Protocol of the Session on July 1, 2011

Trotzdem warne ich vor einer einseitigen Ausrichtung der Hafenentwicklung auf den OffshoreMarkt. Ohne Zweifel steckt Offshore-Windkraft noch in den Kinderschuhen und hat erheblich Wachstumschancen. Aber der Norden muss sich breiter aufstellen. Das sichert in Krisenzeiten Stabilität und ist damit ein großer Wettbewerbsvorteil gerade für diejenigen, die als letzte auf dem Markt antreten wie die schleswig-holsteinischen Häfen. Ich warne davor, sich allzu selbstsicher auf ausschließlich eine Fertigkeit zu verlassen, im Fall Brunsbüttel nur auf die Verschiffung von Windanlagen.

Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Geschichten über den kometenhaften Aufstieg und dem tiefen Fall von Firmen, die sich einseitig orientiert haben und dann den Anschluss verpassen.

(Beifall beim SSW)

Darum sehe ich die Hafenkooperation OffshoreHäfen Nordsee als eine Teilstrategie für die zukünftige Ausrichtung unserer Häfen. Regelrecht bizarr wird es, wenn das Wirtschaftsministerium den internen Wettbewerb der Häfen innerhalb Schleswig-Holsteins noch befeuert. Ein integriertes Hafenkonzept fehlt. So kann man denn den Häfen ungestört vom Grünen Tisch aus den Garaus machen. Sie werden buchhalterisch ausschließlich als Kostenverursacher gesehen. Die verheerenden Folgen dieser Haltung werden die Menschen an der Westküste bald zu spüren bekommen.

Die Wirtschaft in Schleswig-Holsteins ist stark verwoben mit der Wirtschaft der Metropolregion Hamburg, und die hängt am Hamburger Hafen. Die Forderung des SSW nach einer Hafenkooperation ist derzeit aktueller denn je. Die Vorlage zur Enquetekommission strotzt nur so von Forderungen nach besserer Kooperation. Die Abwicklung des Kernkraftstandortes Brunsbüttel ist ein hervorragender Anlass, das Heft des Handelns jetzt in die Hand zu nehmen und by the way nicht Kohlekraftwerke zu bauen, sondern es muss geklärt werden, wie die Bedarfe der Wirtschaft bezüglich eines modernen Hafens sind. Das kann man natürlich nicht mittels eines kläglichen Vierzeilenantrags in Angriff nehmen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Magnussen?

Selbstverständlich.

Herr Kollege Harms, ist Ihnen bekannt, dass der Herr Wirtschaftsminister Biel in seinen Zeiten noch eine Hafenkooperation der Elbehäfen unter anderem mit Cuxhaven ratifiziert hat?

- Wenn ich über Hafenkooperation spreche, dann spreche ich über eine Hafenkooperation der drei Bundesländer. Dann spreche ich über Hamburg, Niedersachen und Schleswig-Holstein und, wenn man so will, auch noch über Bremen, weil Bremerhaven ja auch noch dazuzählt. Ich möchte, dass man sich zusammensetzt, eine eigene Konzeption macht und zusammen eigenständig diese Häfen als einen Hafen vermarktet und am Markt anbringt. Das ist bisher immer noch vernachlässig worden, lieber Kollege. Und das ist etwas, das wir uns als Schleswig-Holstein nicht leisten können, weil wir der kleinste Partner dabei sind und am meisten darunter zu leiden haben.

(Beifall beim SSW)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Magnussen?

Selbstverständlich.

Ich muss noch einmal nachfragen, weil Sie eben den Zusammenhang mit den drei Bundesländern brachten. Mir ist bekannt, dass Cuxhaven in Niedersachsen ist, dass Hamburg ein eigenes Bundesland ist und dass Brunsbüttel mit den Häfen in Glückstadt in der Folge zu Schleswig-Holstein gehört, somit also eine Kooperation aller drei Bundesländer. Ich wollte eigentlich nur noch einmal nachfragen, ob Ihnen das auch so bekannt ist?

- Ich habe ja nichts gegen Kooperation, sondern ich habe Ihnen ja gerade eben schon einmal deutlich gemacht: Wenn ich über eine Hafenkonzeption spreche, dann spreche ich über eine gemeinsame Vermarktung sämtlicher Häfen unter einem Dach.

Dann geht es darum, eben nicht nur zu schlafen und zu sagen: „Lasst die man wurschteln, wie sie wollen“, sondern dann geht es daraum, politisch dafür zu sorgen, dass alle drei beziehungsweise sogar vier Bundesländer mit Bremen gemeinsam ihre Häfen an der Elbe und Elbmündung vermarkten, damit wir am Weltmarkt noch eine Chance haben, die wir sonst nicht hätten. Da hat das Schleswig-Holstein das größte Interesse daran, weil wir, wie gesagt, der kleinste Partner sind, der auch darauf angewiesen ist, mit den Hamburgern, mit den Bremern und mit den Niedersachsen zusammenzuarbeiten. Das hat Schleswig-Holstein völlig verschlafen.

Ich will die Zeit nicht weiter nutzen; denn das wäre auch mein Schlusswort gewesen. Wir müssen alle Häfen an der Elbe zusammenbringen. Wir müssen aber auch das tun, was der Kollege Tietze gesagt hat, nämlich neue Technologien voranbringen und nicht wieder auf die alten Technologien setzen. Auf den Unsinn mit Kohlekraftwerken können wir verzichten. Wir müssen eine Hafenkooperation haben,

(Beifall beim SSW)

und wir müssen sehen, dass wir wieder führend sind und uns nicht immer nur auf das verlassen, was vielleicht in den 70er-Jahren mal ganz toll war. Das mag ja die konservative CDU schön finden, aber es bringt uns nicht wirklich weiter, und das kostet uns langfristig Arbeitsplätze. Das können wir uns nicht leisten.

(Beifall beim SSW)

Herr Kollege, einen Moment bitte. - Herr Dr. von Abercron, haben Sie sich zu einer Zwischenfrage oder zu einem Dreiminutenbeitrag zu Wort gemeldet? - Okay, das hat sich geklärt und ist notiert.

Jetzt sind wir bei den Dreiminutenbeiträgen, und ich erteile zunächst für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Kollegen Detlef Matthiessen das Wort.

Wir können die Pause nutzen, um auf der Tribüne die Mitglieder des Kulturforums Hessen zu begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen im schönen Schleswig-Holstein und hier im Landeshaus in Kiel!

(Beifall)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Industriestandort und Wirtschaftsstandort Brunsbüttel ist auch ganz wesentlich ein Energiestandort. Herr Minister, Sie haben noch einmal der Neuerrichtung eines Kohlekraftwerks an diesem Standort das Wort geredet. Wer ein Kohlekraftwerk baut, der treibt den Teufel Atom mit dem Beelzebub Klimavernichtung aus.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Mit einem Kohlekraftwerk in Brunsbüttel vervielfachen wir den CO2-Ausstoß, den Treibhausgasausstoß Schleswig-Holsteins. Das darf nicht Realität werden.

Warum die Auflage erfolgt, dass die capture ready gebaut werden sollen, thematisieren Sie überhaupt nicht. Träumen Sie doch noch von einer CCS-Strategie für die Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein, oder was soll die Auflage, dass dort carbon capture and sequestration gemacht werden soll? Diese Fragen umschiffen Sie sehr einfach, Herr Minister. Wir werden den Finger weiter darauf legen. Dieses Kraftwerk verdient sein Geld auf Kosten der Umwelt, und das darf nicht sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Das Klima wird vernichtet, die Böden unserer Bauern in der Gegend werden vergiftet. Es ist eben nicht egal, wie wir unser Bruttoinlandprodukt erwirtschaften. Wir Grüne kämpfen seit Jahrzehnten für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft, und seit gestern sind wir mit der Beendigung des Atomprogramms in einem Punkt wesentlich weiter.

Meine Damen und Herren, wir haben auch in dem Beitrag des Kollegen Buder zur Kenntnis genommen, dass der sich in Brunsbüttel hingestellt und für Kohlekraftwerke geworben hat. Er fühle sich dabei von der Regierung allein gelassen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

So hat er das hier ausgeführt. Die SPD hat zwar einen Landesparteitagsbeschluss, wenn es aber darum geht, ein entsprechendes Grundstück des Landes für den Zweck zu verkaufen, fliegen die roten Hände bei der Abstimmung im Landtag nach oben.

(Zurufe von CDU und FDP: Moorburg!)

Wenn es darum geht, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu verabschieden, wenn die Machtmöglichkeit, die uns das Volk durch Wahlen gegeben hat, vor Ort besteht, dieses Projekt zu verhindern, fliegen die roten Flossen bei der Abstimmung in der Kommunalvertretung in Brunsbüttel für dieses Vorhaben nach oben.

(Zurufe - Glocke der Präsidentin)

Ich sage Ihnen zum wiederholten Mal: Die Pläne für den Neubau von Kohlekraftwerken in Schleswig-Holstein entsprechen nicht unseren Vorstellungen. Brunsbüttel hat Zukunftschancen, aber es müssen nachhaltige Arbeitsplätze sein, Zukunftsfähigkeit heißt Nachhaltigkeit.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: In Nordrhein-Westfalen unterstützen die Grü- nen den Kohlepakt! - Weitere Zurufe)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat nun der Herr Kollege Dr. Michael von Abercron das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Tietze, lieber Herr Kollege Matthiessen, ich widerspreche ungern, gerade wenn es um wissenschaftliche und fortschrittliche Fragen am Standort Brunsbüttel geht, aber eine Sache muss klargestellt werden. Die Möglichkeit, capture ready zu bauen, halte ich für dringend notwendig und sinnvoll. Warum? - Weil es natürlich nicht nur darum geht, das CO2 irgendwo unterirdisch abzulagern, sondern darum, es zu nutzen. Die Möglichkeit, es zu nutzen, ist sinnvoll.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist auch im Sinne der Umwelt. Denken Sie an die Herstellung von Harnstoff! Dafür braucht man CO2. Wir haben ein Harnstoffwerk, das Düngemittel herstellt. Sie können CO2 als Düngemittel im Treibhaus oder als Kühlmittel einsetzen. Warum wollen wir das nicht nutzen? Können Sie mir das erklären?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Matthiessen, ich widerspreche ungern, weil ich weiß, dass Sie Fachmann sind. Zuzuhören, was der Kollege Buder gesagt hat, hätte geholfen, es hätte geholfen, wenn man richtig zuhört und nicht irgendetwas hineininterpretiert hätte, was man gern gehört hätte.

Herr Buder hat nicht gesagt, er sei für Kohlekraft, sondern Herr Buder hat gesagt, er habe sich als Einziger der Diskussion in Brunsbüttel gestellt. Das ist etwas anderes, als zu sagen: Ich bin für Kohlekraft.

Herr Buder hat sich der Diskussion vor Ort gestellt. Sie wissen, dass wir im Landtag gesagt haben: Wir würden dort lieber ein GuD-Kraftwerk errichten. Dazu stehen wir. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Ratsversammlung in Brunsbüttel etwas beschlossen hat und B-Pläne beschlossen worden sind, über die wir nicht einfach hinweggehen und sagen können: Das gibt es nicht.

Nun kann man sich natürlich vor Wahlen immer hinstellen und sagen: Wenn wir erst einmal an die Regierung kommen, werden wir das alles verändern, und dann werden wir das stoppen. Das haben Sie in Hamburg gemacht. Da gab es einen Koalitionspartner, und Sie haben vorher gewusst, was der Koalitionspartner CDU macht.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Trotzdem haben Sie sich hingestellt und gesagt: Wenn wir in Regierungsverantwortung sind, wird das Kohlekraftwerk Moorburg nicht gebaut. - Herzlichen Glückwunsch! Sie haben dort auf ganzer Linie versagt.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Sich immer hinzustellen und zu behaupten, die Roten machten etwas anderes, als sie sagten, können Sie zwar weiter machen, aber es wird dadurch nicht richtiger. Man sollte sich erst einmal an seine eigene Nase fassen, bevor man auf andere Leute zeigt.