Protocol of the Session on June 30, 2011

Drei zentrale Aufgaben sind zu bewältigen: der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Ausbau der Netze und die Entwicklung leistungsfähiger Speicher. Das entscheidende Instrument für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ist das EEG. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung auch bei der aktuellen Novellierung an den bewährten Grundzügen des Einspeisevorrangs für die erneuerbaren Energien und des Vergütungssystems festgehalten hat. An der einen oder anderen Stelle sehen wir bei der EEG-Novelle aber Nachbesserungsbedarf.

Das haben wir gegenüber der Bundesregierung im Bundesratsverfahren und in den Konferenzen der

Chefs der Staatskanzleien mit dem Kanzleramtsminister auch deutlich gemacht. Wir haben erreicht, dass der Bonus für Systemdienstleistungen nahezu erhalten bleibt. Er wird für Investitionen in eine netzverträgliche Steuerung von Windkraftanlagen gewährt. Wir haben uns dafür eingesetzt, die bisherigen Degressionssätze für On- und Offshorewind beizubehalten. Die Bundesregierung vertritt jetzt auch in Bezug auf Onshorewind eine ähnliche Position und hat sich für eine Degression von 1 % ausgesprochen. Ob sich der Bundestag dieser Auffassung anschließt, wird sich heute entscheiden.

Gleiches gilt für den Nachbesserungsbedarf bei den Biogasanlagen. Auch hier wollen und müssen wir die Menschen mitnehmen. Unseres Erachtens darf es nicht zu einem unkontrollierten Zuwachs kommen. Schon heute haben wir teilweise große Akzeptanzprobleme vor Ort. Die Gemeinden müssen Einfluss auf die Bauleitplanung haben. Deshalb sollten auch die Privilegierungsgrenzen für Biogasanlagen nicht angehoben werden.

(Beifall des Abgeordneten Hartmut Hame- rich [CDU])

Das sind wichtige Punkte für einen beschleunigten und auf Akzeptanz setzenden Ausbau unserer erneuerbaren Energien. Ich bin zuversichtlich, dass es an der einen oder anderen Stelle noch zu Veränderungen gegenüber den ersten Gesetzentwürfen kommen wird. Bereits erreicht haben wir, dass der Repoweringbonus für Windkraftanlagen weiter gewährt wird, die vor dem 1. Januar 2002 errichtet wurden.

Die Bundesregierung will bis 2020 mindestens 35 % des Stromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien erreichen bei einem aktuellen Anteil von 17 %. Sie wissen alle, dass wir in Schleswig-Holstein schon etwas weiter sind. Für 2020 hatten wir bereits 2007 als rechnerische Zielmarke 100 % genannt, und wir werden das Ziel deutlich eher erreichen. Bereits 2010 haben wir die 50 %-Marke überschritten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ich hoffe, dass die Protokollanten mitgekriegt haben, dass Sie sagen, wir hätten wenig dazu beigetragen. Da sitzt derjenige, der Sand ins Getriebe geworfen hat, und ruft, wir hätten wenig dazu beigetragen. Das ist schon erstaunlich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, nach den Prognosen der Netzbetreiber können wir bereits im Jahr 2015

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

mit gut 9.000 MW installierter Leistung aus Onshorewindkraft rechnen. Die damit verbundenen Strommengen werden wir nicht allein in SchleswigHolstein verbrauchen. Hier rechnen wir im Sommer mit etwa 1.000 MW, im Winter mit etwa 2.000 MW Lastspitzen. Entscheidend ist, dass der Stromüberschuss zu den Verbrauchern im Süden geführt wird. Zusammen mit den Netzbetreibern und Kommunen, der Energiewirtschaft und den Verbänden der erneuerbaren Energien haben wir deshalb bereits 2010 die Netzentwicklungsinitiative Schleswig-Holstein gestartet. In einem ersten Schritt wurde der Ausbaubedarf konkretisiert. Um den Windstrom einzusammeln, brauchen wir entlang der Westküste eine 380-kV-Leitung von Nordfriesland nach Süden. Das Gleiche gilt für den Windstrom aus Ostholstein. Und wir brauchen eine großräumige Ableitung des Windstroms aus Schleswig-Holstein, kurz eine länderübergreifende Hochspannungsgleichstromübertragungsleitung in die süddeutschen Verbrauchszentren.

Die Landesregierung begrüßt deshalb ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung des Themas Netzausbau angenommen und im Rahmen ihres Energiepakets auch ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz vorgelegt hat.

Weil die Ableitung des Windstroms für die Steigerung des Anteils an regenerativen Energien am Stromverbrauch von elementarer Bedeutung ist, haben wir uns schon frühzeitig dafür ausgesprochen, dass die Planfeststellungsverfahren für länderübergreifende Höchstspannungsleitungen auf Bundesebene laufen. Auch wenn die meisten Länder anderer Auffassung sind, so halte ich die gefundene Regelung in der Erwartung, dass es so schneller geht, für zweckdienlich. Im Übrigen verbleibt der überwiegende Teil der 380-kV-Trassen in Länderhoheit.

Ich begrüße ausdrücklich die neu vorgesehene Ausgleichsregelung von 40.000 € je Kilometer für die von Hochspannungsfreileitungen betroffenen Städte und Gemeinden. Das ist wichtig, um die Rolle und die Anstrengungen der Kommunen in Bezug auf den notwendigen Netzausbau zu honorieren. Wir müssen beim Netzausbau vorankommen, sonst kommt es noch häufiger als heute zur Abschaltung unserer Windkraftanlagen, und das kann nicht in unserem Interesse sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für Schleswig-Holstein haben wir den Fahrplan im Rahmen unserer Netzentwicklungsinitiative bereits konkret abgestimmt und festgelegt. Landesregie

rung, Netzbetreiber und die betroffenen Kreise wollen noch vor der Sommerpause eine Beschleunigungsvereinbarung verabschieden und abschließen. Die Netzbetreiber gehen in den kommenden Wochen auf die Kreise zu, um mögliche Trassen mit dem geringsten Konfliktpotenzial sowie Standorte für die Umspannwerke zwischen den Spannungsebenen 110 und 380 kV zu ermitteln. Ziel ist, potenziell konfliktbehaftete Räume zu meiden und so eine möglichst breite Akzeptanz zu erzielen.

Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden werden nach der Sommerpause informiert. Ab Herbst sollen dann von den Kreisen Regionalkonferenzen für interessierte Bürgerinnen und Bürger durchgeführt werden. Ziel ist eine offene Diskussion über die konkreten Trassen, denn wir wollen die Menschen mitnehmen. Wir können es uns nicht erlauben, dass wir hier starke Behinderungen durch nicht offene, intransparente Verfahren bekommen. Ziel muss sein, dass wir zu einer Beschleunigung der Verfahren und des Baues kommen, sonst schaffen wir diese Energiewende nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn alles nach Plan läuft, dann können bereits im Laufe des Jahres 2012 Unterlagen für die Genehmigungsverfahren erstellt werden. Die Landesregierung wird in jedem Fall ihren Beitrag dazu leisten, dass die Verfahren zügig ablaufen werden. Der Antrag von CDU und FDP weist daher in die richtige Richtung. Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sich der Wirtschaftsminister auf Bundesebene bereits dafür eingesetzt hat, eine Sprinterprämie für einen schnellen Netzausbau einzuführen. Das Thema finanzieller Anreize soll nach dem Willen der Bundesregierung nach dem Energiepaket angegangen werden.

Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und neben dem Netzausbau ist die Entwicklung leistungsfähiger Speicher die dritte große Herausforderung. Auch hier ist die Landesregierung am Ball. Sie war schon lange am Ball, als in Fukushima der Unfall geschah. Wir haben damit schon wesentlich früher angefangen. In Schleswig-Holstein stehen Wasserstoff- und Druckluftspeicherung bei der Kavernennutzung im Fokus. Darüber hinaus werden wir Pumpspeicher und Batterietechnik weiter intensiv vorantreiben. Über das Projekt NORD.LINK werden wir eine Verbindung zwischen Windstrom aus Schleswig-Holstein und norwegischer Wasserkraft erhalten. In den Kreidegruben von Lägerdorf wird ein Pumpspeicherkraftwerk zur tageweisen Speicherung entwickelt, um die Windstromspitzen auszugleichen. In Hemmingstedt

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

soll Windstrom in Wasserstoff umgewandelt und in einer Salzkaverne gespeichert werden.

Wir werden noch erhebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen machen müssen. Daher begrüßen wir das Energieforschungsprogramm und die weiteren Fördermaßnahmen der Bundesregierung beispielsweise zur energetischen Gebäudesanierung.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir haben uns im Bundesrat im Interesse unseres Landes ausdrücklich dafür eingesetzt, dass die Länder an der nachhaltigen Ausgestaltung und an der Mittelgestaltung beteiligt werden. Nach aktuellem Stand wird die Bundesregierung ihr Fördervolumen von 1,5 Milliarden € jährlich aber nicht erhöhen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: In der Tat!)

Ich habe es gesagt: Der Bundesrat wird das Energiepaket der Bundesregierung am 8. Juli abschließend beraten. Damit ist dieses Energiepaket ein beeindruckender Kraftakt, auch wenn an der einen oder anderen Stelle nachgebessert werden muss.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich komme kurz zu Ihrem Antrag: Sie sprechen sich für eine demokratisch kontrollierte und dezentral organisierte Energieversorgung aus. Um das zu erreichen, bedarf es keiner Landesnetzagentur. Hier ist das Engagement der Kommunen gefordert. Die rechtlichen Voraussetzungen sind vor Ort vorhanden. Die Netzagenturen des Bundes und der Länder arbeiten außerdem unabhängig und nicht weisungsgebunden. Die Wahrnehmung eines von Ihnen unterstellten Spielraums zugunsten kommunaler Unternehmen wäre rechtswidrig. Der Anschluss- und Benutzungszwang gehört in die Kompetenz der Kommunen. Die energetische Optimierung von Neubauten aufgrund von EU-Richtlinien wird forciert.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wo denn?)

Dass die Förderung hocheffizienter Kraftwerke nur an den energiewirtschaftlichen Mittelstand, also besonders an die Stadtwerke gehen soll, ist bereits im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 berücksichtigt. Im Hinblick auf die Kraft-WärmeKopplung haben wir im Gesetzgebungsverfahren auf die Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes gedrängt. Die Bundesregierung hat dies noch für 2011 angekündigt.

Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg. Wir stellen die Flächen bereit, wir unterstützen den Netzausbau, wir sorgen für Speicherkapazitäten. Wir sind auf dem Weg zu einer sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung, und Schleswig-Holstein ist in dieser Beziehung in Deutschland ganz weit vorn.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort erteile ich jetzt dem Herrn Oppositionsführer, dem Fraktionsvorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen. Dieser Satz von Herbert Wehner passt wie kein anderer zu einem Tag, an dem zu gleicher Stunde in Berlin der Deutsche Bundestag endlich den endgültigen Atomausstieg in Deutschland beschließt. Deswegen sage ich auch mit Stolz: Es ist ein Tag, an dem Wirklichkeit wird, wofür Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein seit 35 Jahren gekämpft haben.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei CDU und FDP)

Es war auf dem Landesparteitag der SPD 1975 in Bad Oldesloe, als die Jusos einen Initiativantrag gestellt haben, in dem sie ein Moratorium bei der Atomenergie forderten. Nach einer entsprechenden Fachkonferenz haben wir den Ausstiegsbeschluss am 1. November 1976 gefasst. Herr Ministerpräsident, in diese Zeit fiel auch der Baubeginn Brokdorfs, dessen erste Teilerrichtungsgenehmigung das CDU-geführte Sozialministerium erteilte und den Sofortvollzug anordnete. Klaus Matthiesen, Gerd Walter und Günther Jansen, der in wenigen Tagen 75 Jahre alt sein wird, stehen für die Ablehnung der Atomenergie durch die schleswig-holsteinische SPD nach intensiver Diskussion und nach der konkreten Erfahrung, wie das Atomkraftwerk Brokdorf gegen den entschiedenen Widerstand der Bevölkerung und unter massivem Einsatz der Wasserwerfer des Herrn Stoltenberg durchgesetzt worden ist

(Beifall bei der SPD)

Das war übrigens anders als am Kaiserstuhl, wo ich als Jugendlicher an den mich sehr prägenden Protesten gegen das Atomkraftwerk Wyhl teilgenommen

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

habe, vor denen die Regierung Filbinger kapitulieren musste.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zurufe)

- Sie treffen sich lieber mit Glücksspielvertretern, das unterscheidet uns.

(Zurufe von der FDP)

Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten waren aktiv an den Demonstrationen gegen den Bau des AKW Brokdorf beteiligt. Es dauerte etwas, bis auch die Bundespartei überzeugt war, aber 1986 forderte Hans-Jochen Vogel nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl im Bundestag die Abkehr von der Atomenergie.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Ich verstehe Ihre Aufregung. Zu Ihrer Wendehälsigkeit komme ich gleich noch. Er sagte damals, ich zitiere:

„Ich glaube, … nach Tschernobyl ist nichts mehr so, wie es vorher war.“

Lächerlich und unseriös sei das, hieß es damals von Abgeordneten der CDU und CSU. Nur wenige Monate nach Tschernobyl ließ die CDU-Regierung in Schleswig-Holstein das Atomkraftwerk Brokdorf ans Netz gehen. Wir als SPD Schleswig-Holstein haben also Pionierarbeit für den Atomausstieg geleistet.