Protocol of the Session on December 16, 2011

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Regina Poersch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Wir streben eine tiefgreifende Reform der Verwaltungsstrukturen in Schleswig-Holstein an, um finanzielle Mittel nicht unnötig durch bürokratische Verfahren zu verschwenden, sondern um daraus sinnvolle Maßnahmen, wie zum Beispiel die Verbesserung der Kinderbetreuung, zu finanzieren. Wir streben eine konsequente Verwaltungsstrukturreform an, bei der die größtmöglichen Einsparpotenziale realisiert werden sollen...

Um die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen und um Doppelarbeit zu vermeiden, streben wir eine weitgehende Übertragung von Landesaufgaben auf die kommunale Ebene - bei vollem Kostenersatz - an. Auf diesem Weg kann die Verwaltung noch bürgernäher werden.“

Das ist SPD-Programmatik.

Nun auf dem Tisch und dementsprechend aus unserer Sicht daran zu messen: der Gesetzentwurf zur Änderung landesplanungsrechtlicher Vorschriften.

(Petra Nicolaisen)

Die Frage für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist: Ist die Landesplanung ein geeignetes Beispiel für die Reform von Verwaltungsstrukturen in Schleswig-Holstein? Erhöhen wir die Leistungsfähigkeit von Landesplanung, indem wir ihre Aufgabe auf die Kommunen übertragen?

Zum Stichwort Bürgerfreundlichkeit: Eignet sich die Landesplanung als Beispiel für verbesserte Bürgerfreundlichkeit durch eine Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene?

(Minister Klaus Schlie: Ja!)

Ich meine nein. Denn der Bürgerin und dem Bürger ist es schlicht egal, wer den Job der Landesplanung macht. Da gibt es wirklich geeignetere Bereiche der Verwaltung zum Thema Bürgerfreundlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Und letztendlich werden mit der Übertragung der Landesplanung auf die kommunale Ebene keine Doppelstrukturen abgebaut. Im Gegenteil, die bisher von uns allen hoch geschätzte Arbeit der Fachleute in der Abteilung Landesplanung wird mal eben mit fünf multipliziert. Es entsteht der fünffache Aufwand, und die durch die Konnexität entstehenden erheblichen Mehrkosten werden einfach durchgewinkt. Es ist schon wirklich erstaunlich für eine Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, die alle sinnvollen Maßnahmen - ohne Mehrkosten für den Haushalt - wie zum Beispiel eine eigenständige Landesnetzagentur zum Wohle der Stadtwerke blind und unter Verweis auf die Kosten ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Neben der angestrebten Kommunalisierung der Regionalplanung beinhaltet der Gesetzentwurf eine Anpassung an die neuen Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. In der Folge werden einige Inhalte des bisherigen Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes übernommen, das dann im Übrigen entfallen soll. Ich bin der Meinung, auch darüber müssen wir im Ausschuss noch einmal gründlich reden.

Ich gebe zu - muss ich auch; Frau Kollegin Nicolaisen hat darauf hingewiesen -, auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben in der Vergangenheit immer wieder unter verschiedenen Blickwinkeln darüber diskutiert, ob diese Art der Aufgabenübertragung ein sinnvoller Weg ist. Nur so, wie die Regierung ihn jetzt plant, ist das mit uns nicht zu machen. Es ist schon ganz erstaunlich, Herr Minister, wie Sie mit einem drögen Gesetzentwurf wie dem Entwurf eines Gesetzes zur Ände

rung landesplanungsrechtlicher Vorschriften so ziemlich alle in der kommunalen Familie - mit Ausnahme des Landkreistages, was bei dieser Gesetzesausgestaltung niemanden überraschen kann - gegen sich aufbringen.

(Beifall des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mahnende Worte und warnende Stimmen prallen an Ihnen ab.

Ihr Gesetzentwurf hat nur einen einzigen Effekt: Er spielt Kreise und Städte gegeneinander aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Minister Klaus Schlie: Nein!)

Er spielt diejenigen gegeneinander aus, die eigentlich dringend zusammenarbeiten müssten, um unser Land in Kreisen und Städten nachhaltig zu entwickeln. Ich prophezeie Ihnen: Bald schon werden sich Kreise, kreisangehörige Kommunen und kreisfreie Städte gegenseitig nicht mehr über den Weg trauen. Der kreisangehörige Bereich wird Entwicklungspotenziale, die es geben mag, unter sich ausmachen und die Städte verhungern lassen. Das wiederum führt zu einem unerträglichen Ungleichgewicht, nämlich zwischen denen, bei denen sich die einkommensteuerstarken Menschen niederlassen, und denen, die eine für die Menschen ihrer Stadt und eben auch das Umland teure Infrastruktur vorhalten dürfen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Konflikte, die es heute bereits gibt, sollten wir nicht noch per Gesetz verschärfen. Nicht unproblematisch ist aus Sicht meiner Fraktion in diesem Zusammenhang die zukünftige Genehmigung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen durch die Kreise oder die neue Planungsebene. Ich bin auch der Meinung, wenn wir in die Ausschussberatung gehen, dass die heute bestehenden fünf Planungsräume nicht in Stein gemeißelt bleiben sollten.

Ich will der Ausschussberatung und einer wirklich intensiven Anhörung, die wir machen müssen, nicht vorgreifen. Aber nach unseren bisherigen Gesprächen in dieser Sache mit den Städten und Kommunen erscheint es uns sinnvoll, die Landesplanung in der ausgleichenden Hand des Landes zu belassen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das hat mit sozialistischer Planwirtschaft nichts zu tun. Herr Minister, Kollegin Nicolaisen, wir haben

(Regina Poersch)

da deutlich mehr Zutrauen in die Landesplanungsbehörden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Günther Hildebrand.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Gesetzentwurf zur Änderung landesplanungsrechtlicher Vorschriften wird endlich die Kommunalisierung der Regionalplanung geregelt, also die Aufstellung und der Vollzug der Regionalpläne als Aufgabe in kommunaler Verantwortung anstatt wie bisher als Aufgabe der Landesplanung oder der Landesregierung.

(Beifall bei der FDP)

Wir alle wissen: Ein Regionalplan setzt die landesplanerischen Ziele um und konkretisiert diese. Er legt vor der nachgeordneten Bauleitplanung, also vor der Verabschiedung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, für den jeweiligen regionalen Planungsraum fest, welche Flächen künftig wie genutzt werden sollen. Insofern ist es für uns als FDPFraktion auch so wichtig, dass die Regionalpläne nunmehr vor Ort beschlossen und eben nicht vom Ministerium erlassen werden.

Meine Damen und Herren, wir gehen mit diesem Gesetz einen weiteren Schritt in Richtung der Verlagerung von Landesaufgaben auf die kommunalen Ebene, die dadurch einen breiteren Gestaltungsspielraum zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ihrer Entwicklungsperspektiven erhält. Dieser Entwurf berücksichtigt ausgewogen das Interesse der Kommunen und überträgt die Verantwortung vom Ministerium auf die Kommunen der fünf bestehenden Planungsräume. Dies ist seit Jahren die kommunalpolitische Programmatik unserer Fraktion.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in Vorbereitung dieses Gesetzes andere Möglichkeiten und Modelle der Regionalplanung genauestens angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass es unbedingt Ziel sein muss, eine Verfünfzehnfachung der momentan noch beim Innenministerium angesiedelten Aufgabe zu vermeiden.

(Beifall bei der FDP)

Die ebenfalls von Kommunalpolitikern diskutierte Lösung über regionale Planungsverbände haben wir von Anfang an abgelehnt, da uns das Verfahren sehr bürokratisch und wenig effektiv erschien. Auch stellte sich für uns die Frage nach der demokratischen Legitimation dieser regionalen Planungsverbände angesichts der Bedeutung der wahrzunehmenden Aufgaben.

Der größte Vorteil der Regionalplanung über einen öffentlich-rechtlichen Vertrag liegt auf der Hand. Es muss keine zusätzliche Planungsebene geschaffen werden. Die Nutzung der vorhandenen Ressourcen ist als geradezu vorbildlich anzusehen. Durch das Gesetz verpflichtet sich das Land nach dem Konnexitätsgrundsatz, die durch die Kommunalisierung von Landesaufgaben entstehenden Mehrbelastungen der Kommunen auszugleichen. Eine entsprechende Bestimmung ist in dem Gesetzentwurf enthalten. Diesen Konnexitätsmitteln stehen jedoch auf Dauer auch Einsparungen von Sach- und Personalmitteln im Landeshaushalt gegenüber.

Vor dem Hindergrund, dass bei der Erstellung von Regionalplänen und der Festsetzung von Zielen mit Bindungswirkung - unter anderem für die Gemeinden recht gewichtig - in die gemeindliche Planungshoheit eingegriffen wird, bedurfte es zwingend einer gesetzlichen Ermächtigung und demokratisch legitimierten Organisationseinheiten, um auch den hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Dem wird meines Erachtens jetzt durch die vorgesehene Bündelung der Planaufstellung bei einem Träger je Planungsraum ausreichend Rechnung getragen, da der jeweilige Träger den Regionalplan nur dann als Satzung verabschieden kann, wenn alle Kreistage beziehungsweise Stadtvertretungen der kreisfreien Städte zugestimmt haben.

Auch die rechtzeitige und intensive institutionalisierte Beteiligung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden ist bereits während der Erarbeitungsphase der Regionalplanentwürfe über die formelle Verfahrensbeteiligung sichergestellt. Das war uns sehr wichtig. Denn Entscheidungen sollen vor Ort eigenverantwortlich diskutiert, getroffen und umgesetzt werden. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass für Sitzungen des regionalen Planungsbeirates die Kieler Sparkassenarena angemietet werden muss, um Entscheidungen zu treffen, bei denen alle Gemeinden zu Wort kommen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben ja in einigen Planungsräumen einige Hundert Gemeinden beziehungsweise Städte. Es ist

(Regina Poersch)

sicher nicht sehr effektiv, in so großen Gremien zu arbeiten. Berücksichtigung der Interessen der Gemeinden und Transparenz der Entscheidungen: ja, unbedingt; künstliche Aufblähung der beteiligten Gremien: nein.

Mit dem Gesetzentwurf gelingt eine effektive Bündelung der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben. Folgerichtig wird es auch bei den jetzt vorgesehenen fünf Planungsräumen bleiben. Durch die vorgesehene Lösung wird die größtmögliche Effizienz erzielt. Das vorgeschlagene Modell zur Regionalplanung wird so bundesweit erstmals in SchleswigHolstein eingeführt werden. Es handelt sich jedoch bei dieser Lösung nicht um einen Alleingang von uns, sondern um das mittlerweile favorisierte Modell in vielen anderen Bundesländern. Die Kommunalisierung der Regionalplanung ist in vielen Bundesländern politischer Wille, bei uns demnächst Gesetz. Ich freue mich darüber, dass uns dies noch in dieser Legislaturperiode gelingen wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich ihrem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, die neuralgischen Punkte sind auch von Ihnen noch einmal kritisch angesprochen worden: Transparenz, Effizienz, Demokratie. Wir kommen bei allen drei Punkten zu abweichenden Auffassungen. Das will ich kurz begründen.

In der Rhetorik kann zunächst niemand etwas dagegen haben, Probleme da zu lösen, wo sie entstehen, den Kommunen Handlungsspielräume zu geben, Vertrauen in die Mündigkeit kommunaler Selbstverwaltung zu legen - wer wollte da widersprechen, das klingt alles sehr gut. Allerdings löst das Gesetz in der Praxis diese Versprechen nicht ein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Regina Poersch [SPD])