Nun zu der wunderbaren Forderung von Eurobonds. Eurobonds, gemeinsame Anleihen, machen Sinn, wenn man die Vereinigten Staaten von Europa hat oder eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Sie machen keinen Sinn, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, und zwar deshalb nicht, weil sie damit denjenigen, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, die Möglichkeit geben, sich über das Maß hinaus, das bisher besteht, weiter zu verschulden, und denjenigen, die diese Kriterien erfüllen - wie Deutschland, Frankreich und andere - Lasten aufbürden, die sie im Zweifel nicht schultern können.
Herr Dr. Stegner, ich sage Ihnen, warum Sie und die Sozialdemokraten von diesem Weg eigentlich ablassen müssten. Sie haben sich gewehrt, Peer Steinbrück hat sich gewehrt, Bund-Länder-Anleihen aufzulegen. Wenn wir Bund-Länder-Anleihen hätten - das heißt, der Bund verschuldet sich mit seinem Rating zu günstigeren Konditionen als die Länder und gibt dies an die Länder weiter -, würde allein das Land Schleswig-Holstein 40 bis 50 Millionen € pro Jahr sparen - Geld, das wir im Moment sparen müssen, den Geldinstituten geben müssen, weil sich der Bund weigert, Bund-Länder-Anleihen
aufzulegen. Dabei würde es in Deutschland Sinn machen, denn wir haben hier einen Haftungsverbund. Wir haben die Schuldenbremse in der Verfassung verankert. Das heißt, keinem Land ist es mehr möglich, sich über das Maß hinaus zu verschulden und damit die günstigeren Konditionen zu nutzen, um Ausgaben zu tätigen, die unterhalb des Konsolidierungspfades liegen. Das machen wir nicht.
Die SPD in Deutschland wehrt sich dagegen, was ich überhaupt nicht verstehe, und fordert gleichzeitig da, wo die Voraussetzungen überhaupt nicht vorliegen, einen entsprechenden Haftungsverbund in Europa. Das ist nicht nur ökonomischer Unsinn, sondern im Zweifel auch sozialpolitischer Sprengstoff. Die Vergemeinschaftung von Schulden darauf ist hingewiesen worden - würde definitiv dazu führen, dass jedenfalls die Zinsausgaben für die Eurobonds höher wären als die Zinsausgaben für -
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das haben wir doch längst durch die Europäische Zentralbank! Daran sind wir doch beteiligt! Oder ist das falsch?)
- Herr Kollege Dr. Stegner, ich bin immer wieder begeistert, wie Sie dokumentieren, wie Ihr ökonomischer Sachverstand ist.
Wir sind zwar an der Europäischen Zentralbank beteiligt, aber die Frage, ob wir für Bundesanleihen mehr Zinsen zahlen, hat mit der Beteiligung an der Europäischen Zentralbank überhaupt nichts zu tun.
- Es geht um die Frage, ob wir für die Aufnahme von Krediten am Kapitalmarkt mehr Zinsen zahlen müssen. Nur um diese Frage geht es. Das hat mit der Beteiligung an der EZB überhaupt nichts zu tun.
Es tut mir leid - oder auch nicht -, aber es dokumentiert tatsächlich Ihr komplettes ökonomisches Unverständnis. Wenn Sie feststellen, dass die Zinszahlungen für Anleihen des Bundes in Eurobonds höher wären als für Anleihen in Euro nur auf der Grundlage der deutschen Schuldenaufnahme, müssen Sie immer fragen: Wo kommen die zusätzlichen Mittel her, die Sie aufwenden müssen, um diese Zinszahlungen zu leisten? Dann müssen Sie den
Menschen in Deutschland, in Schleswig-Holstein erklären, dass wir weiterhin einige Ausgaben nicht tätigen können, dass wir weiterhin Probleme haben, Kindergärten zu finanzieren, Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit - oder was immer Sie wollen zu finanzieren.
- Herr Kollege Schippels, weil Sie schlicht und ergreifend wegen der Veränderung der Refinanzierungsstruktur mehr aufwenden müssen als bisher! Da können Sie sagen: Das ist unser solidarischer Beitrag, um Europa am Leben zu erhalten. Ich sage Ihnen, es ist ein ökonomisch völlig unvernünftiger Weg, weil er nicht dazu führt, dass die Krise in Griechenland oder anderswo gelöst wird, sondern weil er dazu führt, dass die Europamüdigkeit in Deutschland und anderswo zunehmen wird, weil die Menschen nicht bereits sind zu akzeptieren dass sage ich Ihnen ganz ernsthaft -, dass sie hier bis 69 arbeiten müssen, damit anderswo Menschen mit 55 in die Rente gehen können, und sie das finanzieren sollen. So einfach ist das.
- Dass aus Ihrem Mund in meine Richtung kommt, ich hätte etwas mit Rechtspopulismus zu tun, finde ich eine Unverschämtheit.
- Warum argumentieren Sie nicht und versuchen zu denunzieren? Damit erreichen Sie, dass die Distanz der Menschen zur Politik, weil wir darüber nicht mehr debattieren, größer wird und dass die Europamüdigkeit größer wird und die europäische Idee in den Herzen der Menschen langsam erstirbt, weil sie nicht mehr mitgenommen werden können auf dem Weg zu einer Solidargemeinschaft innerhalb Europas, sozusagen nur noch mit moralischen Appellen bombardiert werden und das Gefühl haben, sie würden überfordert mit dem, was von ihnen erwartet wird.
Noch ein Hinweis! Das Bundesverfassungsgericht hat dankenswerterweise - ich sage „dankenswerterweise“, obwohl es hart an der Grenze war - die Bundesregierung bei dem europäischen Rettungsschirm unterstützt und die Klagen abgewiesen. Aber ich empfehle allen Beteiligten, das Urteil zu lesen. Da sind Leitplanken drin. Herr Kollege Habeck, ich habe Ihren Beitrag im „Hamburger Abendblatt“ gelesen. In dem Urteil sind Leitplanken drin, die sind nicht ohne. Da steht beispielsweise drin, dass der Gesetzgeber - der Gesetzgeber! -, das Parlament, gehindert ist, Maßnahmen zu beschließen, die eine dauerhafte Überforderung des Bundeshaushaltes intendieren. Das bedeutet: Wenn wir bei 100 % Garantiesumme des Bundeshaushalts sind, ist Schicht im Schacht.
Das heißt eben: Wir müssen uns fragen: Reichen die Maßnahmen, die jetzt auf den Weg gebracht werden, bis dahin aus, und was passiert, wenn wir darüber hinausgehen?
Das Schlimmste, was uns in der politischen Klasse passieren kann, ist, dass uns das Bundesverfassungsgericht bei der nächsten Klage reinschreibt: Von Verfassungs wegen sind wir daran gehindert, Maßnahmen zu ergreifen, die wir unter Umständen ökonomisch für sinnvoll halten.
Deshalb sage ich noch einmal, Herr Dr. Stegner: Eine ernsthafte Debatte sieht anders aus, als sich wechselseitig mit moralischen Überzeugungen zu überziehen und zu denunzieren.
In einer ernsthaften Debatte sind die Fragen zu beantworten: Was ist ökonomisch sinnvoll? Was können wir leisten? Die Debatte hat vor allem unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, die europäische Idee in unseren Herzen zu retten und zu forcieren. Um das zu erreichen, muss die Debatte allerdings anders geführt werden als so, wie Sie sie führen.
Der letzte Punkt meiner Ausführungen betrifft die Finanztransaktionssteuer. Herr Dr. Stegner, da Sie immer verfolgen, was ich sage und schreibe, erinnern Sie sich sicherlich daran, dass ich bereits vor anderthalb Jahren dafür geworben habe - auch in meiner Partei -, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Politik gut beraten ist, die Finanzmärkte mit Regeln in den Griff zu bekommen, statt ihnen dauernd hinterherzulaufen. Es reicht nicht, ständig den „Primat
Dabei ist allerdings genau hinzuschauen, was wann wo greift. Eine Finanztransaktionssteuer ohne Großbritannien ergäbe überhaupt keinen Sinn; denn dann wäre London der Finanzplatz, an dem alle Transaktionen ausgeführt würden, weil dort keine Steuer anfällt. Das wäre also nur ein Placebo für die Wüste. Eine Finanztransaktionssteuer hat nur Sinn, wenn sie wenigstens in allen Ländern des gemeinsamen Europa erhoben wird.
Was bestimmte Geschäfte angeht, so bin ich selbstverständlich dafür, dass wir es den Banken schlicht und ergreifend untersagen, solche Geschäfte auszuführen. Herr Koch, bei aller Liebe, aber Wetten auf den Verfall von Währungen, Wetten auf den Verfall von Ländern und Wetten auf den Verfall von Aktien durch Leerverkäufe sollten wir nicht mehr zulassen!
Herr Dr. Stegner, Ihr Parteifreund, Herr Asmussen, der im vergangenen Jahr dankenswerterweise Gastredner beim Sommerempfang der FDP war, wird Ihnen aber erklären, dass auch in Bezug auf diese Geschäfte das isolierte Vorgehen einzelner Staaten nicht weiterhilft, weil sie sonst woanders abgeschlossen werden und wir unsere Finanzindustrie in Deutschland im Wettbewerb benachteiligen. Wir brauchen also auch hier europäische Lösungen. Ich betone: Diese erreichen wir nicht durch Denunzierung, sondern nur durch Argumentation und Austausch von Meinungen. Dafür werbe ich. Wenn diese Europadebatte ein Anfang dafür wäre, dass wir wenigstens in unserem Haus darüber diskutieren könnten, wie es weitergehen soll, dann wäre ich sehr dankbar.
Eines ist jedenfalls klar, Herr Dr. Stegner: Länder, die in ihre Verfassung keine Schuldenbremse eingebaut haben - wir haben sie im Grundgesetz verankert -, müssen erst diese Aufgabe erledigen, bevor sie Anspruch erheben können, von uns Hilfe zu erhalten.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwei Anmerkungen vorweg: Erstens. Sehr geehrter Herr Callsen, verantwortliche Finanzpolitik mag vor der eigenen Haustür beginnen, aber sie darf nicht vor der eigenen Haustür enden. Deswegen ist der Kontext, in dem wir den Europabericht der Landesregierung zur Kenntnis nehmen, ein ganz anderer. Wir müssen den Europabericht in einer viel größeren Dimension behandeln - ich werde versuchen, das in meiner Rede durchzudeklinieren -, als wir ihn noch vor einem Jahr angelegt haben.
Zweitens. Herr Kollege Kubicki, es ist gut, wenn Sie klargestellt haben, dass es keine Patentlösungen gibt und dass eine ernsthafte Debatte geführt werden muss. Wenn man das will, dann muss man aber auch so reden und darf nicht vorgaukeln, man habe eine Patentlösung.
Herr Kubicki, wenn Sie fordern, die Debatte anders zu führen, dann sage ich: Vor allem die FDP muss die Debatte anders führen!
Ich stelle fest: Sie haben kein Konzept. Sie haben keine Konzeption für Europa vorgelegt. Das ist durchaus wohltuend, weil andere in Ihrer Partei glauben, Sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen.