Protocol of the Session on September 15, 2011

Herr Stegner, Ihre Rede hat mir sehr gut gefallen. Sie hat mich an andere große sozialdemokratische Reden erinnert, die ich schon gehört habe. Es gab ja immer schon Vorsitzende in der SPD, die ich sehr bewundert habe. Es gab einen, der schon vor mehr als zehn Jahren zu Recht darauf hingewiesen hat, dass Euro-bonds eine Möglichkeit sein könnten. Mit welchem Recht wollen wir jetzt über den Vertrag reden und Griechenland rausschmeißen, sind aber überhaupt nicht willens, über den EZB-Vertrag zu reden und zu sagen, auch die EZB könnte Direktkredite an Länder vergeben? Dann wäre die Zinsbelastung für diese Länder längst nicht so hoch. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir zumindest über Eurobonds reden.

Dieser ehemalige SPD-Vorsitzende hat ja auch schon die Transaktionssteuer vor mehr als zehn Jahren in die Debatte geworfen. Besinnen Sie sich

(Rolf Fischer)

doch mal auf Ihren großen Traditionalisten Oskar Lafontaine, und nehmen Sie mehr seiner Anregungen auf! Ich glaube, der hat schon zu Zeiten, als das heutige Problem noch gar nicht absehbar war, nicht nur auf das Problem hingewiesen, sondern auch Lösungswege aufgezeigt. Ich glaube, es gibt Lösungswege. Aber wir werden sie nicht gehen können, wenn wir weiterhin nur versuchen, die Europäische Union und den Euro als Treibstoff für die deutsche Industrie und die deutsche Waffenindustrie zu betrachten.

(Beifall bei der LINKEN)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Kollegin Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ich vorhin schon ausführte, finde ich, dass der Europabericht der Landesregierung in dieser Debatte etwas stiefmütterlich behandelt wird. Das hat Gründe. Umso wichtiger wird es sein, dass wir uns im Europaausschuss mit den einzelnen Punkten dieses Berichts auseinandersetzen,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

dass wir ihn nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern sagen, wo nachgearbeitet werden muss und zu welchen Themen noch Fragen bestehen.

Wir haben vorhin schon einige Fragen an den Bericht formuliert, zum Beispiel die Diskussion über die künftige Dänemark-Strategie der Landesregierung, die ja auch Teil dieses Berichts ist. Diese Problemstellung ist schon ziemlich ausführlich diskutiert worden und wird uns auch im Europausschuss weiterhin begleiten. Das ist auch notwendig, weil eine neue Vereinbarung mit der Region Süddänemark ansteht und weil deutlich gemacht werden muss, dass es auch für diesen Bereich wichtig ist, nicht nur nette Reden zu halten, sondern den Reden immer auch Taten folgen zu lassen.

Das gilt, meine ich, aber auch für andere Bereiche. Ich will nicht verhehlen, dass ich auch bei diesem Bericht manchmal das Gefühl habe, dass die eine Hand nicht so richtig weiß, was die andere tut, was die andere Seite beschlossen hat. Wir haben es mit Kürzungen zu tun. Aber zu diesen Kürzungen gibt es im Europabericht nicht so detaillierte Ausführungen, wie es eigentlich notwendig ist.

Es gibt ja noch einen weiteren Bericht, der im Wechsel mit dem Europabericht vorgelegt wird, nämlich den Ostseebericht. Aber vor dem Hintergrund, dass die Bundesrepublik momentan den Vorsitz im Ostseerat innehat, haben wir es, mit einer Schnittstelle zu tun, die unbedingt auch im zuständigen Ausschuss weiter diskutiert werden muss. Denn das ist eine Chance für uns als Land Schleswig-Holstein; es ist eine Chance, die noch besser genutzt werden muss als bislang; das wird aus dem vorliegenden Europabericht ebenfalls deutlich.

Auch muss die Frage gestellt werden, welche Anliegen wir eigentlich weiterleiten wollen. Denn es kann nicht angehen, dass wir sagen: „Es ist gut und schön, dass die Landesregierung dafür sorgt, dass wir in Brüssel gehört werden“, sondern wir müssen auch eigene Vorstellungen entwickeln. Da teile ich die Auffassung des Kollegen Fischer, dass es Bereiche gibt, in denen Schleswig-Holstein mittlerweile nicht mehr nur von seinem bisherigen Renommee leben kann. Wir haben es schon einmal besser gekonnt und auch besser gemacht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt!)

Meine letzte Bemerkung - das habe ich bereits angekündigt - bezieht sich auf das Abstimmungsverhalten des SSW. Wir haben uns mit den vorliegenden Anträgen intensiv auseinandergesetzt. Wir haben sie heiß diskutiert. Wir haben uns dabei nicht in die Wolle gekriegt, aber wir haben sie doch richtig diskutiert.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was war denn da bei euch los? - Heiterkeit)

Darum sage ich: Das Einfachste wäre, alle drei Anträge abzulehnen. Wer an meinen Redebeitrag von vorhin denkt, kann eine solche Haltung sicherlich nachvollziehen.

Wir werden den Antrag von CDU und FDP ablehnen.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Dieser Antrag ist aus unserer Sicht zu sehr darauf ausgerichtet, glauben zu machen, Sie seien diejenigen, die der Staatsverschuldung ein Ende gesetzt haben. Es soll offenbar der Eindruck erweckt werden: „Wir sind die Guten; wir sind die Besten.“ Das ist sicherlich zu kurz gesprungen.

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

(Heinz-Werner Jezewski)

Ja. - Das werden wir so nicht mittragen.

Wir werden auch den Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN nicht mittragen.

(Vereinzelter Beifall)

Beim Antrag der SPD werden wir uns der Stimme enthalten. Wir haben erkannt, dass dieser Antrag konkrete Ziele vorgibt, die wir mittragen können. Wir werden uns dennoch nicht für diesen Antrag aussprechen, und zwar nicht zuletzt wegen des Themas Eurobonds.

(Beifall beim SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Kollegen Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von unserer Seite noch ein paar Worte zum Europabericht. Zunächst einmal möchte ich ein herzliches Dankeschön an die Landesregierung für diese große Datenbasis richten, für diese umfangreiche Beschreibung, die Sie uns hier geliefert haben. Wir werden dieses Werk für unsere weitere Arbeit sehr gut verwenden können. Herr Callsen hat diese Daten ja bereits im Einzelnen dargestellt.

Frau Spoorendonk hat gerade gesagt, SchleswigHolstein sei intensiv mit den verschiedensten Organisationen verflochten und auch stark in die europapolitischen Interessen involviert. Es ist ausgesprochen wichtig, dass Schleswig-Holstein gegenüber den anderen Bundesländern und gegenüber dem Bund, aber unter Umständen auch gemeinsam mit anderen Ländern, beispielsweise im Nordsee- oder im Ostseeraum, seine Interessen wahrnimmt.

Zu den Inhalten dieses Berichts muss ich zum einen sagen: Was die Zukunft der Strukturfonds anbelangt, was die Darstellung der entsprechenden Europapolitik betrifft, da fehlen mir einfach die Ziele. Man hat den Eindruck, es wird abgewartet, es wird erst einmal geschaut, was die EU vorschlägt. Zudem ist immer wieder - zwar nicht im Europabericht, aber in anderen politischen Aussagen vom „Überrollen“ der alten Strukturfonds die Rede. Ich denke, eine solche Politik ist wie Zocken und nicht gut für das Land, sie ist nicht zielgerichtet. Man muss jedoch mit Zielen an eine Sache herangehen und wissen, was man will. Eine solche Hal

tung muss auch in diesem Bericht zum Tragen kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das nächste Thema ist die Ostsee-Strategie. Wir haben dies in entsprechenden Anträgen bereits deutlich gemacht: Uns fehlt einfach die leitende Funktion Schleswig-Holsteins innerhalb dieser Ostsee-Strategie. Wir haben 84 Leuchtturmprojekte fachlich korrekt heißt es wohl „Flaggschiffe“ -, und bei keinem einzigen dieser Projekte hat SchleswigHolstein die Federführung übernommen. Das haben andere Regionen in Europa getan.

Ich komme nun zur Nordsee-Strategie. Von dieser Nordseestrategie immer nur als „Nordseepolitik“ zu reden, als „Meeresbeckenpolitik“, ist meines Erachtens zu wenig. Wer immer wieder nur von „Meeresbeckenpolitik“ redet, der wird mit einer solchen Politik baden gehen. Wir brauchen eine Nordsee-Strategie, die wirklich auf europäischen Beschlüssen basiert und die tatsächlich eine europäische Ziellinie verfolgt. Aufgrund der Debatten um Techniken bei Gas und Öl, die Energienetze und Offshore wissen wir, dass wir die starke europäische Ebene brauchen, um letztlich auch internationale Regeln für die Nordsee umzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf die Bildungspolitik will ich hier nicht näher eingehen. Immerhin werden knapp zwei der 130 Seiten diesem Thema gewidmet. Was ich jedoch ganz und gar vermisse - Kollege Fischer hat dazu bereits Stellung genommen -, ist die Frage des grenzüberschreitenden Arbeitsmarkts. Dort brauchen wir dringend Regeln. Wir brauchen grenzüberschreitende Regeln, und wir müssen diese Regeln fortentwickeln. Das ist wichtig für die gemeinsame Entwicklung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsraums, auch gerade bei uns in Schleswig-Holstein.

Zur Sozialpolitik finde ich wenig bis gar nichts in diesem Bericht.

(Zuruf von der LINKEN)

Wenn ich den Ostseeraum betrachte, dann stelle ich ein großes Armutsgefälle fest. Gerade Lettland ist durch die Finanzkrise in großem Maße verarmt. Wir müssen im Ostseebericht stärker auf die Frage eingehen, wie wir mit diesem Problem gemeinsam umgehen wollen. Das ist nicht gut für die Wirtschaftsentwicklung im Ostseeraum, und es ist damit auch nicht gut für uns.

Mein vorletzter Satz betrifft die Öffentlichkeitsarbeit. Ich denke, es ist auch in den heutigen Debattenbeiträgen deutlich geworden, dass wir hier im Land eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu der Frage benötigen, warum wir Europa brauchen und weshalb wir uns nicht immer wieder mit negativen Äußerungen von Europa distanzieren dürfen. Solche Fragen gehören ebenfalls in diesen Bericht. Ebenso muss thematisiert werden, dass wir eine Landesaußenpolitik brauchen. Wir brauchen eine Außenpolitik des Landes, die tatsächlich beschreibt, in welchen wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen sich dieses Land befindet, wie wir mit dieser Situation umgehen und mit welcher Strategie wir hier weiterkommen wollen.

Ich möchte darum bitten, dass diese Themen im nächsten Europabericht auftauchen. Damit lassen sich die Voraussetzungen schaffen, um auch diese Politik gut gestalten zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat nun Herr Abgeordneter Ralf Stegner das Wort.

(Heike Franzen [CDU]: Der hat doch schon so viel geredet! - Rainer Wiegard [CDU]: Aber noch nichts gesagt!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Debatte heute Vormittag hat gezeigt, dass es richtig gewesen ist, hier eine Europadebatte in so ausführlicher Weise zu führen. Es war richtig, uns nicht allein auf den Europabericht zu beschränken. Erfreulich finde ich, dass als Gemeinsamkeit in allen Beiträgen das Bekenntnis zu dem deutlich geworden ist, was uns Europa an Fortschritten und Gemeinsamkeiten gebracht hat. Das ist nicht wenig.

Das möchte ich ausdrücklich hervorheben, auch wenn gilt: Die Debatte hat auch gezeigt, wo unsere Unterschiede liegen.

Ich möchte mich mit einer Figur beschäftigen, die der Kollege Kubicki hier eingebracht und die in den Debatten mehrmals eine Rolle gespielt hat, nämlich nach dem Motto: „Man wird doch noch mal sagen dürfen“, oder: „Wir werden doch diskutieren dürfen“. Das ist nicht die Frage. Ich bin ein großer Freund leidenschaftlicher parlamentarischer Debatten. Nichts anderes tun wir hier. Aber wenn sich der

Bundeswirtschaftsminister offiziell äußert, dann ist das nicht unter dem Punkt: „Man wird doch noch mal sagen dürfen“ zu verbuchen, sondern dann ist das das Gegenteil dessen, was seine Bundeskanzlerin versucht. Das richtet richtigen Schaden an. Die FDP hat hier sehr deutlich gezeigt, dass sie nicht willens ist, sich von diesem Kurs zu distanzieren, sondern ihn - im Gegenteil - richtig findet. Da gibt es einen klaren Unterschied zwischen den Freien Demokraten hier im Hause und fast allen anderen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gerade nicht! Das haben Sie missverstanden!)

Denn niemand möchte mit so törichtem Gerede Dinge herbeireden, wie das führende Liberale tun und auch der Landesvorsitzende der FDP tut. Ich habe das vorhin ja zitiert.