Protocol of the Session on November 18, 2011

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel einer modernen Abfallwirtschaft ist die Abfallvermeidung, die Wiederverwertung und das Recyceln von Abfall. Dieses Ziel hat sich auch die Bundesregierung mit ihrem Entwurf für

ein Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gesteckt. Demnach plant die Bundesregierung, 65 % der Siedlungsabfälle wiederzuverwerten oder zu recyceln, für Bauschutt sogar 70 %. Das ist angesichts älterer Zahlen aus den 90er-Jahren eine Verdopplung. Diesbezüglich erfüllt der Gesetzentwurf durchaus moderne Anforderungen. Ab 2015 plant der Gesetzgeber, Bioabfälle, Papier, Metalle, Kunststoffe und Glas zu trennen. Es ist vorgesehen, eine sogenannte Wertstofftonne einzuführen, um diese Materialien wiederzuverwerten oder zu recyceln. Ich glaube, bis hierhin kann der Bürger dem Gesetzgeber folgen. Denn auch in der Bevölkerung ist das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Rohstoffen gestiegen. Und das ist gut so.

Doch der Schuss geht in dem Moment nach hinten los, in dem der Bürger im Gegenzug mit höheren Abfallgebühren belastet wird. Und genau hier liegt die Gefahr. Abfallexperten befürchten, dass es zu einer Gebührenerhöhung kommen wird, wenn der Müllmarkt für private Anbieter geöffnet wird. Ich brauche keine Glaskugel, um heute vorherzusagen, was dann passieren wird. Es wird das eintreten, dass die privaten Entsorger sich die lukrativen Abfälle untereinander aufteilen und die öffentliche Hand auf den kostenintensiveren Fraktionen sitzenbleibt. Denn die kommunalen Unternehmen sind weiterhin verpflichtet, den Müll zu entsorgen. Mit der Öffnung des Müllmarktes für private Anbieter wird den kommunalen Abfallentsorgungsunternehmen die Möglichkeit genommen, aber auch den privaten Entsorgungsunternehmen, die für diese kommunalen Unternehmen tätig sind, mit dem entsprechenden Müll Geld zu verdienen. Das ist Geld, das sie brauchen, um die kostenintensiven Fraktionen auszugleichen. Diese Quelle wird aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für die kommunalen Entsorger versiegen.

Das ist also wieder ein Beispiel dafür, dass Gewinne privatisiert werden und Verluste sozialisiert werden. Dies ist eine Lösung, die zulasten der Gebührenzahler geht. Das kann so nicht gewollt sein.

Dies hat nichts mit einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der kommunalen und der privaten Entsorgungsunternehmen zu tun, wie es Minister Röttgen formuliert. Es kann nicht darum gehen, der privaten Wirtschaft in allen öffentlichen Bereichen einen Zugang zu verschaffen. Daseinsvorsorge ist eine öffentliche Aufgabe und kein Markt, der liberalisiert werden muss. Im Übrigen möchte ich noch hinzufügen, dass unsere öffentlich-rechtlichen Entsorgungsunternehmen private Unternehmen dafür nutzen, diese Tätigkeiten, die

(Heinz-Werner Jezewski)

dort zu verrichten sind, auch ausführen zu lassen. Wenn man so will, ist die Infrastruktur öffentlich, aber der, der das betreibt, ist auch durchaus heute schon privat.

Wenn wir das Gesetz ablehnen, handeln wir nicht gegen private Unternehmen. Wir wollen alles so weitermachen wie bisher, wir wollen aber nicht, dass lukrative Bereiche ausschließlich den Privaten zur Verfügung gestellt werden, sondern Daseinsvorsorge soll insgesamt in öffentlicher Hand bleiben.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Der Druck auf die Politik vonseiten der privatwirtschaftlichen Akteure der Abfallentsorgung ist derzeit immens groß. Man geht davon aus, dass der Markt bundesweit ein Volumen von rund 10 Milliarden € hat, eine Größe, die Begehrlichkeiten schafft. Daher geht es darum, die ausgewogenen Daseinsinteressen gegenüber rein wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen. Wenn Schwarz-Gelb dieses Gesetz so umsetzt, ist das wieder einmal ein Zeichen von Klientelpolitik.

Natürlich müssen kommunale Anbieter an wirtschaftlichen Kriterien gemessen werden, und das werden sie auch. Aber Wirtschaftlichkeit darf bei der Daseinsvorsorge nicht das einzige Kriterium sein, das herangezogen wird. Es muss darum gehen, die Daseinsvorsorge so zu sichern, dass der Bürger mit den geringsten Belastungen das Maximale herausbekommt. Daher lautet die Forderung an die Koalition: Verhindern Sie dieses Gesetz, denn es richtet sich gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, für die wir hier gewählt worden sind!

(Beifall bei SSW, der LINKEN und des Ab- geordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu einem Dreiminutenbeitrag gebe ich Herrn Kollegen Dr. Michael von Abercron das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vier Punke klarstellen.

Erstens. Im Gesetz gibt es keine Verpflichtung dazu, einem Privaten diese Aufgabe zu übertragen.

Zweitens. Die Müllentsorgung bleibt auch in diesem Gesetz eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Das wird durch die Regelungen nicht durchbrochen.

Drittens. Private Unternehmen - Gott sei Dank ist das eben schon von meinem Vorredner angesprochen worden - sind schon heute tätig, zum Wohle der Gemeinden, auch in Schleswig-Holstein. Wenn hier private Unternehmen - das hatten wir gestern schon einmal - mit dubiosen Machenschaften in Verbindung gebracht oder unter Generalverdacht gestellt werden, weise ich das mit Nachdruck zurück. Das ist unerhört.

(Beifall bei CDU und FDP)

Viertens. Es gibt sicherlich ein Problem bei diesem Gesetz - darüber muss man offen reden -, das ist die Frage, wie der Nachweis erbracht werden soll, dass ein Privater es genauso billig machen kann wie die öffentliche Hand oder umgekehrt. Das bedeutet natürlich einen erheblichen Aufwand. Es wird nicht einfach sein, dafür Regeln zu erstellen. An der Stelle sehe ich ein gewisses Problem. Wir müssen in der Praxis einmal durchleuchten, ob das tatsächlich vernünftig ist. Möglicherweise muss da ein bisschen nachgebessert werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Frau Dr. Juliane Rumpf, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Novelle für das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz steht kurz vor ihrer endgültigen Verabschiedung. Sie ist für die Umsetzung der europäischen Abfallrahmenrichtlinie in deutsches Recht erforderlich. Gleichzeitig wird aber auch das bestehende Abfallrecht ökologisch fortentwickelt. So wird die Novelle durch eine Stärkung der Abfallvermeidung und des Recyclings von Abfällen eine nachhaltige Verbesserung der Ressourceneffizienz mit sich bringen. Dies ist nicht nur umweltpolitisch wünschenswert, sondern stellt auch wirtschaftspolitisch die richtigen Weichen gerade für ein so rohstoffarmes Industrieland wie Deutschland.

Die Landesregierung, die das Gesetzesvorhaben von Anfang an konstruktiv-kritisch begleitet hat, begüßt daher grundsätzlich den vorliegenden Gesetzentwurf, wie er jüngst vom Deutschen Bundestag beschlossen und zur endgültigen Zustimmung dem Bundesrat übermittelt wurde.

(Lars Harms)

Meine Damen und Herren, um es vorweg zu sagen: Ich bedaure sehr, dass im Laufe des Verfahrens immer wieder ein Aspekt in den Vordergrund getreten ist, der mit den von mir gerade genannten Zielen der Novelle eigentlich wenig zu tun hat und der den Blick für die begrüßenswerten umweltpolitischen Neuerungen unnötig verstellt hat. Das ist die Diskussion um die Aufgabenverteilung zwischen kommunaler Entsorgungsverantwortung für den privaten Hausmüll und dem privatwirtschaftlichen Engagement in diesem Bereich, womit wir uns auch heute beschäftigen. Die Frage lautet: In welchem Umfang soll den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern - das sind in Schleswig-Holstein die Kreise und kreisfreien Städte - bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge Konkurrenz durch private gewerbliche Sammlungen gestattet werden.

Der Regierungsentwurf wollte hier das Tor sehr weit aufmachen, hatte dabei aber offenbar nicht ausreichend im Blick, welche Auswirkungen eine solch weitgehende unbegrenzte “Rosinenpickerei” auf die kommunale Abfallwirtschaft und nicht zuletzt auf die Gebührenrechnungen unserer Bürgerinnen und Bürger haben kann. Die kommunalen Landesverbände und der Bundesrat haben daher zu Recht den Gesetzentwurf gerade an dieser Stelle kritisiert.

Die Diskussion darüber hat in den Beratungen des Bundestags alle anderen Aspekte überstrahlt. Nach intensiven Beratungen ist an dieser Stelle nun ein Kompromiss entwickelt worden, den ich im Kern ausdrücklich unterstütze und den auch die kommunalen Landesverbände auf Bundesebene gelobt haben. Dieser sieht vor, dass die Kommunen für die Hausmüllentsorgung einschließlich ihrer werthaltigen Abfälle wie beispielsweise Altpapier umfassend verantwortlich bleiben. Gewerbliche Sammlungen sind insbesondere im Fall einer vorhandenen kommunalen haushaltsnahen oder sonst hochwertigen getrennten Erfassung und Verwertung der Abfälle nicht zulässig.

Meine Damen und Herren, auch ich möchte nicht verhehlen, dass dieser ausgewogene Kompromiss an einer Stelle eine offene Flanke aufweisen kann. Das gerade aufgezeigte Primat der kommunalen Sammlung gilt nämlich dann nicht, wenn der private Sammler unter dem Stichwort Gleichwertigkeit seine Leistungen besser erbringt, auch wenn es nur geringfügig besser ist. Hier rechne ich im Vollzug mit Unsicherheiten; Gerichtsverfahren scheinen mir hier vorprogrammiert.

Gleichwohl besteht in der Landesregierung Einvernehmen, diesem umfangreichen Gesetzespaket in der nächsten Woche im Bundesrat zuzustimmen, damit das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz endlich in Kraft treten kann. Nach langen Debatten brauchen wir jetzt endlich Klarheit und Rechtssicherheit, zumindest im Hinblick auf die Anforderungen der Abfallrahmenrichtlinie. Ein Vertragsverletzungsverfahren können und wollen wir nicht riskieren.

Ein Kompromiss ist dadurch gekennzeichnet, dass alle Seiten ein Stück weit nachgeben. In der jetzigen Situation hält die Landesregierung es daher für nicht vertretbar und nicht verantwortbar, sich wegen der genannen Nuancierung auf den unsicheren Weg eines Vermittlungsverfahrens zu begeben und damit möglicherweise die gesamte Novelle zu gefährden.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle unterscheiden wir uns klar von der Opposition, sowohl auf Bundesebene als auch im Landtag. Ich verstehe die Zielsetzung Ihres Antrags so, dass Sie gewerbliche Sammlungen nicht zulassen wollen. Dieses wettbewerbsfeindliche Ansinnen, das übrigens auch europarechtlich nicht unproblematisch sein dürfte, lehnt die Landesregierung ab.

Ich hoffe, dass in den jetzt anstehenden Schlussberatungen des Bundesrats der vom Bundestag erarbeitete Kompromiss von der Mehrheit gewürdigt wird, damit das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das für die Abfallwirtschaft einen spürbaren ökologischen Fortschritt bringen wird, noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag, Drucksache 17/1957 (neu), in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag, Drucksache 17/1957 (neu), mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW abgelehnt. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 47 A auf:

(Ministerin Dr. Juliane Rumpf)

Konsequenzen aus den Erkenntnissen über das Rechtsextremen-Trio aus Thüringen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2000

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2001

Konsequenzen aus den Erkenntnissen über eine rechte Terrorgruppe

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2012

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Bevor wir nach der Rede des Innenministers in die Debatte einsteigen, weise ich darauf hin, dass ich nach Rücksprache mit den Fraktionen der Auffassung bin, dass wir die Redezeiten an dieser Stelle flexibel handhaben sollten, damit wir angemessen auf das reagieren können, was uns der Minister mitzuteilen hat. - Ich erteile jetzt für die Landesregierung Herrn Innenminister Klaus Schlie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die mutmaßlichen Angehörigen der nun im Mittelpunkt stehenden Terrorgruppe gehörten ursprünglich zu einer als gewalttätig bekannten Neonazi-Gruppe aus Thüringen. Direkte Verbindungen nach Schleswig-Holstein gibt es nach derzeitigem Informationsstand nicht. Die Prüfung dauert an; sie läuft mit hoher Priorität und großer Intensität.

Bisher wurde festgestellt, dass eine Person aus dem Umfeld der mutmaßlichen Haupttäter im Jahr 2003 in Schleswig-Holstein bei der Auflösung eines rechtsextremistischen Konzerts durch die Polizei festgestellt wurde. Aufgrund der umfangreichen Vernetzung von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene und vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse kann ich nicht kategorisch ausschließen, dass es weitere Kontakte zwischen einzelnen Aktivisten aus Schleswig-Holstein zu den Gewalttätern oder deren Umfeld gegeben hat. Genau zu dieser Frage läuft die entsprechende Prüfung auf Hochtouren. Über die Ergebnisse werde ich dem Landtag beziehungsweise seinen Gremien selbstverständlich unaufgefordert berichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um seine Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können, ist der

Verfassungsschutz berechtigt, sogenannte nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen. Den rechtlichen Rahmen bildet das Landesverfassungsschutzgesetz. Hieran ausgerichtet und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt der Einsatz von V-Leuten zur zielgerichteten Beschaffung von Informationen über extremistische und terroristische Bestrebungen, die nur auf diese Weise möglich ist. Ohne den Einsatz von V-Leuten blieben den Geheimdiensten wichtige Informationen verborgen, die für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, ja sogar für das Leben unschuldiger Menschen zwingend notwendig sind.

Eine über die informationelle Zusammenarbeit hinausgehende etwaige Kooperation, von der im Dringlichkeitsantrag gesprochen wird - mit V-Leuten oder hinter ihnen stehenden Organisationen -, gibt es nicht. Einzelheiten über den Einsatz von VLeuten im Rahmen der gesamten operativen Tätigkeit können allerdings ausschließlich im Parlamentarischen Kontrollgremium vorgetragen werden; dort allerdings werden sie auch vorgetragen.

Die Tätigkeit der schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbehörde unterliegt allgemein der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium dieses Hauses. Dieser Kontrolle unterfallen auch Aktivitäten, die in anderen Bundesländern in Abstimmung mit der regional zuständigen Verfassungsschutzbehörde durchgeführt werden. Gesetzliche Regelungen für die länderübergreifende Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden enthält auch das Bundesverfassungsschutzgesetz. Eine zusätzliche Kontrolle übt der Datenschutzbeauftragte des Landes aus.

In Anbetracht der bundesweit verübten Morde stellt sich die Frage, ob es auch in Schleswig-Holstein Verbrechen gibt, die der Thüringer Gruppe zuzuordnen sind. Dafür gibt es bisher keinerlei konkrete Anhaltspunkte.

Meine Damen und Herren, ich komme auf die aktuellen Ereignisse zurück. Nach meiner Ansicht ist es zu früh, umfassend konkrete Konsequenzen aus den Vorkommnissen in Thüringen zu ziehen. Notwendig ist die schnelle, umfassende, rückhaltlose und zweifelsfreie Aufklärung, und zwar ohne Ansehen von Personen und Behörden. Danach lässt sich sagen, ob es systembedingte Schwachstellen gibt, wenn ja, wo sie liegen, und wie sie beseitigt werden können. Vorrangiges Ziel ist es, eine neuerliche Entstehung rechtsterroristischer Strukturen unter Berücksichtigung eines extrem konspirativen Täterverhaltens frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

(Präsident Torsten Geerdts)