Protocol of the Session on January 25, 2012

(Anke Spoorendonk [SSW]: Nein, für einen Dreiminutenbeitrag!)

- Dann erteile ich der Frau Kollegin Spoorendonk das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

(Jürgen Weber)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abstimmung in der Sache werden wir dann auch machen. Dann wird deutlich, wohin die Reise mit den beiden Anträgen geht.

Weil in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses vonseiten der Staatssekretärin der Eindruck erweckt worden ist, als gäbe es nur Beratung, Therapie und Aufgaben, die vonseiten der Sektion Sexualmedizin erledigt würden, möchte ich noch einmal klarstellen: Wir reden hier - da bin ich völlig bei dem Kollegen Weber - über Forschung und Lehre. Das heißt, wenn in dem Antrag von CDU und FDP gesagt wird, es müsse eine Fortführung der bisherigen Aufgaben der Sektion für Sexualmedizin gewährleistet werden, dann muss es heißen „Forschung und Lehre“. Es kann nicht darum gehen, welche Beratung jetzt durchgeführt wird, ob das wirtschaftlich ist oder nicht, ob man sich an Ausschreibungen beteiligen kann oder nicht. Das hatte im Bildungsausschuss einen völlig falschen Zungenschlag. Darum sage ich noch einmal: Der Antrag von CDU und FDP ist in der Sache nicht zielführend.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Jost de Jager, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde gern, Frau Abgeordnete Spoorendonk, deutlich machen, warum der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zielführend ist, indem ich mich mit dem Antrag der SPD-Fraktion auseinandersetze. Zu den beiden Punkten des SPD-Antrags nehme ich wie folgt Stellung:

Erstens. Ja, die Sexualmedizin am UKSH wird erhalten. Das gilt für die Bereiche und Aufgabenwahrnehmungen in Lehre, Forschung, Patientenversorgung und Opferschutz. Das UKSH beabsichtigt auch nicht, wie unterstellt werden kann, das Projekt Dunkelfeld nicht weiterzuführen, dort auszusteigen. Sexualstraftäter und in dieser Hinsicht gefährdete Personen werden weiterhin begutachtet und behandelt.

Zweitens. An der Perspektive für einen dauerhaften Fortbestand der Einrichtung wird gerade gearbeitet.

Zu diesem Zweck prüft das UKSH, die Sexualmedizin aus der Urologie herauszunehmen und in das Zentrum für Integrative Psychiatrie einzugliedern.

Für diese Überlegungen gibt es zwei nachvollziehbare Gründe. Der eine ist fachlicher Art und besteht darin, dass es auch für Außenseiter nicht unlogisch ist, den Bereich aus der Urologie in die Psychiatrie zu übertragen. Insofern ist das eine Verlagerung der Aufgabe, die zunächst einmal aus fachlicher Sicht und aus meiner Sicht nicht unplausibel ist. Insofern gibt es gute Gründe, dies weiter zu verfolgen.

Der andere Grund ist betriebswirtschaftlicher Natur. Die relativ kleine Einheit erwirtschaftet - das ist in einer der Reden schon gesagt worden - seit Längerem Defizite von rund 150.000 € im Jahr. Im Zentrum für Integrative Psychiatrie, das übrigens über eine große wissenschaftliche und kurative Reputation verfügt, bestehen bessere Abrechungsmöglichkeiten für sexualmedizinische Leistungen, sodass gerade hier die gewünschte Zukunftsperspektive liegen könnte. Im Übrigen weiß jeder, der sich genauer mit der Sachlage beschäftigt hat, dass schon jetzt auch am Zentrum für Integrative Psychiatrie sexualtherapeutische Maßnahmen in großem Umfang durchgeführt werden.

Ich warne ein bisschen davor - deshalb bedaure ich, dass die Ausschussberatung nicht zustande kommt -, dass durch den Antrag - deshalb auch die Unruhe eben - ein bisschen der Eindruck erweckt wird, dass die Wahrnehmung dieser Aufgabe allein an der organisatorischen Anbindung einer einzigen Person liegt. Sie sollten sich deshalb sehr genau überlegen, ob Sie die Aufgabenwahrnehmung daran festmachen. Ich würde mich jetzt hier auch nicht öffentlich hinstellen wollen - insofern sollte man das eher in einer nicht öffentlichen Ausschusssitzung machen -, sondern sagen, dass man sehr genau darüber reden muss, welche Aufgaben im Hauptamt wahrgenommen und durch das UKSH abgerechnet werden können und welche Aufgaben vielleicht in der gegenwärtigen organisatorischen Verfassung im Nebenamt wahrgenommen werden und nicht in die Kostenrechnung des UKSH einfließen.

Insofern gibt es eine Reihe von Fragestellungen, die dabei zu betrachten sind. Die Unterstellung, dass eine organisatorische Verlagerung dieser Aufgabe dazu führen würde, dass die Aufgaben in der Forschung, Lehre und Patientenbetreuung sowie Opferschutz nicht weiter wahrgenommen und aufs Spiel gesetzt würden, weise ich sowohl für das UKSH wie für die Landesregierung zurück.

(Beifall bei der CDU)

Eine Entscheidung über die organisatorische Veränderung ist bislang nicht gefallen. Ein Vorschlag des Vorstands müsste mit der Universität abgestimmt und dann dem Aufsichtsrat vorgelegt werden. Dort würden die Vertreter der Landesregierung nach zwei Gesichtspunkten entscheiden. Der eine ist das Interesse der Allgemeinheit, Prävention und Therapie im Bereich der Sexualstraftaten. Der andere Gesichtspunkt ist unsere Entschlossenheit, die Sanierung des UKSH zu vervollständigen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen. Ich schlage vor, abweichend von § 75 der Geschäftsordnung des Landtags den vorliegenden Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP in der Drucksache 17/2206 zu einem selbstständigen Antrag zu erklären. - Widerspruch sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren und in die alternative Abstimmung eintreten.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW in der Drucksache 17/2155 (neu) abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW. - Wer stimmt dagegen? - Das sind die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP.

(Zuruf: Alternativ!)

- Okay, dann steigen wir noch einmal in die Abstimmung ein. Ich lasse also abstimmen zunächst über den eben aufgerufenen Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW in der Drucksache 17/2155 (neu). Bis hierhin ist alles richtig. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW.

Dann frage ich, wer dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP in der Drucksache 17/2206 zustimmen möchte. Ich bitte um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU und FDP. - Damit stelle ich fest, dass der Antrag in der Drucksache 17/2206 die Mehrheit des Hauses gefunden hat und beschlossen worden ist.

Meine Damen und Herren, damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 b und 31 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung wirksam senken

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2065

Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2204

b) Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung wirksam kontrollieren und drastisch reduzieren!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2163

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Lothar Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:

„Glaubt wirklich irgendjemand, dass es möglich ist, mehr als 20 Hühner auf einem Quadratmeter Beton zusammenzupferchen und ihnen dabei in den 32 Tagen ihrer Existenz bis zur Schlachtreife auch nur halbwegs akzeptable Lebensbedingungen zu bieten? Dass es gesunde Vertreter einer Spezies geben kann, deren Muskelmasse so schnell zunimmt, dass das Knochengerüst mit seinem Wachstum nicht hinterherkommt? Dass man zwei Drittel aller überhaupt verwendeten Antibiotika in die Fleischproduktion stecken kann, ohne dass ein nennenswerter Teil davon irgendwann in der Umwelt oder beim Menschen ankommt?

Wahrscheinlich glaubt das kaum jemand, weshalb ‚Lebensmittelskandalen’ wie der jüngsten Aufregung um resistente Krankheitserreger im Geflügelfleisch etwas Seltsa

(Minister Jost de Jager)

mes anhaftet. Hier werden ja keine illegalen Praktiken beleuchtet, sondern nur einzelne Facetten aus dem wohlbekannten Normalvollzug der Fleischproduktion. Und infrage gestellt wird nicht dieser Normalvollzug selbst, sondern die seltsame Lebenskunst, die darin besteht, zwischen den hinreichend bekannten Verhältnissen in den Tierfabriken einerseits und dem Hähnchen aus irgendeiner Kantine andererseits keinerlei Zusammenhang zu erkennen - jedenfalls nicht in der halben Stunde, die es braucht, eine solche Mahlzeit zu verzehren.“

Das war ein Zitat aus „ZEIT ONLINE“ vom 12. Januar 2012.

Neu sind die Erkenntnisse der letzten Wochen und Monate aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, was den Antibiotika-Einsatz betrifft, nicht. Schon 2010 wurde aufgrund von NDR-Berichten bekannt, dass Masthähnchen in vielen Fällen rund zwei Drittel ihrer Lebenszeit - 32 bis 35 Tage - Antibiotika bekommen und dass der Arzneimitteleinsatz in der Hühnermast auf über 2,3 Behandlungen pro Mastdurchgang gestiegen ist.

Im Dezember 2010 stellte ich eine Kleine Anfrage zum Einsatz von Antibiotika in der Hähnchenmast. Da sich in Niedersachsen mehr als 50 % der Hähnchenmastbetriebe befinden, wollte ich von der Landesregierung wissen, welcher Trend für Schleswig-Holstein zu erwarten sei. Die Antwort lautete: In Schleswig-Holstein ist die Bedeutung der Masthähnchen im Gegensatz zu Niedersachsen relativ gering. Es ist aber nicht auszuschließen, dass dieser Bereich in Zukunft wachsen wird. Diese Erkenntnis hat die Landesregierung im August letzten Jahres während einer Ausschusssitzung dem Umwelt- und Agrarausschuss mitgeteilt. Wir hatten nämlich im Jahr 2011 bis zum August rund 620.000 neue Mastplätze. Das war im Vergleich zu den Vorjahren eine Steigerung um das Sechsfache.

Im niedersächsischen Wietze ist Europas größte Geflügelschlachterei errichtet worden. Dort werden am Tag 384.000 Hähnchen geschlachtet. Im Jahr sind das 119.808.000 Hähnchen. Im kritischen Agrarbericht 2012, herausgegeben vom Agrarbündnis und gerade auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt, ist zu lesen, dass bundesweit Mastanlagen für 36 Millionen Hähnchen beantragt sind; bei einer Nachfrage der deutschen Verbraucher von gerade einmal 3,2 Millionen.

Dr. Hermann Focke, Tierarzt und lange Zeit Leiter des Veterinäramts im Landkreis Cloppenburg, hat

in einem Interview mit der Zeitschrift „GEO“ vom 18. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass es seit dem 1. Januar 2006 EU-weit verboten ist, Antibiotika als Mastbeschleuniger einzusetzen. Trotzdem ist der Absatz von Veterinärantibiotika nicht zurückgegangen. Im Gegenteil, 2006 gab es eine Steigerung um 7 % und 2007 um 9,2 %. Nach den Erkenntnissen von Dr. Focke wird die für eine Heilbehandlung von fünf Tagen vorgegebene Antibiotikamenge auf 15 Tage gestreckt, nur um die Mastergebnisse zu verbessern. Durch die länger andauernde Verabreichung subtherapeutischer Dosen überleben die vitalsten der bakteriellen Keime und bilden auf Dauer Resistenzen gegen die verabreichten Medikamente.

Wenn diese Erkenntnisse zusammengefasst werden, dann ist es bei der Massentierhaltung und der Resistenzentwicklung nicht mehr fünf vor zwölf, sondern deutlich nach zwölf.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Was ist zu tun? - Der Antibiotika-Einsatz muss drastisch gesenkt werden. Für Kontrollen sind die Länder zuständig. Mehr Kontrollen sind nur mit mehr Personal möglich. Verschreibung und Verkauf von Antibiotika im Bereich der Tiermedizin müssen getrennt werden, und um eines werden wir nicht herumkommen: Die Bedingungen für das Halten von Geflügel müssen verändert werden. Oder anders gesagt: Wer weniger Antibiotika in der Tierhaltung will, der muss eine andere Tierhaltung wollen:

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Weniger Tiere pro Quadratmeter, Rassen, die langsamer wachsen, dafür aber robuster sind. Wenig hilfreich sind hier im Augenblick die Vorschläge der Bundesministerin. Das ist blinder und kurzfristiger Aktionismus.

(Glocke des Präsidenten)