Protocol of the Session on December 14, 2011

Auch das vermisse ich in Ihrer Ansicht.

Frau Rathje-Hoffmann, zweitens bleibe ich bei meiner Auffassung: Wenn Sie sich mit den Wirkungen beschäftigen, und zwar auf der Vernunftsebene, dann werden Sie feststellen, dass unser Vorschlag an dieser Stelle genau der richtige ist.

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Callsen?

Herzlich gern. Auch die Frage beantworte ich noch. Zu diesem Thema immer wieder gern.

Herr Kollege Dr. Tietze, habe ich Sie richtig verstanden um Sie zu zitieren -, dass Sie die ökonomischen Wirkungen höher werten als das, was wir als Werte in den Familien verstehen?

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat er gar nicht gesagt!)

- Herr Callsen, es ist schon abenteuerlich, wie Sie versuchen, mit Unterstellungen ein falsches politisches Gesetz zu konstruieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich kann Ihnen nur empfehlen, lieber Herr Callsen: Schauen Sie in Ihre eigene Partei! Gehen Sie einmal auf Ihre eigenen Leute zu! Ich glaube, dass Sie am Ende in dieser Diskussion meinen Argumenten folgen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anmerkung der Kollegin Sassen veranlasst mich dazu, mich hier noch einmal zu Wort zu melden. Natürlich kann man sich alles vorstellen. Eltern können sich so oder so entscheiden; es gibt individuelle Lebensplanungen. Das heißt, man kann sich alles vorstellen.

Aber wenn es darum geht, diese Sache parlamentarisch zu erörtern, das Betreuungsgeld aus Sicht der Gesellschaft zu sehen, dann müssen wir uns doch auch mit der Lebenswirklichkeit in unserer Gesellschaft auseinandersetzen.

(Beifall des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Ich rufe in Erinnerung, dass mittlerweile circa jede zweite Ehe in dieser Republik geschieden wird. Ich rufe in Erinnerung, dass Kinderarmut ein großes Problem ist und in erster Linie auch mit dieser hohen Scheidungsrate zusammenhängt. Ich rufe in Erinnerung, dass wir in dieser Gesellschaft nur begrenzte Ressourcen haben, dass es notwendig ist, dass Kindern, die aus Elternhäusern kommen, in denen es keine Unterstützung gibt - dafür gibt es eine Statistik -, geholfen werden muss mithilfe von Bildungsangeboten, Betreuungsplätzen, mithilfe anderer Maßnahmen, die diesen Kindern eine Chance in unserer Gesellschaft geben. Sie brauchen Ausbildung, sie brauchen eine Förderung, sie brauchen einen Arbeitsplatz und so weiter. Dafür gibt es Zahlen und Statistiken. Das hat nichts mit einer Ökonomisierung dieser Frage zu tun. Das ist ganz klar und eindeutig nachzulesen, und es ist ein Spiegelbild dessen, was in unserer Gesellschaft vor sich geht.

Dann frage ich noch einmal: Was erreicht man mit einem Betreuungsgeld, das maximal 150 € im Monat ausmacht? - Damit erreicht man nichts. Die Frauen, die notwendigerweise eine Ausbildung brauchen - ich kenne solche Frauen; Sie alle kennen sie -, die allein mit den Kindern dasitzen, geschieden sind und keine Ausbildung haben, brauchen eine Perspektive. Und nicht zuletzt brauchen die Kinder eine Perspektive.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das ist richtig! Sollen Sie doch auch haben!)

Natürlich kann man, wenn man von einer individuellen Lebensplanung ausgeht, sagen: Nein, ich möchte gern bei meinen Kindern zu Hause bleiben. Aber es kann doch nicht eine gesellschaftliche Aufgabe sein.

(Beifall bei SSW und vereinzelt bei BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

So funktioniert das doch nicht mehr. Wir haben doch eine Verantwortung für die nächste Generation, und wir werden dieser Verantwortung nicht gerecht, indem wir sagen: Betreuungsgeld finden wir gut; wir lassen das dann den Eltern. Das geht doch nicht. Das ist verantwortungslose Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Dr. Andreas Tietze)

Herr Kollege Habeck, ich habe das richtig verstanden, Sie haben Ihren Beitrag zurückgezogen. Dann hat jetzt Kollege Ralf Stegner von der Fraktion der SPD das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wäre nicht ans Rednerpult gegangen, wenn mich nicht Frau Sassen dazu veranlasst hätte. Sie stellen sich hierhin, werfen voller Empörung Vorwürfe in Richtung der Opposition, lassen Zwischenfragen nicht zu, stellen aber selbst welche.

Wenn es ernst gemeint ist, was Sie gesagt haben, möchte ich Sie fragen: Wer hat von den Rednerinnen und Rednern irgendetwas dagegen gesagt, Kinder zu Hause zu betreuen? - Ich habe nicht einen einzigen Redebeitrag in diese Richtung gehört. Aber was Sie uns nicht verraten haben, ist, was das mit Wahlfreiheit zu tun haben soll, wenn wir über einen lächerlich kleinen Betrag reden, der im Zweifelsfall bei den Frauen, die ohnehin kaum etwas haben und deren Kinder am dringendsten Förderung brauchen, ansetzt und ihnen die Wahlfreiheit eher erschwert. Das ist doch der Punkt.

Was ärgert die Frauen, die das gern so tun möchten, wie sie das wollen, daran, dass wir Geld in öffentliche Infrastruktur stecken, anstatt 2 Milliarden € herauszuwerfen, um Kinder fernzuhalten? Was ärgert Eltern daran, die sich so verhalten? - Überhaupt nichts.

Ich glaube, Sie brauchen das ein bisschen, um die heile Welt zu beschwören, die es nicht mehr gibt, die in Fernsehnovellen vorkommt und nicht die harte Realität ist, die wir haben. Kein Mensch missachtet das, was an Erziehungsleistung zu Hause passiert. Überhaupt nicht. Aber dass wir Kinder fördern müssen, dass wir eine eigene Kindergrundsicherung brauchen, dass weiß doch jeder. Das wissen die meisten in Ihrer Partei. Wenn Sie ehrlich sind, sind die Frauen in Ihrer Partei längst anderer Meinung als das, was Sie hier vorgetragen haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Herr Kollege Wolfgang Baasch von der Fraktion der SPD hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will an dieser Stelle noch einmal das Bild aufgreifen, das man immer wunderschön so beschreibt: Für Krokodilstränen braucht man keine Taschentücher. Genau das ist die Diskussion, die Sie von den regierungstragenden Parteien hier anzetteln.

Sie sagen ganz deutlich, dass Sie Familien stärken wollen und sich darum kümmern, dass Eltern allein zu Hause auf die Kinder aufpassen und sie erziehen können, dass Sie das unterstützen wollen. Was machen Sie im selben Atemzug bei der Arbeitsmarktreform, bei der Instrumentenreform? - Sie streichen das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger, und zwar setzen Sie es auf null. Sind es gar keine Menschen, die ihre Kinder zu Hause erziehen? Wollen Sie denen keine Unterstützungsleistung geben?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Das ist - ich darf es nicht sagen - eine Politik, die Ihnen objektiv - ich sehe das auch an den Reden von Frau Rathje-Hoffmann - nicht so richtig gefällt. Frau Klahn hat auch deutlich ihre Kritik geäußert. Sie suchen hier Punkte, damit Sie aus dieser Klemme herauskommen. Sagen Sie es doch ganz ehrlich! Machen Sie kein Bohei darum, wie schön die Welt sein könnte, wenn das so umgesetzt wird! Nein, Sie stecken in einer ganz bescheuerten Krise, nein Klemme - eine Krise haben Sie auch -; die Klemme ist da, wo Sie eigentlich wissen, dass wir ganz andere Instrumente brauchten.

(Zuruf von der CDU: Das war früher auch!)

Wir brauchten eine eigenständige Kindergrundsicherung. Da sind wir übrigens in der Großen Koalition alle gemeinsam, die regierungstragenden Fraktionen, nach Berlin gelaufen und haben eingefordert, dass das umgesetzt wird. Da sind wir auch nicht weitergekommen.

Aber langsam entwickelt sich etwas. Das ist der Weg, um Familien zu unterstützen, indem man nämlich die Kinder unterstützt.

Zweiter Punkt: Hier hat noch niemand davon gesprochen, dass auch die Krippen und Kindertagesstätten einen eigenständigen Bildungsauftrag haben. Das ist nicht mehr nur Betreuung, die man zu Hause besser leisten kann.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Es steht ein eigenständiger Bildungsauftrag dahinter. Sie wissen doch auch, dass sich die Lebensverhältnisse in unserer Gesellschaft verändert haben. Es gibt immer mehr Kinder von Alleinerziehenden sowie Kinder, die als einziges Kind in einer Familie leben. Außerdem wissen wir, dass Gemeinschaft guttut. Also ist es doch richtig, diesen Bildungsauftrag und diese soziale Komponente in den Vordergrund zu rücken und keine Abgrenzung zu organisieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Der dritte Punkt: Es ist noch nicht so furchtbar lange her - ich glaube, es war gegen elf Uhr -, als wir im Hohen Haus den Armuts- und Reichtumsbericht diskutiert haben. Auch die Redner der Regierungsfraktionen haben sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Kinderarmut die Armut der Eltern ist, weil sie erwerbslos sind. Dieses Problem muss man beseitigen. Hierfür muss man entsprechende Rahmenbedingungen schaffen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es richtig, nicht in das Betreuungsgeld zu investieren. Vielmehr muss in den Bildungsauftrag, in die Grundsicherung für Kinder und natürlich in Arbeit investiert werden. Deswegen ist der Antrag richtig, den Grüne und SPD gestellt haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat sich Frau Kollegin Heike Franzen gemeldet. Ich erteile ihr hiermit das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden hier über die Betreuung von unter Dreijährigen. Außerdem reden wir über Eltern, die sich entscheiden wollen, ob sie diese Betreuung selbst übernehmen oder ob sie diese Betreuung in einer Kindertagesstätte organisieren wollen.

Außerdem erklären sich einige Eltern bereit, über diese Betreuungszeit hinaus Erziehungsarbeit in ihrer Familie zu leisten. Das ist eine Entscheidung, die ich in gar keiner Weise werten will. Ich finde aber, wir müssen diese Eltern genauso unterstützen

wie die Eltern, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder ab einem Jahr in eine Kindertagesstätte zu geben. Dafür geben wir wahnsinnig viel Geld aus. Das ist völlig berechtigt. Wir müssen aber auch die anderen Eltern unterstützen.

Herr Dr. Stegner, an dieser Stelle müssen Sie sich entscheiden, ob das eine lächerlich geringe Summe ist, die wir zahlen. Dann besteht auch kein Anreiz, ein Kind nicht in eine Kindertagesstätte zu geben. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein.