Protocol of the Session on September 16, 2011

- Frau Kollegin Pauls, Sie wissen es doch besser. Eine Berufsordnung beschreibt immer nur abstrakte, übergeordnete Pflichten, die für alle Pflegenden gleichermaßen gelten sollen. Ich wage zu bezweifeln, dass man Pflegende durch eine öffentlich-rechtliche Berufsordnung an fundamentale Pflichten wie die Schweigepflicht ernsthaft erinnern muss.

Ich bin überzeugt davon: Viel wirksamer als eine staatliche Berufsordnung wäre eine innerbetriebliche, und zwar im Rahmen des Direktionsrechts der Pflegedienstleitungen. Eine solche innerbetriebliche Berufsordnung kann übrigens mit wirksamen Sanktionsmöglichkeiten versehen werden. Daran, dass Arbeitgeber im Gesundheits- und im Pflegesektor dieser Verantwortung gerecht werden, führt ohnehin kein Weg vorbei.

(Zuruf der Abgeordneten Birte Pauls [SPD])

- Frau Kollegin Pauls, Sie rufen dauernd dazwischen.

(Zuruf von der SPD)

- Es ist doch völlig in Ordnung, dass sie dazwischenruft!

Frau Kollegin Pauls, ich weiß nicht, mit wem Sie sprechen. Bei meinen letzten Besuchen sowohl in akut-stationären Einrichtungen als auch in Pflegeeinrichtungen habe ich genau das Anliegen, das Sie vorgetragen haben, zur Sprache gebracht; ich nehme Ihre Anliegen - jenseits von oppositionellem Geklingel und Getöse hier im Landtag - nämlich ernst. Unisono wurde mir geantwortet: Wenn das unser Problem wäre, wäre es schön.

Deswegen packen wir die Probleme an, die in den Pflegeeinrichtungen und den Krankenhäusern tatsächlich bestehen, anstatt uns hier rhetorisch etwas zu Themen um die Ohren zu hauen, bei denen es im Moment keinen Handlungsbedarf gibt. Diesen hat

(Minister Dr. Heiner Garg)

die Vorgängerregierung übrigens genauso wenig gesehen wie die jetzige Regierung.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Landesregierung hat ihre Redezeit um zweieinhalb Minuten überzogen. - Ich sehe trotz alledem keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag Drucksache 17/993 abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 17/993 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW abgelehnt worden ist. Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt abgearbeitet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Soziale Ausrichtung und finanzielle Grundlagen der Arbeitsförderung sichern

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1771

Änderungsantrag der Fraktionen von SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1821 (neu) - 2. Fassung

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1833

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Fraktionsvorsitzenden Antje Jansen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt keinen Automatismus, dass bei sinkenden Arbeitslosenzahlen weniger Geld für Arbeitsmarktpolitik benötigt wird. - Diese Aussage stammt von Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Die Erkenntnis ist plausibel, aber die Bundesagentur für Arbeit hat sich die Mühe gemacht, sie mit einer neuen Studie noch einmal zu belegen.

Dahinter steckt die Erfahrung, die wir auch in Schleswig-Holstein machen: Wenn die Zahl der so

zialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse steigt und wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht, werden dabei sogar die Langzeitarbeitslosen mitgenommen. Dennoch verfestigt sich der Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit.

Die Besserqualifizierten, die Jüngeren und die Gesunden finden Arbeit; umgekehrt bleiben diejenigen zurück, die die schlechteren Chancen haben: Ältere, schwerbehinderte Menschen, Migrantinnen und Migranten, Alleinerziehende und Geringqualifizierte.

Das Problem ist: Der Aufwand, der betrieben werden muss, um auch diesen Menschen zu Arbeitsplätzen zu verhelfen, wächst, und mit dem Aufwand steigen auch die Kosten.

Es gibt regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern. Schleswig-Holstein schneidet im Ländervergleich eher mäßig ab. Ein Alarmzeichen sollte für uns sein, dass zwar die Arbeitslosenzahl im Regelkreis des SGB III sinkt, aber im Feld der Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Bezieher stabil bleibt oder sogar noch steigt - und das im wirtschaftlichen Aufwind!

Auf unserem Tisch landen aber vermehrt Prognosen, die auf eine kommende Rezession deuten; die jüngste dieser Prognosen wurde vom Institut für Weltwirtschaft veröffentlicht. Vor diesem Hintergrund ist es blanker Hohn, wenn in Berlin Frau von der Leyen eine krasse Verschlechterung der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorsieht und dann auch noch wagt, das Ganze als „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ zu betiteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Da verbessert sich nichts. Im Gegenteil! Wer wie die Bundesministerin meint, bei sinkenden Arbeitslosenzahlen könnten die Mittel für Arbeitsmarktpolitik rabiat beschnitten werden, richtet Schaden gerade bei jenen Arbeitslosen an, die besondere Unterstützung brauchen.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Sie werden abgehängt und aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik entlassen. Das zementiert den sozialen Abstieg in den Hartz-IV-Bezug noch mehr.

Die im vergangenen Jahr beschlossenen Kürzungen haben sich in den Eingliederungshaushalten der Arbeitsagenturen bereits drastisch ausgewirkt - selbstverständlich auch in Schleswig-Holstein. Jobcenter wie die in Lübeck haben darauf reagiert, indem sie die verbleibenden Mittel auf „Arbeitslose

(Minister Dr. Heiner Garg)

in arbeitsmarktnahen Bereichen“, wie man das so schön nennt, konzentriert haben. Die Eintritte in berufliche Umschulungen mit qualifizierten Abschlüssen wurden zusammengestrichen, und billige Kurzmaßnahmen wie Bewerbungstrainings bleiben erhalten.

Das hat einen einleuchtenden Grund: Parallel zu den Kürzungen in den Eingliederungstiteln hat sich der Druck auf weiter verbesserte Vermittlungsquoten erhöht. Die Tendenz zum Abkoppeln der ohnehin Benachteiligten wird damit zunächst im System der Eingliederungshilfen in den Arbeitsmarkt verankert. Es ist überhaupt kein Wunder, dass zwar die Zahl der Erwerbslosen im Hartz-IVBezug leicht zurückgegangen ist, aber im selben Zeitraum die Zahl der neu begonnenen Weiterbildungsmaßnahmen drastisch gesunken ist. Das fortgesetzte Streichkonzert in der Arbeitsförderung betrifft die Menschen hier in Schleswig-Holstein direkt und unmittelbar. Die Landesregierung ist gefordert, sich dagegenzustellen und ihre Verantwortung wahrzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Landesregierung kann nicht tatenlos danebenstehen und eine Entwicklung zulassen, die den ohnehin benachteiligten Teil der Erwerbslosen Schleswig-Holsteins dauerhaft aus der Gesellschaft ausgrenzt und zur Dauerexistenz in Armut verurteilt. Diese Menschen dürfen nicht ihrem Schicksal überlassen werden.

Die Auskopplung der Langzeitarbeitslosen aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist nicht hinnehmbar. Diese Menschen landen dann im Niedriglohnsektor. Sie werden über Minijobs in AufstockerExistenzen gezwungen.

Nun haben die Fraktionen von CDU und FDP einen Änderungsantrag zu unserem Antrag vorgelegt, der den Ansatz der Bundesregierung begrüßt und fünf Punkte benennt, die die Bundesregierung bei ihrer Reform doch beachten möge. Insbesondere das Wiedereinfügen der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres in der Altenpflege können wir nur unterstützen. Nicht anders ist es mit Ihrem Vorschlag zu niedrigschwelligen Maßnahmen für Jugendliche.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Der Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW hat Vorzüge gegenüber unserem Antrag. Er ist insgesamt sehr

viel konkreter und benennt spezifischer die Forderungen, für die sich die Landesregierung im Interesse der Menschen in Schleswig-Holstein einsetzen sollte.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir werden diesem Änderungsantrag zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Jansen, Sie haben es bemerkt: Mit Ihrer Fundamentalopposition stehen Sie in diesem Haus allein.

Die Arbeitsmarktpolitik hat in ihren politischen Gewichtungen zwei interessante Aspekte. Die Bundesregierung will bekanntlich die Schwerpunkte verändern. Der erste Punkt dabei lautet: mehr Freiheit vor Ort für die Jobcenter. Dies ist eine Forderung, die nicht nur von CDU und FDP kommt, sondern, wenn ich den Antrag richtig gelesen habe, im Kern auch von SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt wird.

Der zweite Punkt, den die Bundesregierung als ihren Schwerpunkt genannt hat, ist der Vorrang der Vermittlung in den regulären Arbeitsmarkt; EinEuro-Jobs sollen eigentlich nur nachrangig angeboten werden. Das sind beides Aspekte der Arbeitsmarktpolitik, über die wir uns hier in diesem Haus in den letzten Jahren weitgehend einig sind. Ich finde, man muss zunächst einmal festhalten, dass es in diesen Fragen auch in diesem Haus einen breiten Konsens gibt. Dies ist ein Wert für sich.

Die Arbeitsmarktentwicklung befindet sich seit 2005 in einer deutlich positiven Veränderung. In Schleswig-Holstein waren im Jahr 2005 etwa 180.000 Menschen arbeitslos. Heute sind es weniger als 100.000. Ich brauche den großen Erfolg gar nicht gesondert herauszustellen. Aber wir müssen uns natürlich auch darüber im Klaren sein - auch insoweit sind wir uns einig -, dass für viele Men

(Antje Jansen)