Wir fordern für Essstörungen und Suchterkrankungen Leitlinien für Schleswig Holstein. Essstörungen sind nicht nur ein individuelles Problem, sie sind ein gesellschaftliches Problem.
Schönheitsideale, sexualisierte Werbung, Magermodells, Modenschauen und Magazine diktieren uns, wie wir auszusehen haben. Es ist schwer, sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Die Auswirkungen sind ein klarer Handlungsauftrag an die Gesundheitspolitik. Wir brauchen Aufklärung und Information, Prävention und Fortbildung, Beratung und Begleitung, Therapie und Behandlung. Das ist keine Kleinigkeit, aber sonst werden wir die anstehende Entwicklung nicht stoppen können.
Für uns Grüne steht fest: Wir dürfen betroffene Frauen und Mädchen und ihre Familien nicht alleinlassen. Deswegen wollen wir diese Leitlinien als neue Grundlage für die Behandlung von Essstörungen und Suchterkrankungen in Schleswig-Holstein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Land fördert über den Sozialvertrag II die offenen Hilfen in der dezentralen Psychiatrie und die ambulante Suchthilfe. Beide gehören zum Fundament einer niedrigschwelligen ambulanten Behandlung von Suchterkrankungen. Beim Stichwort freiwillige Leistungen, liebe Kollegin Klahn, kann ich nur sagen: Wer die Hand durch kurzfristige Sparmanöver an das Fundament legt, darf sich nicht wundern, wenn das ganze Haus der Behandlung von Suchterkrankungen in Schleswig-Holstein irgendwann einmal zusammenbricht.
Ich frage mich, ob diejenigen von Ihnen, die so gern nach Sylt fahren und sich mit dem Glücksspiel beschäftigen, sich auch einmal mit dem Suchtpotenzial des Glücksspiels auseinandergesetzt haben. Für diese Suchterkrankung gilt im Übrigen das, was für alle Suchterkrankungen gilt: Sie gehen quer durch alle Gesellschaftsschichten. Vorurteile helfen hier nicht weiter. Wir Grüne wollen den Dialog mit der Fachwelt und neue Leitlinien.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich entschlossen, den Sozialvertrag II aufzulösen und stattdessen die Mittel für die ambulante Suchtberatung und die dezentrale Psychiatrie zu kommunalisieren. Wir Linken lehnen dies ab.
Die konkreten Auswirkungen auf die Suchthilfelandschaft in Schleswig-Holstein werden wir erst im Laufe des Jahres 2012 zu sehen bekommen. Aber es gehört nicht viel Fantasie zu der einfachen Prognose, die Landesregierung hat das Porzellan mit ihren Haushaltsbeschlüssen längst zerschlagen, so richtig scheppern wird es erst nach dem Jahreswechsel.
Die Kommunalisierung der Landesmittel für die ambulante Suchtberatung wird zwangsläufig zu einer Phase der Verunsicherung bei den Betroffenen führen. Eine Rolle spielt, dass mit der Kommunalisierung bewusst eine Einflussmöglichkeit über Zielvereinbarungen des Landes aufgegeben wird. Deshalb ist der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD heute der richtige Antrag, weil hier Leitlinien formuliert werden müssen.
Hinzu kommt, dass mit der Kommunalisierung die Planungssicherheit der Träger bewusst und zielgerichtet zerstört wird. Anständige Arbeit in der Suchthilfe benötigt Kontinuität auf allen Ebenen, Kontinuität sowohl in der Konzeption als auch in der Durchführung, und nicht zuletzt Arbeitsplatzsicherheit der Menschen, die die Arbeit der Beratungs- und Therapieeinrichtungen machen.
Wir werden uns nach der Unruhe und Umstellungsphase der Kommunalisierung in einer anderen Suchthilfelandschaft wiederfinden, und das ohne Not. Herr Minister Dr. Garg, als wir hier im August zuletzt über die Umsetzung der Kommunalisierung diskutiert haben, ist ein klarer Unterschied der Auffassungen deutlich geworden. Sie stehlen sich nach unserer Meinung aus der Steuerungsverantwortung der Landesregierung für eine flächendeckende, gut erreichbare Suchtkrankenhilfe. Leider ist der Schaden, den Sie anrichten, indem Sie die Verteilung der Mittel aus dem Sozialvertrag zu den Kommunen schieben, auch deshalb größer, weil diese Kommunalisierung keine isolierte Maßnahme ist.
Frau Kollegin Klahn, auch die Kommunen haben kein Geld, das wissen Sie, sondern hohe Schulden. Es sind nicht, wie Sie sagen, freiwillige Leistungen,
aber die Kommunen werden als Erstes nicht das Geld ausgeben, wie sie es vorher ausgegeben haben. Da sehen wir die große Gefahr, dass die Suchthilfe letztendlich Opfer der Finanzen wird. Die Kommunen werden sich überlegen, ob sie zwei oder drei Beratungsstellen brauchen oder ob es nicht nur eine ist, und alles irgendwie zusammenfassen. Da gibt es einen Unterschied. Wir sind der Meinung, dass die Kommunen wegen ihrer finanziellen Situation nicht große Gestaltungsmöglichkeiten haben, nein, sie werden da den Sparfinger hineinlegen.
Der Landtag hat im Oktober 2004 Schwerpunkte der schleswig-holsteinischen Sucht- und Drogenberatung beschlossen. Die Kernaussagen waren dabei erstens, dass Sucht eine behandlungsbedürftige Krankheit ist, und dass zweitens Suchtprävention und Antidrogenpolitik am Suchtverhalten ansetzen müssen.
An der Richtigkeit dieser Aussage ist nicht zu rütteln. Wir müssen uns wohl kaum darüber streiten, dass Suchtverhalten ein soziales Problem ist, auch wenn wir ihre Erscheinungsform und tragischen Folgen als individuell wahrnehmen. DIE LINKE will eine liberale und aufgeklärte Drogenpolitik. Drogen sind eine Alltagserscheinung. Die Unterscheidung in legale und illegalisierte Substanzen ist willkürlich. Drogen und deren Missbrauch führen zu schweren gesundheitlichen, sozialen und materiellen Problemen. Wir treten daher für eine rationale und humane Drogenpolitik ein, was eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums beinhaltet.
Das bedeutet vor allem die Entkriminalisierung der Abhängigen und die Organisierung von Hilfen und einer legalen und kontrollierten Abgabe von Drogen.
Wir wollen eine Gesellschaft, die nicht auf Strafe und Repression gegen Drogenkonsumenten setzt, sondern die mit Prävention und Aufklärung dem Drogenmissbrauch vorbeugt.
DIE LINKE findet es richtig und notwendig, die Sucht- und Drogenpolitik in Schleswig-Holstein weiterzuentwickeln. Suchtverhalten und Suchterscheinungen unterliegen Veränderungen, auf die die Politik reagieren muss.
zu entwickeln. CDU und FDP wollen mit ihrem Änderungsantrag feststellen lassen, dass mit der Kommunalisierung des Sozialvertrags II alles auf dem besten Wege sei und dass die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände gemeinsam Grundsätze für Suchthilfe und Suchtprävention entwickeln.
Hier fehlt die Einbeziehung der Fachkompetenz der Suchthilfeverbände, meine Damen und Herren. Wir meinen, es ist keineswegs auf dem besten Wege, insbesondere dann nicht, wenn die Landesregierung mit ihrer Glücksspielgesetzgebung das Land zu einem Zockerparadies macht. Wir erleben gerade, wie die Wettbranche ihre Logos und ihre Werbung bei den Profisportvereinen unterbringt. Das ist das Gegenteil von sinnvoller Suchthilfepolitik und macht deutlich, wie wichtig es ist, die Schwerpunktsetzung bei der Drogen- und Suchtpolitik neu zu diskutieren und festzulegen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für den SSW sind Suchthilfe und Suchtprävention unverzichtbare Bestandteile der sozialen Infrastruktur. Nach unserer Auffassung hat das Land die Pflicht, eine flächendeckende Versorgung der Suchtkranken in Schleswig-Holstein sicherzustellen und die Präventionsarbeit zu stützen. Dies gilt heute genauso wie für die Zukunft. Für uns ist klar, dass es nicht von der Finanzsituation des Landes oder der Kommunen abhängen darf, ob diese wichtige Aufgabe erfüllt wird oder nicht.
Doch leider ist offensichtlich genau das der Fall. Schon 2003 sind die Landesmittel um 20 % gekürzt worden. Wie wir alle wissen, sind mit dem aktuellen Doppelhaushalt weitere Kürzungen in den Sozialverträgen vorgenommen werden. Mit dieser Entscheidung von CDU und FDP sind auch für die Suchtarbeit in Schleswig-Holstein weitere Einschnitte verbunden.
Die Sozialverbände warnen davor, dass sich das Land endgültig vom Ziel einer professionell gleichwertigen Versorgung in ganz Schleswig-Holstein verabschiedet. Eines muss dabei deutlich gesagt
werden: Dies alles passiert in einer Zeit, in der sich an den Suchtproblemen im Land nichts Gravierendes ändert. Uns ist klar: Eine Entwicklung, in der sich das Land immer weiter aus seiner Verantwortung für Hilfebedürftige zurückzieht, können wir nicht akzeptieren. Wir brauchen ein möglichst niedrigschwelliges, flächendeckendes und professionelles Präventions- und Suchthilfeangebot.
Dieses Hilfesystem muss dauerhaft sichergestellt sein. Hierzu gibt es keine Alternative. Doch leider erscheint eine solche Versorgung aller Bürger im Land vor dem Hintergrund der Kürzungen fraglich.
Auch daran, ob uns die Daseinsvorsorge in diesem Bereich durch eine Kommunalisierung der Suchthilfe gelingt, hat der SSW Zweifel. In einer Kommunalisierung mögen zwar Chancen für ein wirksameres und bedarfsnäheres Hilfesystem liegen. Doch mit ihr droht auch die Situation, dass die Kommunen mit diesen wichtigen Aufgaben alleingelassen werden. Weil aber auch ihre finanzielle Situation oft schwierig ist, werden die freiwilligen Leistungen unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.
Auch daran, ob die Mittel des Landes ohne Leitlinien und Qualitätsstandards zur Verbesserung der Suchthilfe in der Fläche beitragen, haben wir Zweifel. Wir befürchten, dass in Zukunft in manchen Gemeinden wichtige Angebote wegfallen werden.
Aus diesen Gründen kann sich der SSW der Forderung von SPD und Grünen nach Leitlinien für eine landesweite Suchthilfe und Suchtprävention anschließen.
Schon heute führen die fehlenden Qualitätsstandards und die unterschiedlichen Finanzsituationen in den Kommunen dazu, dass es vom Wohnort der Betroffenen abhängt, ob und wie ihnen bei einem Suchtproblem geholfen wird. Es kann doch nicht angehen, dass sich in Zukunft womöglich nur die Kommunen mit einem soliden Haushalt eine ambulante Suchtberatung leisten können, während dieses Angebot anderswo wegfällt. Eine solche Situation ist ganz einfach nicht hinnehmbar.
Auch unter den Bedingungen einer weiteren Kommunalisierung muss klar sein, dass das Land eine politische Mitverantwortung für die Suchthilfe hat.
Natürlich sind die geforderten Leitlinien wichtig, um im ganzen Land einheitliche Standards zu erreichen und damit auch die zweckgebundene Verwendung der Landesmittel sicherzustellen. Ohne Zweifel müssen bei der Erarbeitung die Suchthilfeverbände, die Landesstelle für Suchtfragen und die kommunalen Landesverbände beteiligt werden. Auch wir denken, dass diese Gelegenheit genutzt werden muss, um die Schwerpunkte der Sucht- und Drogenpolitik zu aktualisieren, denn allein durch die Liberalisierung des Glücksspielgesetzes wird die Suchthilfe vor neue große Herausforderungen gestellt.