Protocol of the Session on October 5, 2011

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon während der Haushaltsberatungen hat DIE LINKE darauf hingewiesen, dass die Kürzungen beim Studentenwerk katastrophale Auswirkungen haben werden. Die sozialen Belange der Studierenden werden mit Füßen getreten. Das trifft vor allem die Studierenden, die auf einen Studentenwohnheimplatz und auf die Mensa angewiesen sind, weil sie sich keine schicke Wohnung und keine teuren Restaurants leisten können.

Die Studentenwerke sind seit Langem unterfinanziert. Trotzdem sind die Bemühungen groß. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen ihr Bestes. Nur, aus nichts lässt sich nichts schaffen. Die Kürzung des Zuschusses für Wohnraumförderung auf null stellt das Studentenwerk vor eine schier unlösbare Aufgabe. Aus Rücklagen von circa 800.000 € lässt sich noch nicht einmal die Werterhaltung der bestehenden Wohnungen realisieren, geschweige denn ein Neubau finanzieren.

Nur 7 % der Studierenden erhalten in SchleswigHolstein einen Platz in einem Wohnheim. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 12 %. Über 1.000 Studierende stehen schon jetzt auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz. Auch die etwas ratlos er

scheinenden Appelle an die Bevölkerung, Studierenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen, konnten an der bestehenden Situation nichts ändern. Bezahlbarer Wohnraum ist eine der entscheidenden Fragen, wenn junge Menschen entscheiden, wo sie studieren wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Land darf die Zeit nicht verschlafen und muss das Studentenwerk und die Hochschulen bei der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen endlich unterstützen. Herr de Jager, hören Sie endlich mit dem Aussitzen von Problemen auf! Ihre ideologisch katastrophale Abbruchpolitik macht SchleswigHolstein kaputt. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Gehen Sie an die Universitäten! Schauen Sie an das Schwarze Brett. Die Angebote, die Sie dort finden, sind überaus minimal und viele davon aus einem studentischen Geldbeutel kaum bezahlbar.

Mit Erschrecken habe ich außerdem in der Zeitung gelesen, dass Kieler Studierende sogar Zimmer der Jugendherberge belegen müssen. Die erhöhte Nachfrage auf dem freien Wohnungsmarkt führt bereits jetzt dazu, dass Mieten immens steigen, die Eigentümer aber keinerlei Grunderneuerungen oder Sanierungen vornehmen. Der Wohnraummangel trifft nicht nur Studierende, sondern durch Mietsteigerungen die gesamte Bevölkerung.

Ich darf Sie daran erinnern, dass sich dieses Problem fortsetzen wird. Denn die zusätzlichen Studierenden werden in ein paar Monaten nicht wieder verschwunden sein - im Gegenteil. Sie werden mindestens drei bis vier Jahre Wohnraum benötigen. Die Lage wird sich weiter verschärfen, wenn nächstes Jahr die doppelten Abiturjahrgänge aus Hessen und NRW folgen. Wir brauchen mindestens 1.000 zusätzliche Wohnheimplätze, und zwar so schnell wie möglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen Sie sich ein Beispiel an Rheinland-Pfalz! Dort hat man bereits reagiert und ist dabei, fast 1.500 Plätze neu zu bauen.

Dies darf nicht, wie die Grünen es fordern, auf Kosten anderer Wohnungsbauprogramme geschehen. Umschichten ist nicht der richtige Weg. Wir machen Umschichtungen zulasten von anderen Bevölkerungsgruppen mit wenig Geld nicht mit. Wenn statt Studierenden Familien mit kleinen Kindern auf der Straße sitzen, nur weil Studierende bei den Grünen gerade eine bessere Lobby haben, wäre keinem geholfen. Auch für Runde Tische und Krisengipfel

(Rasmus Andresen)

sehen wir keinen Bedarf. Es muss schlicht und ergreifend gehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Überlegung der Landesregierung, neue Wohnheime als ÖPP auf den Weg zu bringen, lehnen wir ab. Wir wissen alle, dass die privaten Investoren nicht aus reinem Mitgefühl studentischen Wohnraum fördern. Hier geht es um Profit, den Studierende durch steigende Mieten bitter bezahlen müssen. DIE LINKE kämpft für bezahlbaren Wohnraum für alle. Dieses Ziel kann ein freier Markt nicht realisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Daniel Günther das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegen zwei Anträge vor. Der erste trägt den Titel: „Studierendenansturm als Chance begreifen Politik muss jetzt handeln!“ Das machen wir. Der zweite lautet: „Mangel an studentischem Wohnraum endlich gegensteuern“. Das machen wir auch.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo denn?)

Schleswig-Holstein und seine Hochschulen stehen vor enormen Herausforderungen; in diesem Punkt sind wir uns einig. Zu den ohnehin steigenden Studienanfängerzahlen durch starke Abiturjahrgänge - die Steigerung des Anteils der Schulabgänger mit Studienabsicht haben wir uns alle gewünscht kommt aktuell und noch in den nächsten Jahren der Sonderfaktor der doppelten Abiturjahrgänge durch den Wegfall der Wehrpflicht und die Verkürzung des Weges zum Abitur hinzu. Dabei handelt es sich jedoch um einmalige oder nur wenige Jahre wirksame Effekte. Das erschwert es der Politik, darauf zu reagieren. Die Studienanfängerzahlen steigen zunächst massiv an; aber wir können heute schon erkennen, dass spätestens ab dem Jahr 2020 andere Prognosen gehen von früheren Zeitpunkten aus - eine gegenläufige Entwicklung an unseren Hochschulen einsetzen wird. Die Planung wird dadurch erschwert. Die Landesregierung und auch der Landtag haben in den letzten Jahren eines unter Beweis gestellt -

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Andresen?

Sehr geehrter Herr Kollege, ich beziehe mich auf die Aussage, die Sie soeben getroffen haben, dass ab 2020 die Zahl der Studienanfänger wahrscheinlich wieder rückläufig sein werde. Gehen Sie dabei von einer gleichbleibenden Quote an jungen Menschen mit Hochschulreife aus, oder berücksichtigen Sie schon das von der Europäischen Union formulierte Ziel - dem sich die Landesregierung angeschlossen hat -, dass 40 % eines Jahrgangs einen Hochschulabschluss erreichen sollen? Das hat doch sicherlich Auswirkungen auf die Zahl der Studienanfänger.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

- Der Applaus ist gerechtfertigt, weil das eine wichtige Frage in dem Zusammenhang ist. - Natürlich ist das eingepreist, Herr Kollege Andresen. Das ist das gemeinsam verabredete Ziel. Wir haben es in Schleswig-Holstein noch nicht erreicht. Je nachdem, wie wir rechnen, kommen wir pro Jahrgang auf einen Studienanfängeranteil, der zwischen 25 und 27 % liegt. Es ist allerdings schwierig, heute von diesem Rednerpult aus die Frage zu beantworten, ob wir im Jahr 2020 tatsächlich 40 % erreicht haben. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass es im Vergleich zu heute prozentual deutlich mehr Studienanfänger sein werden. Dennoch werden spätestens ab 2020 die Studienanfängerzahlen sinken.

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Was tun Sie beziehungsweise die Koalition denn, um dieses Ziel zu erreichen?

- Darüber haben wir uns hier im Landtag schon in den letzten Sitzungen unterhalten. Auch der Minister hat das in seinem Bericht sehr deutlich gemacht. Dieser liegt nach meiner Kenntnis sogar schriftlich

(Björn Thoroe)

vor. Darin wird dokumentiert, welche Bemühungen es vonseiten der Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Hochschulen gibt, diese Quote zu erhöhen. Das können Sie gern nachlesen.

(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ich zeige Ihnen das nachher, das liegt definitiv schriftlich vor.

Trotz dramatischer Haushaltslage unterstützen wir als Landtag - um uns auch einmal selbst zu loben die Hochschulen größtmöglich, auch in finanzieller Hinsicht. Ich finde, das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Obwohl im Vergleich zu den Haushaltsjahren 2010/2011 die Ausgaben in absoluten Zahlen erstmals sinken, erhöhen wir die Ausgaben für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Land von 409 Millionen auf 427 Millionen €.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

Durch den Abschluss von Zielvereinbarungen werden den Hochschulen für jedes Jahr Mittel garantiert. Das schafft Planungssicherheit. Nicht in jedem Bundesland gibt es das in dieser Form.

Wir stehen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. So reden wir von Kapazitäten für 10.000 zusätzliche Studienanfänger bis zum Jahr 2015. Das Land hat die Komplementärmittel zur Verfügung gestellt. Das sind mehrere Millionen Euro, also ein erheblicher Betrag. Nachdem die neue Herausforderung des Wegfalls der Wehrpflicht auf uns zugekommen war, sagte diese Landesregierung zu, noch 16 Millionen € oben drauf zu zahlen, um dem Ansturm an Studienanfängern gerecht zu werden.

(Beifall bei CDU und FDP - Rasmus Andre- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne mit der Wimper zu zucken hat Herr Wiegard das gemacht!)

Wir sind uns einig: Den Studienanfängeransturm begreifen wir als Chance. Gerade weil wir ein rohstoffarmes Land sind, müssen wir in die Köpfe junger Menschen investieren.

Herr Andresen, auch wenn Sie das bestimmt entsprechend kommentieren werden, stelle ich fest: Nicht ohne Grund haben wir damals das Angebot Niedersachsens abgelehnt, uns Studienanfängerkapazitäten abzunehmen.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der da!)

- Ja, er hat das durchgesetzt.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Wiegard?)

- Ich konnte nicht sehen, auf wen Sie zeigten. Aber wir sind uns einig, dass Herr de Jager es erreicht hat,

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)

dass wir das Angebot abgelehnt haben, obwohl es verlockend gewesen ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Uns ist die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres Landes wichtig.

Die Wohnraumsituation ist angespannt - wer wollte das an der Stelle bestreiten? Investitionen in zusätzliche Kapazitäten sind notwendig. Unsere Versorgungsquote ist im Ländervergleich ohne Zweifel zu niedrig. Aber angesichts der Haushaltslage wird das Land allein das nicht alles lösen können, da sind wir auf die Unterstützung durch Private und durch gemeinnützige Träger, die es im Land durchaus gibt, angewiesen. Schon heute sind einige Förderprogramme des Landes gezielt darauf angelegt; bereits in den vergangenen zehn Jahren sind auf dieser Grundlage fast 1.000 zusätzliche Wohnplätze geschaffen worden. Es ist nicht so, dass die Landesregierung erst jetzt handelt. Ich betone: Wir dürfen die Hochschulen damit nicht alleinlassen.