- Das erkläre ich Ihnen jetzt gern. Zum einen wird auf Bundesebene noch verhandelt, unter welchen Bedingungen das Betreuungsgeld eingeführt und Eltern anspruchsberechtigt sein sollen. Zum anderen sehe ich keine realistische Chance, dass die Bundesregierung den Ländern die einzuplanenden Finanzmittel frei zur Verfügung stellen wird.
Die rot-grüne Vorstellung ist nett gemeint, blendet politische Realitäten aber aus. Auch hier gilt: Wer bestellt, muss bezahlen.
Außerdem wäre noch die Frage zu klären, ob es rechtlich zulässig ist, wenn wir zweckgebundene Finanzmittel in einem Bundesland als Barzahlung direkt an die Empfänger geben und im nächsten Land die Leistung nur indirekt über eine sächliche
Leistung in Anspruch zu nehmen ist. Stichwort ist hier die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Das gilt insbesondere für die öffentliche Fürsorge. Dazu wäre auch die Frage zu stellen, was die Erziehenden machen, die nicht das geförderte Gemeinschaftsangebot, sondern ein individuelles, für sie attraktiveres Angebot nutzen wollen.
Oder wollen die Grünen und die SPD nun offensichtlich auch in Schleswig-Holstein einige Kinder zum Krippenbesuch zwangsverpflichten, nur damit alle das so umgewandelte Betreuungsgeld nutzen können? - Das wird nicht funktionieren.
Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll sicherzustellen, dass diese Gelder genutzt werden, um jungen Eltern in den ersten Lebensjahren ihres Kindes individuelle, frei wählbare Hilfen zukommen zu lassen, ihnen beispielsweise bei Fragen der täglichen Erziehungsarbeit, Gesundheitsvorsorge, kindlichen Entwicklung zu helfen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich wollte fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass Bundesländer ein Betreuungsgeld eingeführt haben und insofern Ihre Sorge, dass es nicht verfassungskonform sein könnte, dass einige Länder es haben und andere nicht - schon gar nicht, wenn es eine einheitliche Bundesregelung gibt, die das erst recht zulässt und vorschreibt -, zu Staub zerfällt?
Mir ist bekannt, dass es einige Bundesländer gibt. Aber wenn wir jetzt etwas Neues vom Bund aus machen, würde ich doch vorschlagen, dass man das sicherlich rechtlich prüfen lassen müsste.
Es freut mich sehr, Frau Kollegin Klahn, dass Sie mir die Freude machen, dass ich Ihnen eine Frage stellen darf. Ich wollte gern von Ihnen wissen, weil Sie die kritische Haltung der FDP hervorge
hoben haben - nun ist die FDP Mitglied sowohl der Bundes- als auch dieser Landesregierung -, ob sich diese kritische Haltung in mehr ausdrückt, als das verbal zu bekunden, oder ob Sie es womöglich auch für möglich hielten, Einfluss zu nehmen, dass die Regierungsentscheidung in die Richtung geht, Ihre Kritik zu mindern.
Sie sind erfahrener Politiker, und Sie wissen, wie viel Einfluss Sie auf Ihre damalige Regierungsverantwortung tragende Partei ausüben konnten und zum Nutzen des Landes auch getan haben.
Uns ist wichtig, Eltern in ihrer Selbstverantwortung und Entscheidung zu stärken und sie nicht in ihrer Lebensführung zu bevormunden und zu gängeln, wie es offensichtlich die Idee des Ursprungsantrags der Grünen vorsieht. Wir unterstützen Eltern in ihrer individuellen Entscheidung, und auch das will ich klarstellen: Eltern müssen sich nicht für ihre Wahl rechtfertigen.
Ich beantrage Abstimmung in der Sache und wiederhole zum Abstimmungsverhalten gern, was ich bereits in einer meiner letzten Reden zu diesem Thema gesagt habe: Wir haben eine inhaltlich andere Auffassung zum Betreuungsgeld als unser Koalitionspartner. Gleichwohl werden wir den Antrag ablehnen. Ich verweise nochmals auf die Mechanismen von Koalitionsregierungen. Für diese Koalition ist es kein Problem, in einzelnen Positionen unterschiedlicher Meinung zu sein. Auch das sage ich gern noch einmal: Mit solchen Anträgen dividieren Sie uns nicht auseinander!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ab 2013 muss für 35 % aller Kleinkinder zwischen ein und drei Jahren ein Krippenplatz angeboten werden. Es besteht ein Rechtsanspruch. Nur leider wird das alles Theorie bleiben. Der Ausbau geht zu langsam voran. Im März diesen Jahres wurden in Schleswig-Holstein knapp 15.000 Kinder zwischen ein und drei Jahren in Kindertagesstätten betreut. Das bedeutet eine Betreuungsquote von 21,8 %. Aber bis 2013 müssen noch 9.000 weitere Plätze geschaffen werden. Wir wissen aus einigen Regionen, dass der tatsächliche Bedarf mit 35 % noch keineswegs gedeckt ist.
Die Landesregierung strahlt Zuversicht aus. Bei gleicher Aufbaudynamik kann das 35-%-Ziel erreicht werden, meint sie. Schleswig-Holstein liegt dabei auf Platz drei in der Spitzengruppe der westlichen Bundesländer, aber das ist leider nur vergleichbar mit dem Einäugigen, der unter den Blinden König ist.
Das bleibt ein einfacher Fakt: Das Vorzeigeprogramm der Bundesfamilienministerin mit dem Betreuungsausbau für 35 % aller Kleinkinder zwischen ein und drei Jahren ist gescheitert. Es werden nicht ausreichend Kindergarten- und Krippenplätze bis 2013 zur Verfügung stehen. Stattdessen kommt das Betreuungsgeld, das Eltern davon abhalten soll, ihre Kinder in eine Kindertagesstätte zu bringen. Hier soll ein finanzieller Anreiz für Eltern geschaffen werden, um den nicht umsetzbaren Rechtsanspruch abzufangen. Eltern sollen wieder in zwei Klassen eingeteilt werden: Da gibt es gute Eltern, die zu Hause ausschließlich ihre Kinder erziehen, und dann gibt es noch die weniger guten Eltern, das sind die, die neben der eigenen Kindererziehung auch noch eine Kindertagesstätte in Anspruch nehmen.
Aber in Wirklichkeit geht es nicht einzig und allein um - nicht nur nach meiner Meinung - die von Ihnen viel gepriesene Wahlfreiheit, sondern auch die Mängel in der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche komplett auszublenden und allein auf ein Taschengeld für den Verzicht auf Kinderförderung zu reduzieren.
Das Betreuungsgeld sorgt dafür, dass gerade in strukturschwachen Regionen der Kita-Ausbau gar nicht vorangetrieben werden muss. Das ist eine familienpolitische Bankrotterklärung.
Es grenzt schon an Unverschämtheit, Frauen mit einem Taschengeld an Haus und Herd binden zu wollen und deren Kindern gleichzeitig zwangsläufig Bildungsangebote vorzuenthalten.
Hinter dem Betreuungsgeld, auch „Herdprämie“ genannt, steckt ein chronisch verstaubtes Weltbild. Dieses Rollenbild und dieses Familienmodell gehören definitiv nicht in das 21. Jahrhundert.
Das eigentliche Drama ist aber: Die Bundesregierung stellt sozial benachteiligte Familien mit geringem Einkommen vor die Wahl, 150 € zu nehmen oder sich für einen Kita-Platz zu entscheiden, den sie sich oft noch nicht einmal leisten können.
Das hat aber weder etwas mit dem Anspruch auf frühkindliche Bildung zu tun, noch ist es familienpolitisch sinnvoll. Das ist definitiv der falsche Weg. Der richtige Weg wäre, überall kostenfreie Kitas zu schaffen.
Deshalb sagt DIE LINKE deutlich Nein zum Betreuungsgeld. Wir wollen stattdessen den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur zur Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien. Eine bestmögliche Kinderförderung und flächendeckende Kinderbetreuung muss für alle Kinder zugänglich sein.
Einkommensschwache Familien werden hier zum Spielball der Politik. Mit dem geplanten Betreuungsgeld von 150 € monatlich werden Eltern, die schon jetzt von Armutslöhnen und Hartz IV leben und jeden Euro zweimal umdrehen müssen, dazu verführt, ihre Kinder nicht in einer Kita anzumelden und das Betreuungsgeld in Anspruch zu nehmen, weil sie sich damit vielleicht das neue Fahrrad für die Kleinen schon in drei statt erst in fünf Jahren leisten können.
Das Betreuungsgeld ist kein Anreiz zu arbeiten, und es ist auch nicht gut für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist ein Griff in die Mottenkiste.
Wer nicht arbeitet, kann keine Rente aufbauen. Die Altersarmut von Frauen ist programmiert. Sie erlegen die soziale Verantwortung für die Familie einseitig den Frauen auf, sie kaufen den Frauen die Berufe ab.
Hätten wir mehr Kinderbetreuung, könnten mehr Menschen arbeiten, Stellen für Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen sind dringend notwendig in Kindertagsstätten, um die Qualität zu halten. Geld ist genug da, es muss nur umverteilt werden.
Wir halten es für eine gute Idee, die Finger vom Betreuungsgeld zu lassen und das dafür vorgesehene Geld für sinnvolle Familienpolitik auszugeben. Wir brauchen ganz sicher keine Prämien für Bildungsabstinenz. Nichts anderes ist das Betreuungsgeld. Wir brauchen kostenfreie Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung für alle Kinder.