Protocol of the Session on August 24, 2011

(Widerspruch bei CDU und FDP)

Wir fordern Sie auf, den Dialog mit Ihren dänischen Parteifreunden zu suchen. Nutzen Sie Ihre Kontakte, die Sie innerhalb der europäischen Parteien offensichtlich noch haben!

Es gab in den vergangenen Wochen auch Stimmen, die aufgrund von diplomatischen Gepflogenheiten oder um Dansk Folkeparti -

(Zuruf: Armselig!)

- Das ist nicht armselig, sondern die Wahrheit. Wer regiert denn in Dänemark? Ihre europäischen Parteifreunde!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Ich fordere Sie auf, mit denen in den Dialog einzutreten. Ich weiß nicht, warum Sie sich dagegen so wehren, auf Ihre liberalen Parteifreunde in Dänemark zuzugehen. Sie wissen doch genauso gut wie ich, wer dort im Moment Staatsminister ist. Deswegen hatte ich sie ja aufgefordert, mit denen zu sprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Es gab in den vergangenen Wochen auch Stimmen, die aufgrund von diplomatischen Gepflogenheiten oder um Dansk Folkeparti in der innerdänischen Debatte nicht den Rücken zu stärken, auf kritische Beiträge lieber verzichtet hätten. Ich glaube hingegen, dass Schweigen und Konflikte zu tabuisieren der falsche Weg ist. Es ist der falsche Weg, weil es Rechtspopulismus Platz zum Verbreiten gibt.

In Zeiten, in denen antieuropäische Tendenzen bis in die Regierungsfraktionen des Deutschen Bundestages hineinreichen, ist es umso wichtiger, konsequent für Europa und gegen Rechtspopulismus zu streiten. Es geht grundsätzlich darum, nicht zuzulassen, dass Europa auseinanderbricht. Es geht darum, ob wir ein Europa einzelner Nationalstaaten wollen oder ob uns die europäische Gemeinschaft noch etwas wert ist.

Diese Debatte ist vielschichtig, und es wird keine einfachen Antworten geben. Wir Grünen stehen für ein offenes, ein solidarisches und ein demokratische Europa. Wir stehen deshalb gegen antieuropäische Tendenzen, gleichgültig ob sie von rechts oder von links kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Populistische Schnellschüsse, wie etwa Boykotte gegen Dänemark zu verhängen, wie es FDP- und auch Linksparteipolitiker in der Sommerpause gefordert haben, sind für die Debatte jedenfalls äußerst kontraproduktiv.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es ist hingegen ein starkes Zeichen, wenn im Frühsommer von allen im Landtag vertretenen Parteien sowie einer ganzen Reihe dänischer Jugendorganisationen aus dem Grenzland für offene Grenzen

(Rasmus Andresen)

und gegen die Maßnahmen der dänischen Regierung am Grenzübergang Kruså demonstriert wurde. Auch für diese Jugendlichen sollten wir uns verstärkt für offene Grenzen einsetzen. Die jungen Dänen und Schleswig-Holsteiner sind das lebende Beispiel für das Zusammenwachsen in der Grenzregion und somit dafür, für welches Symbol der Idstedtlöwe in Zukunft stehen wird: für eine positive gemeinsame Zukunft! Die Menschen im Grenzland haben mehr verdient als Rückschritte in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie es beispielsweise in der Vergangenheit in der Minderheitenpolitik der Fall war.

Als Landtag haben wir uns - übrigens auch einstimmig - für Sønderborg und die Grenzregion als europäischer Kulturhauptstadt 2017 ausgesprochen. Die Grenzkontrollen schaden der Bewerbung massiv. Auch um ein Zeichen für die Kulturhauptstadt 2017 zu setzen, müssen wir uns aktiver gegen die Grenzkontrollen engagieren.

Doch was macht die schwarz-gelbe Koalition? - Sie unterstützt den Bau von Grenzkontrollanlagen aktiv. Die dänischen Verkehrsbehörden und der dänische Zoll haben bereits angekündigt, dass diese Anlagen natürlich auch für Grenzkontrollen eingesetzt werden sollen. Die Grenze ist damit im wahrsten Sinne des Wortes überschritten. Sie hätten spätestens nach der Ankündigung der dänischen Behörden handeln müssen.

Da das nicht nur eine Frage von Landespolitik, sondern auch von Bundespolitik ist, müssen sie halt den Kontakt zur Bundesregierung suchen, der doch in anderen Politikfeldern sonst immer so vorbildlich ist.

Die Position Ihrer Regierung ist völlig unklar, Herr Ministerpräsident. Am 19. Mai 2011 werden Sie noch im „Hamburger Abendblatt“ mit der Aussage zitiert, dass Sie die Kritik aus Deutschland an Dänemark nicht verstehen. Sechs Tage später heben Sie als Abgeordneter im Landtag die Hand für den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen, der Kritik an der dänischen Regierung formuliert. Wir freuen uns natürlich über Lernerfolge beim Ministerpräsidenten, jedoch fragen wir uns, wie nachhaltig diese wirklich waren. Der designierte Spitzenkandidat der CDU, Verkehrsminister Jost de Jager, scheint von dem Landtagsbeschluss jedenfalls nicht viel zu halten und fühlt sich dem nicht verpflichtet. So äußerte er laut der Zeitung „Nordschleswiger“ am 5. August gegenüber seinem dänischen Amtskollegen Hans Christian Schmidt großes Verständnis für die Einführung von Grenzkontrollen.

Wir fordern Sie deshalb auf, Herr Ministerpräsident, hier im Landtag zu erklären, welche Bedeutung für Sie der Landtagsbeschluss aus der Plenartagung im Mai hat und welche Konsequenzen Ihr Kabinett daraus gezogen hat. Treten Sie ein in einen aktiven Dialog mit der dänischen Seite! Am Spielfeldrand zu stehen ist diesmal nicht genug: Es wird Zeit, politisch zu handeln.

Ich finde es gut, wenn die Anträge an den Ausschuss überwiesen werden. Es kann ja sein, dass wir da noch einen Kompromiss finden, auch wenn uns persönlich die Kritik an der Landesregierung sehr wichtig ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man mag ja geteilter Meinung zu Europa sein, wie es heute aufgestellt ist. Man mag sich streiten, ob es sinnvoll ist, diejenigen Libyer, die es nicht geschafft haben, gegen ihren Despoten aufzustehen und zu kämpfen, die ihr Land voller Furcht verlassen haben, im Mittelmeer von europäischen Polizeikräften bekämpfen zu lassen. Ich finde das falsch. Man mag sich auch streiten, ob es sinnvoll ist, europäische Großbanken mit Milliarden zu stützen und gleichzeitig die Menschen in Griechenland, Portugal oder Irland zu zwingen, ihre Sozialsysteme zu zerschlagen. Ich finde auch das falsch.

Aber über eines kann man in Europa in der heutigen Zeit nicht mehr streiten: Das ist der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Dieses Konzept des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, das die Grundlage der Schengener Vereinbarungen bildet, steht ausdrücklich im Range eines Ziels der Europäischen Union. Wenn wir diese Formulierung auf Deutschland anwenden würden, könnten wir sagen, es hat auf EU-Ebene so etwas wie Verfassungsrang.

Freiheit und Sicherheit lassen sich aber nicht gegeneinander ausspielen, sie bedingen einander. Das ist uns allen anhand der tragischen Ereignisse in Norwegen vor wenigen Wochen klar geworden.

Aber lassen Sie auch mich kurz zurückblicken auf die Geschichte des deutsch-dänischen Verhältnisses vor und nach der Entwicklung der Europäischen

(Rasmus Andresen)

Union und der damit verbundenen Vereinbarungen und Verträge.

In der nächsten Woche wird der dänische Kronprinz als Vertreter des Staates Dänemark in Flensburg den sogenannten Idstedt-Löwen dahin zurückbringen, wo er ursprünglich aufgestellt wurde

(Zuruf von der CDU: Der Bruder!)

- Entschuldigung, der Bruder des Kronprinzen, aber auch er als Vertreter des Staates Dänemark -, aufgestellt als Symbol eines dänischen Siegs über den preußischen Staat. Nur kurz durfte er damals dort stehen, dann besiegten die gerade geschlagenen Preußen den dänischen Gegner, schlugen dem Löwen den Kopf ab und brachten ihn nach Berlin. Jetzt wird dieser Löwe wieder nach Flensburg kommen, heute als Symbol einer neuen, einer gewachsenen und entwickelten Nachbarschaft, die nicht mehr darauf aus ist, Kriege zu führen.

Der Abriss der Grenzanlagen vor einigen Jahren war ein Symbol des Prozesses, der zu dem Europa geführt hat, das wir heute kennen. Und das sollten wir unseren dänischen Nachbarn klarmachen: Wer Grenzen zieht, der gefährdet den Frieden.

Nun wissen wir, dass die Dänen die Schengener Verträge teilweise etwas anders sehen als die anderen Mitgliedstaaten der EU. Die Dänen haben eine Sonderklausel durchgesetzt, nach der das sogenannte „Schengenrecht“ in unserem Nachbarland nicht als Teil des Gemeinschaftsrechts, sondern nur auf völkerrechtlicher Basis gilt. Nach allgemeiner Rechtsauffassung deckt allerdings auch diese Ausnahmeregelung nicht, dass an den dänischen Grenzen zu EU-Nachbarländern ständige Personenkontrollen durchgeführt werden.

Hier bin ich schon beim Streitpunkt. Sind es denn eigentlich Personenkontrollen, die die Dänen zukünftig durchführen wollen? Oder sind es ,,nur“ Zollkontrollen? Momentan frage ich mich aber, wieso diese Unterscheidung wichtig sein soll, denn Dänemark ist, wie alle anderen EU-Länder, Mitglied der europäischen Zollunion und des europäischen Wirtschaftsraums. Zwischen diesen Ländern gilt der freie Warenverkehr, Zollkontrollen finden daher ausschließlich statt, um zu verhindern, dass Waren von außerhalb dieses Wirtschaftsraums in das Land mit den niedrigsten Außenzöllen importiert und von dort aus in andere Mitgliedstaaten mit höheren Außenzöllen weitergeschafft werden.

Das macht ganz deutlich: Dänemark geht es offensichtlich nicht darum, Zollvergehen zu verhindern,

denn dazu gibt es gar keinen Anlass. Dänemark geht es darum, verstärkte Personenkontrollen an seinen Außengrenzen durchzuführen. Nein, ich muss mich korrigieren: Dänemark geht es nicht darum, der dänischen Volkspartei geht es darum. Sie will so ihr Profil als Partei der Saubermänner schärfen und ihre fremdenfeindliche Hetze weiter in die Bevölkerung tragen.

Wie man hört, tut den anderen - bürgerlichen - Mitgliedern der Regierungskoalition in Dänemark der Deal, der dazu geführt hat, mittlerweile schon leid. Wir sollten also nicht ein ganzes Land an den Pranger stellen, wenn wir wissen, dass nur eine Interessengruppe, deren politischer Einfluss zudem auch noch zu schwinden scheint, für diese Vorgänge verantwortlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch den meisten Dänen ist bekannt, was passieren würde, wenn ihr Land wirklich diese Kontrollen dauerhaft etablierte. Das würde den faktischen Austritt Dänemarks aus den Schengener Verträgen bedeuten. Das würde bedeuten, dass wir als Deutsche an der deutsch-dänischen Grenze EU-Außenkontrollen durchführen müssten. Das würde auch bedeuten, dass die gesamte Planung für eine feste Fehmarnbelt-Querung überarbeitet werden müsste. Und es würde faktisch bedeuten, dass die Europäische Kulturhauptstadt 2017 in einem Land liegen würde, das sich dem Europa, wie der überwiegende Teil der Europäer es sieht, nicht zugehörig fühlen will. Das ist ein unmöglicher Zustand.

(Beifall bei der LINKEN)

Rein faktisch reden wir hier heute über diese Vorgänge, weil bereits vor Jahren ein Vertrag geschlossen wurde, der es den dänischen Behörden erlaubt, verkehrsregulierende Maßnahmen auf deutschen Autobahnen durchzuführen. Das war im Jahre 2008 ein Vertrag, der kaum Aufsehen erregt hat. Vor allem war es ein Vertrag, dessen Möglichkeiten von der dänischen Seite bisher überhaupt nicht ausgenutzt wurden. Mich macht es sehr nachdenklich, dass diese Maßnahmen gerade jetzt umgesetzt werden sollen, wo es Beschlüsse gibt, wieder ständige Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze durchzuführen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn die deutsche Seite ihre Zusagen aus diesem Vertrag einhalten würde. Aber das ist nur unter einer Bedingung möglich, unter der Bedingung, dass auch die dänische Seite die Grundlage dieses Vertrages einhält, die da lautet: Wir werden europäisches Recht ak

(Heinz-Werner Jezewski)

zeptieren, und wir werden keine ständigen Grenzkontrollen durchführen.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Wie gesagt, niemand will das, weder wir hier in Schleswig-Holstein noch unsere Nachbarn in Dänemark, noch die zuständigen EU-Gremien, nur die dänischen Rechtspopulisten und - gezwungenermaßen - die Koalitionspartner in der dänischen Staatsregierung. Aber wir erwarten von der dänischen Regierung dazu eine klare Aussage.

Nun wird innerhalb der nächsten Monate in Dänemark gewählt. Ich verstehe die Bedenken. Auch ich glaube, wir sollten uns hüten, in den jetzt beginnenden Wahlkampf einzugreifen. Wir sollten unsere Positionen klar machen, wir sollten dabei die Gemeinsamkeiten betonen, zu denen die einmütige Ablehnung ständiger Grenzkontrollen gehört.

Deswegen freue ich mich sehr, dass die Anträge in den Ausschuss gehen sollen und dass dort noch einmal versucht werden soll, einen gemeinsamen Antrag zu erstellen. Ansonsten ist DIE LINKE in der Lage, allen vorliegenden Anträgen zuzustimmen. Wenn wir uns allerdings entscheiden müssten, dann würden wir dem weitestgehenden zustimmen, und dann würden wir dem Antrag von SPD und Grünen zustimmen.