Protocol of the Session on October 6, 2011

- Moment! Ich komme noch dazu. - Die die Förderzentren müssen erhalten werden, jedenfalls so lange, bis wir in den Kreisen Schwerpunktschulen haben; denn aus den Förderzentren rekrutiert sich, wie ich es verstanden habe, das Personal.

Ganz ehrlich: Wenn ich mich entscheiden soll, Inklusion in der Schule zu betreiben, dann muss doch gewährleistet sein, dass die persönlichen, sächlichen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Alles andere wäre in der Tat „zu billig“.

Zu einem weiteren Punkt in Ihrem Bericht: Ich bedauere es sehr, dass Menschen mit Behinderung sich durch die Sparmaßnahmen der Landesregierung verunsichert fühlen, was ihre persönliche Inanspruchnahme von regionalen Leistungen betrifft. Aber Sie haben diese Äußerung relativiert, indem Sie erläutert haben, dass das eine subjektive Wahrnehmung sei. Wir halten die Vollkommunalisierung der Eingliederungshilfe für einen wichtigen Schritt, um den Bereich Inklusion sinnvoll weiterentwickeln zu können. Fehlanreize im System, die vorher bestanden, haben wir durch die Gesetzesnovelle beseitigt. „Ambulant vor stationär“ muss unser Credo sein. Ein Leben in der Mitte der Gesellschaft zu ermöglichen, ist ein übergeordnetes Ziel. Dafür setzt sich diese Regierungskoalition ein.

Der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention liegt vor. Wir halten diesen Plan für einen wichtigen Impuls, um alle gesellschaftlichen Gruppen am behindertenpolitischen Dialog zu beteiligen. Das Land muss den Plan nutzen, eigene Konzeptionen, wie sie im behindertenpolitischen Konzept vorliegen, fortzuschreiben, aber auch weiterzuentwickeln. Anknüpfungspunkte sind dabei die Leitlinien, wie sie bereits im Bericht der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von

Menschen mit Behinderung dargelegt wurden: Teilhabe am politischen und kulturellen Leben, Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Erziehung und Bildung.

Es wäre auch zu überlegen, wie das persönliche Budget bekannter und anwendbarer gemacht werden kann, sodass es größere Verbreitung findet. Es gibt Kritik an der technischen Umsetzung und am Verwaltungsverfahren. Konkurrierende Gesetze machen den Verwaltungsakt schwer, und betroffene Leistungsempfänger können das teilweise nicht nachvollziehen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir haben dafür zu sorgen, einen höchstmöglichen Grad an Selbstständigkeit für Menschen mit Behinderung zu erzielen. Das bleibt eine Querschnittsaufgabe für die Politik. Das ist ein stetiger Prozess.

Die weitere Beratung im Fachausschuss ist vernünftig. Wir werden der Ausschussüberweisung zustimmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich gern vorweg sagen: Der SSW bedauert, dass der umfangreiche Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten in die Beratung zu anderen Tagesordnungspunkten integriert worden ist, anstatt ihn als Einzelpunkt zu diskutieren. So werden wir der von Dr. Hase und seinem Team geleisteten Arbeit nicht gerecht, und es besteht kaum die Möglichkeit, die vielen nützlichen Anregungen aufzugreifen. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch im Namen meiner Fraktion bei Dr. Hase und seinen Mitarbeitern für die geleistete Arbeit bedanken.

(Beifall bei SSW, SPD und vereinzelt bei der FDP)

Für mich ist die wichtigste Erkenntnis aus dem Bericht, dass wir von einer wirklich inklusiven Gesellschaft noch weit entfernt sind. Ein Schritt auf diesem Weg ist die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die natürlich nicht von heute auf morgen gelingt. Dass die Landesregierung ein Ge

samtkonzept auf den Weg gebracht hat und damit die Politik für Menschen mit Behinderung am Leitbild der Inklusion ausrichtet, erkennen wir ausdrücklich an. Doch es muss mehr getan werden, um in Zukunft allen Menschen das gleiche volle Recht auf individuelle Entwicklung und soziale Teilhabe ungeachtet ihrer persönlichen Unterstützungsbedürfnisse geben zu können. Jeder Mensch - mit seinen individuellen Stärken und Schwächen, aber auch mit seinen Bedürfnissen - muss selbstverständliches Mitglied unserer Gesellschaft sein. Das ist nicht ein Ziel, das man zu einem bestimmten Zeitpunkt voll und ganz erreicht hat und dann abhaken kann, sondern das ist ein stetiger Prozess. Schleswig-Holstein ist bei Gleichberechtigung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung lange sogar Vorreiter gewesen; doch heute haben wir die Sorge, dass dieser Prozess ins Stocken gerät.

Die Kürzungen im Sozialbereich sind das eine; doch auch der Weg zu einem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Schleswig-Holstein macht diesen Trend deutlich. Der Landesbeauftragte weist nicht erst in seinem aktuellen Bericht darauf hin, dass ein solcher Plan unverzichtbar ist, wenn wir in dieser wichtigen Sache entscheidend weiterkommen wollen. Wir teilen seine Auffassung und halten es für wichtig, die Menschen mit Behinderung auf diesem Weg mitzunehmen und möglichst viele Beteiligte in die Erarbeitung einzubinden.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Auch wenn die Erfüllung dieser Aufgabe nicht immer leicht ist, brauchen wir einen solchen Plan so schnell wie möglich; denn damit hätten wir endlich einen verbindlichen Rahmen, in dem sich konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention planen, durchführen und auf ihre Wirkung hin überprüfen ließen. Doch leider ist in dieser Sache bis heute nichts Wesentliches passiert.

Wie gleichberechtigt Menschen mit Behinderung ihr Leben leben können und wie umfangreich ihre Teilhabe ist, darf nicht von ihrem Wohnort abhängen - so viel ist klar. Deshalb ist es besonders wichtig, für gleichwertige Verhältnisse im ganzen Land zu sorgen. Die kommunale Ebene ist hier genauso in der Pflicht wie Bund und Länder. Ulrich Hase hat im Zusammenhang mit der Kommunalisierung der Eingliederungshilfe darauf hingewiesen, dass es noch erhebliche Unterschiede bei den strukturellen Rahmenbedingungen und der konkreten Teilhabegestaltung gibt. Für den SSW ist und bleibt es eine wichtige Aufgabe, den Kommunalpo

(Anita Klahn)

litikern bewusst zu machen, dass auch sie Verantwortung für die Situation von Menschen mit Behinderung tragen.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Es ist sehr erfreulich, wenn wir aus Rendsburg, Eckernförde und Kiel gute Beispiele hören; aber ich kann auch viele negative Beispiele nennen. Es gibt also noch viel zu lernen - allerdings.

Die vorliegenden Anträge der Grünen und der LINKEN werden vom SSW voll und ganz unterstützt.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Sie greifen die Punkte „Barrierefreiheit“ und „Aktionsplan“ auf und gehen damit in die richtige Richtung. Gerade die Barrierefreiheit spielt in der Arbeit des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung eine zentrale Rolle. Dass hier - weit über den Personennahverkehr hinaus - noch viel zu tun ist, dürfte wohl jedem bewusst sein. So finde ich die Tatsache schockierend, dass in der Landeshauptstadt Kiel noch die Hälfte aller Arztpraxen nicht barrierefrei ist. Hier gibt es wirklich dringenden Handlungsbedarf.

(Beifall beim SSW)

Doch nicht nur über die Anträge müssen wir intensiv in den zuständigen Ausschüssen diskutieren; auch der Bericht darf nicht einfach abschließend zur Kenntnis genommen werden. Das Ziel einer inklusiven Gesellschaft erreichen wir nur, wenn sich alle gesellschaftlichen Bereiche dafür öffnen und sich den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung anpassen. Für die Landespolitik bedeutet das, dass dieses Thema nicht nur im Sozialbereich, sondern auch in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Arbeit zu behandeln ist.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Deshalb begrüße ich den Antrag meines Kollegen Baasch, nicht nur im Sozialausschuss darüber zu beraten. Das Thema gehört in viele Ausschüsse.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Dr. Andreas Tietze von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Flemming Meyer, vielen Dank für das Stichwort. Ich habe mich in dieser Debatte ausdrücklich als Wirtschaftspolitiker gemeldet, weil ich es wichtig finde, dass wir solche Themen, wenn wir sie schon auf der Tagesordnung haben, aus der Sicht verschiedener Politikbereiche behandeln.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Dr. Hase, dass er die tourismuspolitischen Sprecher eingeladen und ihnen erläutert hat, welche Potenziale es in der Wirtschaft und der Tourismuspolitik im Zusammenhang mit den Themen „Barrierefreiheit“ und „Inklusion“ gibt. Genauso müssen wir es machen, lieber Uli Hase! Wir müssen darüber nachdenken, wie wir den Service verbessern und die ÖPNV-Infrastruktur weiterentwickeln können. Das beginnt schon am Beginn der Reise, wenn der behinderte Mensch feststellt, dass er nicht von A nach B kommt, weil er am Zugang zum Bahnsteig und zum Zug scheitert. Das ist eine allgemeine Aufgabe, die wir im Blick haben müssen. Wir müssen auch die wirtschaftlichen Potenziale sehen, die sich beim nachhaltigen Umbau unserer touristischen Betriebe entwickeln.

Allein 7 Milliarden € machen wir in SchleswigHolstein mit dem Tourismus, 170.000 Beschäftigte sind davon abhängig. Deshalb ist es so wichtig, dass wir das Thema Inklusion auch einmal aus der Perspektive der Wirtschaft diskutieren, und zwar mit der Ernsthaftigkeit wie bei allen anderen Themen, die wir sonst diskutieren. Sonst sind wir immer bei Stahl, Beton und anderen Themen. Wir müssen das Thema Inklusion mit der gleichen Aufmerksamkeit, mit der gleichen Intensität diskutieren. Ich habe mich gemeldet, um deutlich zu machen, wie wichtig das ist, und dass wir das im Wirtschaftsausschuss ernsthaft diskutieren. Dafür setze ich mich ein und bitte die Kolleginnen und Kollegen, dass wir über den Bericht dort sprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag - die Betonung liegt auf „kurz“ - erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

(Heiterkeit und Zurufe)

(Flemming Meyer)

Das ist nicht der Rest von meiner Rede, sondern der Versuch, rechtzeitig etwas klarzustellen, bevor es sich vielleicht festsetzt. Kollegin Klahn hat über § 5 Abs. 2 des Schulgesetzes gesprochen. Frau Kollegin Klahn, es geht dort nicht vornehmlich um den Elternwillen, es geht um den Haushaltsvorbehalt, den das Gesetz macht. Wenn Eltern inklusive Beschulung wollen - ich kenne das, dass Eltern das wollen -¸ ihr Kind an einer Schule anmelden und diese Schule nicht die baulichen Voraussetzungen hat, dann kann das abgelehnt werden, weil kein Geld zum Umbau der Schule vorhanden ist, weil die sachlichen Möglichkeiten nicht da sind.

Dieser Haushaltsvorbehalt wird in § 5 Abs. 2 beschrieben, und dieser Haushaltsvorbehalt muss aus unserer Sicht heraus. Genau das kritisiert Uli Hase. Es ist richtig, den herauszunehmen, denn wir wollen inklusive Beschulung ermöglichen,

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

und zwar überall da, wo es die Eltern, die Kinder und die Jugendlichen wollen, und das darf nicht verhindert werden. Deswegen ist die Kritik von Uli Hase richtig. Es geht, wie gesagt, um den Haushaltsvorbehalt, nicht um den Elternwillen.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Heike Franzen.

Herr Präsident! Lieber Wolfgang Baasch! Sie sind gerade auf § 5 des Schulgesetzes eingegangen. Ich möchte dazu gern zwei Dinge konkretisieren. Wir haben als erste regierungstragende Fraktion das Prinzip der inklusiven Beschulung im Schulgesetz verankert.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Wenn Sie auf einen Haushaltsvorbehalt hinweisen, muss man natürlich fragen, inwiefern sich der bisher ausgewirkt hat. Da sind wir uns doch relativ schnell einig: In Schleswig-Holstein werden über 50 % der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Regelschulen beschult. Ich habe es vorhin gesagt, wir sind damit bundesweit führend. Das heißt, der Haushaltsvorbehalt, wie Sie ihn nennen, hat nicht dazu geführt, dass inklusive Beschulung nicht stattfinden kann, sondern er dient natürlich auch den Schülerinnen

und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Denn wenn eine Schule die Voraussetzungen nicht bietet -

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

- Wir wissen ja, wie Einschulungsverfahren laufen. Das ist innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten gar nicht zu erledigen. Insofern ist es schon richtig, auch zum Schutz dieser Kinder deutlich zu machen, dass wir pädagogische und bauliche Voraussetzungen haben müssen, damit die Kinder dort beschult werden können. Das ist nicht nur eine Frage des Haushalts, sondern dient auch dem Schutz derjenigen, die dort inklusiv beschult werden sollen.