für einen Hochschulneubau ausgeben und die monetäre Differenz der neuesten energetischen Richtlinien zu Altanlagen gerade einmal 5 % erreicht, können Sie nur von Verkaufsargumenten sprechen, aber nicht von Wirkungen. Das ist übrigens auch ein Ergebnis dessen, was wir schon gestern diskutiert haben, nämlich das Kooperationsverbot. Das wurde durch das Zukunftsinvestitionsgesetz ein wenig ausgetrickst. Das zeigt einmal mehr, wie unsinnig das Kooperationsverbot ist.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Ich möchte zum Schluss noch einmal auf das Zitat zurückkommen, das ich kurz nach Beginn meiner Rede gebracht habe, nämlich das, was Sie, Herr Minister Wiegard, am 10. Dezember 2008 gesagt haben. Nach Ihrer damaligen Aussage betrug das strukturelle Defizit Ende 2008 600 Millionen €. Jetzt liegt es bekanntlich wesentlich höher. Herr Minister, das ist das Ergebnis Ihrer Finanzpolitik, direkt oder indirekt, über die Zustimmung zur Steuerrechtsänderung auf Bundesebene.

(Johannes Callsen [CDU]: Abwarten!)

Vielen Dank dafür, Herr Minister.

Herr Ministerpräsident, Sie haben heute in der Auseinandersetzung mit der FDP zu den Lehrerinnen

und Lehrerstellen gesagt, Sie möchten das Markenzeichen Haushaltskonsolidierung Ihrer Regierungszeit gewahrt wissen. Sie werden, Herr Ministerpräsident, als einer der Ministerpräsidenten in die Geschichte eingehen, die im Durchschnitt mit die höchste Neuverschuldung pro Jahr zu verantworten haben. Wenn wir dann auch noch die HSH Nordbank mit einbeziehen, dann sieht es zappenduster aus. Das ist Ihre Bilanz, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle loben heute die Konjunkturprogramme der vergangenen Jahre. Und auch schon, als diese nach der großen Krise 2008 beschlossen wurden, waren sich die meisten einig, dass diese Konjunkturprogramme und die damit verbundenen Maßnahmen richtig und wichtig sind. Nun mag man das noch als politische Rhetorik abtun, aber die Bewertung und die Fakten von heute sprechen eine eindeutige Sprache. Die Konjunkturprogramme der letzten drei Jahre waren ein großer Erfolg. Vergleichen wir die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Ländern in Europa und auf der Welt, dann kann man sagen, dass die Maßnahmen wirklich viel besser gewirkt haben als die Lösungen in anderen Staaten.

Wir haben also unsere eigenen Ziele erreicht und waren dabei auch besser als andere Staaten. Und wenn ich von ,,wir“ spreche, dann meine ich das auch so. Diese Programme wurden von den meisten politischen Parteien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mitgetragen und sind für mich auch ein Zeugnis dafür, dass Politik sehr wohl handlungsfähig ist und dass es den Leuten hier auch wirklich ganz anschaulich wird, dass eine gute Politik durchaus die Lebensumstände der Menschen verbessern kann.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Weber?

Er darf gern zwischenfragen, selbstverständlich.

(Ulrich Schippels)

Lieber Herr Kollege Harms, weil Sie noch einmal so freundlich ausgebreitet haben, dass das ja etwas ist, was alle wollen und alle immer gewollt haben: Ist Ihnen bekannt, dass das Zukunftsinvestitionsgesetz im Bundestag gegen die Stimmen von FDP und Grünen beschlossen wurde?

- Das ist mir durchaus bekannt. Aber auch andere Parteien können selbstverständlich lernfähig sein und können, wenn es denn funktioniert, lieber Kollege Weber, dann immer noch auf den Zug aufspringen und sagen: „Hervorragend! Es ist doch gut gelaufen, und wir sehen ein, dass es gut gewesen ist.“

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das weißt du aus ei- gener Erfahrung beim SSW!)

Folgen Sie weiterhin meinen Ausführungen! Sie werden sehen, dass deutlich wird, dass daraus auch für mich durchaus noch eine Lehre kommen wird. Das werden Sie gleich noch sehen.

Denn, meine Damen und Herren, welche politische Botschaft wird eigentlich durch diese Erfolgsgeschichte der Konjunkturprogramme der jüngsten Vergangenheit sichtbar? - Für den SSW ist dies eindeutig - nun hören Sie zu, lieber Herr Kollege Weber - die Tatsache, dass hier - das wird die SPD freuen - staatliche Interventionen und Investitionen positiv gewirkt haben. Durch staatliche Interventionen kann man also einen Markt wieder auf den richtigen Weg führen, wenn man es geschickt genug anstellt.

(Beifall bei der SPD)

Alle, lieber Kollege Vogt, die in der Vergangenheit gesagt haben, der Staat müsse sich überall und immer heraushalten, sind durch diese Programme Lügen gestraft worden. Staatliche Konjunkturprogramme können die Wirtschaft beleben. Das wussten wir als SSW auch schon vorher; aber jetzt müsste dieses Faktum auch dem letzten Neoliberalen klar geworden sein.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Unternehmen haben etwas davon, wenn ein starker Staat handelt. Das ist die eigentliche Botschaft der Erfolge der letzten drei Jahre.

Auch bei den Maßnahmen, die durchgeführt wurden, gibt es für uns zwei Ansatzpunkte, wie wir sie bewerten können. Einerseits muss man betrachten, wie hoch die Anfangsinvestitionen sind und welche Branche besonders gefördert wird. Andererseits müssen wir aber auch darauf achten, dass die Pro

jekte auch mittel- und langfristig wirken. 10 Milliarden € wurden investiert und mussten dann noch zu 25 % kofinanziert werden. Das ist eine riesige Summe. Dass diese Summe aber so schnell eingesetzt werden konnte und auch so schnell in die konjunkturelle Entwicklung einfließen konnte, hat mit Sicherheit etwas damit zu tun, dass man vorwiegend in bauliche Maßnahmen investiert hat. Man hätte es auch anders machen können, aber gerade hier war es möglich, schnell Arbeitsplätze zu generieren. Der erwünschte Effekt war also schnell da, und darüber hinaus waren die Investitionen bei den Krankenhäusern, im Städtebau und in der ländlichen Infrastruktur schon geplant und flächendeckend notwendig. Kurzfristig wirkte sich also alles in der gesamten Fläche des Landes aus und nicht etwa nur an bestimmten Schwerpunkten. Nach unserer Auffassung war das genau der richtige Ansatz.

Gleiches gilt aber auch für die zweite Fragestellung, der nach der Nachhaltigkeit. Wenn wir uns die Bildungsinvestitionen ansehen, dann kann man sagen, dass auch hier zu einem großen Teil nachhaltig gearbeitet wurde. Statt blind auf Aus- und Erweiterungsbauten von Schulen und Hochschulen zu setzen, hat man bewusst einen Schwerpunkt auf die energetische Sanierung der Gebäude gelegt. Die Einsparungen, die dadurch mittel- und langfristig wirken werden, werden in Zukunft quasi als weiteres Konjunkturprogramm auch für die Bildung wirken. Aus diesen Einsparungen heraus lassen sich nämlich dann auch in Zukunft sehr individuelle Bildungsleistungen an den Schulen und Hochschulen finanzieren. Es ist eine Aufgabe sowohl des Landes als auch der Kommunen, dieses eingesparte Geld dann auch wirklich in Bildungsmaßnahmen zu investieren. Da gibt es auch für die Zukunft noch große Chancen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Vom Grundsatz der Nachhaltigkeit ist man nur ein wenig bei den Kindertagesstätten abgewichen. Diese hat man ausgebaut, ohne an die darauf folgenden Betriebskosten zu denken. Hintergrund ist natürlich der Platzmangel, der nun einmal in diesem Bereich wirkt. Es wird daher unsere Aufgabe gemeinsam mit den Kommunen sein, auch hier noch nachträglich für Nachhaltigkeit zu sorgen. Wenn man dann noch überlegt, auf welche Weise die Landesregierung die 10 Millionen € in die Kindestagesstätten einzuspeisen versucht hat, was dann nicht geglückt ist, dann, glaube ich, müssen wir da

(Lars Harms)

bessere Instrumente finden. Aber vielleicht wird das nach dem 6. Mai möglich sein.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Alles in allem, meine Damen und Herren, waren die konjunkturbelebenden Maßnahmen der letzten Jahre überwiegend ein Erfolg. Das gilt insbesondere für die vielen investiven Maßnahmen in der Fläche. Deshalb betone ich noch einmal: Staatliche Konjunkturprogramme sind kein sozialistisches Teufelswerk, sondern in Krisen ein wichtiges Mittel, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten und unsere Unternehmen zu stärken. Das hat hier geklappt, und das sollten wir auch in Zukunft so handhaben.

(Beifall bei SSW und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.