Protocol of the Session on August 25, 2011

(Tobias Koch)

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist bei uns etwas anders - wir beherrschen nicht nur ein Thema, sondern mehrere. Das unterscheidet unsere Fraktion von anderen.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Zunächst einmal herzlichen Dank an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ihren Antrag. Anscheinend müssen wir insbesondere der FDP-Fraktion immer noch vor Augen führen, worüber in Berlin diskutiert wird. Wenn ich die Zwischenrufe von vorhin richtig deute, komme ich zu dem Schluss, dass einige Mitglieder der FDP-Landtagsfraktion noch nicht wissen, was die FDP-Bundestagsfraktion nach wie vor fordert: Steuersenkungen. Das geht gar nicht!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein Blick in die USA, wo Reiche Zug um Zug steuerlich entlastet worden sind, zeigt, dass der gewünschte Effekt nicht eingetreten ist. Auch hier in Deutschland - das muss ich als Sozialdemokrat selbstkritisch anmerken - haben wir leidvoll erfahren müssen, dass Steuersenkungen nicht zu der erhofften Überkompensation durch Steuermehreinnahmen geführt haben. Das stellen wir leider überall auf der Welt fest.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Ihr habt sie doch erhöht!)

- Wir haben keine Steuern erhöht; als wir auf Bundesebene an der Regierung waren, haben wir Steuern gesenkt. Aber ich kann gut verstehen, dass die LINKE das nicht mitbekommen hat.

Die Kommunen haben überwiegend Pflichtaufgaben zu erfüllen; dafür brauchen sie verlässliche Einkünfte. Deshalb sind mit der SPD Steuersenkungen nicht machbar. Wie es um die Finanzen des Landes Schleswig-Holstein steht, sehen die Mitglieder dieses Hauses regelmäßig in den Haushaltsberatungen.

Wir werden keine Steuersenkung mittragen, mit der die Finanzen des Landes zulasten von Bürgerinnen

und Bürgern, kleinen Initiativen und Schulen, zulasten der Sicherheit oder der Interessen des Landes geschwächt werden. Das ist kein „Geschnacke“, Herr Minister Wiegard. Wenn Sie „Schnacker“ sagen, muss ich Ihnen entgegen: Ihr Konzept ist im Bund bisher auch nicht zum Tragen gekommen. Insofern sollten Sie lieber handeln als hier weiter herumzureden.

Ich möchte den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dazu nutzen, noch einmal zu verdeutlichen, dass die Entlastung von Geringverdienenden aus der Sicht der SPD dringend geboten ist.

(Beifall bei der SPD)

Dies kann jedoch nicht in Form von Steuersenkungen geschehen, von denen Geringverdiener überhaupt nichts haben, weil sie kaum Einkommensteuer zahlen müssen, wenig zu vererben haben und nur zu kleinen Teilen am Konsum partizipieren können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten gezielt bei den Geringverdienenden ansetzen, wenn es darum geht, Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Ich wünsche mir einen konstruktiven Diskurs über die Konzepte, die es dafür gibt. Ich nenne beispielhaft die Bürgerversicherung, das Progressionsmodell für Sozialversicherungsbeiträge und das Kinderfreibetragsmodell in der Sozialversicherung.

(Christopher Vogt [FDP]: Linke Tasche, rechte Tasche!)

Die Effekte solcher Maßnahmen kämen bei denen an, die sie dringend brauchen. Sie gingen vor allem nicht zulasten von Ländern und Kommunen. So kann Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik gehen, meine Damen und Herren. Wir sollten uns daranmachen, zügig darauf hinzuarbeiten.

CDU und FDP dagegen wollen langatmig eine Idee nach der nächsten zu Tode reden und halten sich für die nächsten zehn Jahre sogar Steuersenkungen offen. Frau Heinold hat dazu genügend ausgeführt; deswegen halte ich mich zurück.

Dennoch gestatte ich mir die Anmerkung: Lieber Kollege Koch, ein Impuls ist von Ihrem Antrag wirklich noch nicht ausgegangen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich kann auch nicht erkennen, dass Sie Ziele formuliert haben. Man sieht also nicht, wo Sie tatsächlich

(Tobias Koch)

hinwollen. Sie sagen: Man könne zwar über alles schnacken, aber letztlich solle man so weitermachen wie bisher. In Ihrer Rede vorhin haben Sie doch selbst angedeutet, was momentan in Berlin alles durchs Dorf gejagt wird. Da sollen die Steuern hier gesenkt und dort umstrukturiert werden, aber ein richtiges Konzept steht nicht dahinter.

Die Länder brauchen gute Steuereinnahmen, weil sie nicht nur ihre Schulden reduzieren wollen, sondern auch in Schulen und Hochschulen investieren wollen und müssen. Die Kommunen brauchen gute Steuereinnahmen, weil sie nicht nur ihre Schulden reduzieren wollen, sondern auch in frühkindliche Bildung investieren wollen und müssen. Das Land und die Kommunen brauchen gute Steuereinnahmen, um die Infrastruktur, wie Straßen, Büchereien, Nahverkehr und Breitband, erhalten und ausbauen zu können.

Sie wissen, dass die SPD-Fraktion für die Schuldenbremse steht. Ich bin jedoch ein engagierter Gegner des Kaputtsparens.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Unsere Gesellschaft sollte sich schleunigst daranmachen, gerechter zu werden und einen Konsens zu finden, auf welche öffentlichen Aufgaben es heute und in Zukunft ankommt. Wer es sich leistet, wider besseres Wissen - wir wissen es tatsächlich besser -, Steuersenkungen zu fordern oder zu unterstützen oder auch nur im Bundesrat mit faulen Deals zu akzeptieren, handelt gegen die Interessen des Landes Schleswig-Holstein und der schleswigholsteinischen Kommunen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Daher tragen wir die Forderung der Grünen mit: Wir fordern die Landesregierung auf, im Bundesrat Steuersenkungen abzulehnen. Machen Sie gegenüber der Bundesregierung deutlich: Mit SchleswigHolstein gibt es keine Steuersenkungen!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Katharina Loedige.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein schwerer Gang!)

Es ist schön, dass sich alle freuen. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in Deutschland in diesem und im vergangenen Jahr so hohe Steuereinnahmen erzielt wie nie zuvor. Ich weiß überhaupt nicht, worüber Sie diskutieren, wenn Sie behaupten, die Steuern dürften nicht gesenkt werden. Wir haben kein Einnahmenproblem. Das hat die Opposition noch immer nicht verstanden.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie vielleicht nicht!)

Wir haben ein ganz massives Ausgabenproblem, sowohl in Schleswig-Holstein als auch in der Bundesrepublik insgesamt.

Wenn schon die Steuerberater und die Wirtschaftsprüfer über das deutsche Steuersystem nur noch den Kopf schütteln, obwohl dieses System ihnen doch die Mandanten in Scharen in ihre Kanzleien treibt, ist etwas faul in unserem Land.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold?

Frau Loedige, ist Ihnen bekannt, dass nach Angaben des Bundesfinanzministeriums das gesamtstaatliche Defizit 43 Milliarden € beträgt? Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie diese Lücke allein durch Sparmaßnahmen schließen wollen?

- Nein, Sie haben mich falsch verstanden. Ich komme in meiner Rede noch dazu. Das Defizit werden wir nicht allein durch Sparmaßnahmen beseitigen können, aber auch nicht durch Steuererhöhungen.

Das deutsche Steuerrecht muss - auch und gerade vor dem Hintergrund der Schuldenbremse - grundlegend überarbeitet werden. Es muss einfacher, transparenter und insbesondere für die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen gerechter werden.

(Beifall bei der FDP)

Es kann nicht sein, dass nur 46 % der Gehaltserhöhung des Beziehers eines mittleren Einkommens bei ihm ankommt. Mehr als die Hälfte dieser Gehaltserhöhung behält der Staat für sich. Schade, dass SPD und Grüne Facharbeitern, Krankenschwe

(Olaf Schulze)

stern, Polizisten und anderen Normalverdienern ihren Anteil am Aufschwung verweigern wollen, weil sie diese Berufsgruppen schon als Spitzenverdiener ansehen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist doch eine Unverschämtheit!)

- Doch, doch! - Jürgen Trittin nannte das Ziel der Abmilderung der „kalten Progression“ sogar eine „abgehobene Debatte der oberen Mittelschicht und der Oberklasse“. Das können Sie auf „Spiegel-Online“ vom 4. Juli 2011 nachlesen.

Und überhaupt: Sie reden permanent von „Steuergeschenken“. Was sind eigentlich in Ihren Augen Steuergeschenke?