viele andere, sie alle versuchen mit Hetze und Angst zu punkten. Dabei ist es nicht nur so, dass sie viele Wählerstimmen bekommen - das ist traurig genug -; was viel schlimmer ist: Sie verändern das politische Klima in ihren Ländern. Der Kollege Stegner hat es am Beispiel von Dänemark schön ausgeführt.
Warum gelingt ihnen das? - Auch, weil bürgerliche Kräfte, Liberale, Christen, Konservative, ja teilweise sogar Sozialdemokraten versuchen, sie durch Assimilation ihrer Kernthemen überflüssig zu machen, anstatt die menschenfeindlichen Thesen dieser Scharlatane zu entlarven.
Die Übernahme rechtspopulistischer Thesen durch demokratische Parteien und die Zusammenarbeit dieser Parteien mit Rechtspopulisten sind der Wind, der das menschenfeindliche Feuer erst zum Lodern bringt.
Europa scheint also nach rechts zu rücken, Europa schottet sich ab, Europa spart an der Freiheit. So wird Europa letztlich als Lebensraum für uns alle infrage gestellt.
Anders Breivik, der Attentäter von Oslo, wird immer wieder beschrieben als einer, der aus dem Nichts kam. Aber er kam nicht aus dem Nichts. Er war lange Zeit vorher aktiv, zuerst in der Parteipolitik und dann als selbsternannter Internetaktivist. Breivik pflegte Kontakte zur extremen Rechten oder, wie er es bezeichnet hat, zu christlich-konservativen Kreisen in ganz Europa. Breivik wird als Einzeltäter beschrieben. Aber das ist er nicht.
Der amerikanische Think Tank „Center for American Progress“ steht nun wirklich nicht im Verdacht, linke Politik zu vertreten. CAP, wie die sich nennen, belegt in einer aktuellen Studie zu diesem Thema die Existenz einer „gut vernetzten Gruppe von Desinformationsexperten“, die die Bevölkerung via Medien und Organisationen manipuliert. Diese „Islamophobie-Megafone“ seien zwar nicht für antimuslimisch motivierte Gewaltverbrechen verantwortlich, bildeten aber „die Infrastruktur, aus der Täter wie Breivik hervorgehen“, so die Studie. Die Infrastruktur für menschenverachtende Ideologien zu stellen, bedeutet aber auch, mitschuldig zu sein.
Es ist also von größter Wichtigkeit, meine Damen und Herren, dass wir gegen jede Regung und gegen jeden Anklang von Menschenfeindlichkeit vorgehen, dass wir uns ihnen energisch entgegenstellen. Militante Neue Rechte sind in Deutschland noch
nicht bekannt. Allerdings werden sie in vielen europäischen Ländern zu einem massiven Problem. Exemplarisch will ich hier die „English Defence League“ nennen. Die EDL spricht wie viele Rechtspopulisten von „Islamfaschismus“ und dreht die alte faschistische Ideologie um. Diese sich selbst „Neokonservative“ Nennenden sehen ihren Hauptfeind nicht mehr im Judentum, sondern im Islam. Sie sehen sich in einer antifaschistischen Tradition, und Israel steht für sie symbolisch an vorderster Front im Kampf gegen die eingebildete Islamisierung der Welt. Die EDL ist im vergangenen Jahr rasend schnell gewachsen. Sie unterhält Kontakte zur Hooligan-Szene wie auch zur British National Party. Die EDL veranstaltet Aufmärsche in englischen Städten, in denen viele Muslime wohnen. Im Zuge dieser Aufmärsche kommt es immer wieder zu Gewalt und Überfällen auf Migrantinnen und Migranten, auf die Polizei oder auf Geschäfte mit ausländisch klingenden Namen. Die EDL unterhielt auch Kontakte zu dem norwegischen Attentäter Anders Breivik.
Sie von der SPD führen in Ihrem Antrag viele gute Ansätze an. Sie erkennen vor allem ganz richtig, dass ohne die konsequente Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Tendenzen in allen Erscheinungsformen der Kampf gegen den Rechtspopulismus nicht gewonnen werden kann. Auseinandersetzung kann aber nur heißen, dass solche Tendenzen auf gar keinen Fall geduldet werden können.
Es geht eben vor allem darum, diesen Demagogen energisch Paroli zu bieten, gerade hier in Deutschland, in Schleswig-Holstein und gerade hier in unseren eigenen Reihen.
Was also können wir machen, damit nirgendwo eine Infrastruktur für diese fürchterlichen Ausprägungen gruppenbezogener Menschenverachtung entsteht? - Ich bin der tiefsten Überzeugung, meine Damen und Herren, dass wir die sozialen Probleme dieses Landes angehen müssen. Wir müssen endlich aufhören, soziale Probleme zu ethnisieren. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass in diesem Land Chancengleichheit besteht. Denn der momentane Zustand in dieser Hinsicht ist beschämend. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land wieder schließt. Denn alles andere gefährdet den sozialen Frieden, und alles andere bereitet den Boden den Rechtspopulisten, die die Infrastruktur für Menschen wie Anders Breivik schaffen.
Für die Fraktion des SSW erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bombenanschlag in Oslo und der Massenmord auf der Insel Utøya am 22. Juli dieses Jahres führten reflexartig dazu, dass viele Medien gen Mekka schauten und die Täter in islamistischen Kreisen vermuteten. Anders Breivik aber ist kein islamistischer Terrorist, der gegen die westliche Welt und ihre Werte kämpft; er ist Anti-Islamist und Norweger durch und durch.
Gleichwohl fand seine Tat nicht im luftleeren Raum statt. In Norwegen habe es in den letzten Jahren eine polarisierende öffentliche Diskussion um Einwanderung und Islamisierung der Gesellschaft gegeben, hebt der norwegische Schriftsteller Jostein Gaarder hervor. In so einem Klima werden den Hasstiraden eines Breivik keine Grenzen gesetzt, was bei ihm letztlich in Gewalt umschlug.
Auch der Beschluss der ehemaligen rechtskonservativen Regierung Dänemarks, wieder feste Grenzkontrollen an den dänischen Außengrenzen einzuführen, fand nicht im luftleeren Raum statt. Er war bekanntlich das Ergebnis eines faulen Kompromisses, den die dänische Minderheitsregierung unter Lars Løkke Rasmussen mit der Dänischen Volkspartei eingegangen war, weil er ihre Stimmen bei der Abschaffung der bisherigen Vorruhestandsregelung brauchte. Zur Vorgeschichte gehört, dass die Dänische Volkspartei seit 2001 fester Tolerierungspartner der Mitte-Rechts-Regierung war und in den letzten zehn Jahren bei Wahlen immer zwischen 13 und 15 % der abgegebenen Stimmen erhielt. Erst bei der Folketingswahl am 15. September 2011 wurde dieser Trend gebrochen. Trotz eines Verlustes von 3 % der Stimmen erhielt die Dänische Volkspartei immerhin noch 12,3 % der Stimmen und 22 Mandate im Parlament.
Wer den Werdegang von Dansk Folkeparti verstehen will, muss aber weiter zurückgehen in die Geschichte unseres nördlichen Nachbarlandes: In den 70er-Jahren gab es dort eine Welle von Steuerrevolten, die zur Gründung der Dänischen Fortschrittspartei führten, die 1973 einen sogenannten Erdrutschwahlsieg erzielte. Aus dieser Fortschrittspar
tei von Mogens Glistrup entstand später die Dänische Volkspartei. Sie repräsentiert - mit anderen Worten - einen Bestandteil des dänischen politischen Systems, der von vielen nicht wirklich infrage gestellt wird. Dennoch ist Dansk Folkeparti eine rechtspopulistische Partei, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass unter dem Deckmantel der Meinungs- und Pressefreiheit in Dänemark ein zunehmend einwanderungsfeindliches Klima entstand.
Obwohl die Gewalttätigkeit eines Anders Breivik und der politische Einfluss der Dänischen Volkspartei erst einmal nichts miteinander zu tun haben, finden beide ihren Ursprung darin, dass es auch in den „offenen Gesellschaften“ der skandinavischen Länder rechtspopulistische Kräfte gibt, die nicht isoliert betrachtet werden können. Anders herum gilt aber auch, dass wir nicht weiterkommen, wenn nur aus der Vogelperspektive heraus analysiert wird.
Der SSW teilt die Auffassung, die im vorliegenden SPD-Antrag zum Ausdruck kommt. Auch wir nehmen mit Besorgnis zur Kenntnis, dass rechtspopulistische Strömungen in Europa auf dem Vormarsch sind. Um die Ursachen zu verstehen, müssen wir aber einen Schritt zurückgehen; wir brauchen sozusagen die Froschperspektive.
Aus wissenschaftlichen Studien wissen wir: Populistische Parteien und Bewegungen entstehen im Fahrwasser von Modernisierungsprozessen. Da, wo Entwicklungen und Umwälzungen so schnell passieren, dass Menschen mit ihren Werten nicht mehr hinterherkommen, entstehen Zukunftsängste. Die Politik schafft es nicht immer, zeitnah und nachhaltig auf diese Ängste der Bürgerinnen und Bürger zu reagieren. Manchmal kann sie es einfach nicht, manchmal will sie es nicht. Der Populismus greift diese Ängste auf und präsentiert einfache Schwarz-Weiß-Lösungen. Komplexe soziale und ökonomische Herausforderungen werden nicht gelöst; ganz populistisch werden die Schuldigen und Verantwortlichen benannt, an denen man sich abarbeiten kann. Gängige Klischees werden dabei ebenso bedient wie Stammtischparolen.
Der Rechtspopulismus richtet sich vor allem gegen gesellschaftliche und soziale Minderheiten. Bei diesen Anschuldigungen gibt es vonseiten der Rechtspopulisten keine Tabus mehr. Frei nach dem Motto „Alles muss raus“ werden Probleme personalisiert und die Schuldigen anschließend diskriminiert. Norwegen, Dänemark, Ungarn, Rumänien, Frankreich - die Aufzählung könnte beliebig fortgeführt werden - machen vor, was es heißt, wenn Diskriminierung nicht mehr per se geächtet wird, son
dern es „so 'ne und so 'ne“ Diskriminierung gibt. Mit anderen Worten: Populistische Diskriminierungen sind in manchen europäischen Ländern längst salonfähig geworden, obwohl sie menschenfeindlich sind und zu gewaltsamen Konsequenzen führen.
Anders Breivik war ein Einzeltäter, aber der Kontext seiner Tat ist in allen europäischen Ländern vorhanden: verbale Ausfälle, Vergiftung des politischen Klimas, das Schüren von Ängsten, Vorurteile und Hass gegen bestimmte Minderheiten, Erbitterung über die Politik anderer Parteien, nicht mehr nur EU-Skepsis, sondern sogar EU-Feindlichkeit. Das ist die Systematik, die in allen europäischen Ländern vorhanden ist.
Zur Froschperspektive gehört, dass die Geschichte der einzelnen Länder mitgedacht werden muss. Dänemark hat mit Dansk Folkeparti zum Beispiel eine Partei, die es wie keine andere geschafft hat, Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit stubenrein zu machen. Es gab in unserem Nachbarland lange keine nachhaltige gesellschaftliche Debatte, keine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der rechtsgerichteten Politik im Land oder dem fremdenfeindlichen Bild Dänemarks in der Welt.
Auch die Geschichte Ungarns muss man kennen, um den Vormarsch der Rechtspopulisten im Land zu verstehen. Ungarn ist erst seit 1989 eine demokratische und parlamentarische Republik. Demokratische Werte wie zum Beispiel das Recht auf Gleichwertigkeit sind noch nicht so tief in der Gesellschaft verwurzelt und dementsprechend auch krisenanfälliger. Wirtschaftsrückgang, Arbeitslosigkeit und verbreitete Korruption führen in Ungarn dazu, dass die Menschen für rechtspopulistische Tendenzen empfänglich sind und ihre Wut an den Schwachen in der Gesellschaft auslassen.
In Deutschland hat der Populismus insgesamt zwar noch keine tragenden Strukturen entwickeln können. Dennoch möchte auch ich an die öffentliche Diskussion um das Buch von Thilo Sarrazin erinnern. Es gibt also genügend Gründe, vor unserer eigenen Haustür zu kehren und konsequent gegen Rechtspopulismus vorzugehen, damit auch zukünftig ganz klar ist, dass in Deutschland kein Platz für rechtspopulistische Menschenfeindlichkeit ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ausrichtung der Finanz-, Bildungs- und Förderpolitik auf die Erhaltung und Verbesserung der Lebensgrundlagen aller Bevölkerungsgruppen ist vor diesem Hinter
grund eine wichtige Perspektive. Wir wissen aber auch, dass sich die Fürsprecher von rechtspopulistischen Parolen von der Politik im Stich gelassen fühlen. Das Unbehagen am politischen Istzustand ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite führt zu einer Aushöhlung der politischen Demokratie, weil der politische Diskurs banalisiert wird. Der Weg zur rechtpopulistischen Politik ist dann nur noch kurz.
Um gegen Rechtspopulismus anzugehen, muss also die demokratische Politik zur Selbstkontrolle bereit sein. Wir alle müssen uns ein Stück weit fragen, ob wir eigentlich noch nah genug an den Bürgerinnen und Bürgern dran sind und für sie arbeiten, oder ob wir nur noch am eigenen Machterhalt interessiert sind. Sonst tragen wir nämlich als Politikerinnen und Politiker weiterhin zu unserer eigenen Unglaubwürdigkeit bei. Wir achten nicht mehr auf die Inhalte, sondern die Verpackung - die übergeordnete Themenwahl, die Rhetorik und die äußerliche Erscheinung stehen an erster Stelle.
- Lieber Kollege Kubicki, das ist eine Beobachtung, die gemacht werden kann, wenn es darum geht, deutlich zu machen, wieso die Abstände zwischen Wählerinnen und Wählern und der politischen Klasse so groß geworden sind.
Das ist nicht meine Erfahrung, sondern eine Beobachtung, die gemacht worden ist. Mit dieser Analyse müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Beobachtung.
Das werde ich tun. - Darum sagte ich: Es muss darum gehen, Teilhabe an dieser Gesellschaft im Kleinen sicherzustellen. Kultur und Sport, aktives bürgerschaftliches Engagement auf kommunaler Ebene, aufgeklärte Journalisten mit Medienkompetenz, die die Opfer zu Wort kommen lassen, das sind alles Teile einer möglichen Strategie. Und wir als Po
litikerinnen und Politiker müssen gerade für die Minderheiten, die Diskriminierung, Verfolgung und Ausgrenzung ausgesetzt sind, Strukturen schaffen, um gesellschaftliche Akzeptanz und Gleichwertigkeit zu unterstützen.
Wenn als Ergebnis dieser Landtagsdebatte mehr herauskommen soll als eine Grundsatzdebatte, dann ist es - mit anderen Worten - notwendig abzuschichten, wo wir als Landtag gestaltend tätig werden können. Der Antrag stellt bildlich gesprochen einen Spagat dar - auf der einen Seite die europäische Ebene, auf der anderen die regionale und lokale Ebene.
Dies ist der letzte Satz, Frau Präsidentin. - Dieser Spagat ist nicht einfach zu bewältigen, wenn es das Ziel sein soll, auch Strategien zu entwickeln. Dabei steht fest, dass es kein Handbuch gegen Rechtspopulismus gibt. Fest steht aber auch, dass auch wir in Schleswig-Holstein nicht im luftleeren Raum agieren. Wir sind Teil Europas. Dieser Verantwortung müssen wir uns auch bewusst sein.
Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Axel Bernstein aus der CDUFraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Aspekte möchte ich gern noch einmal ansprechen.