Sehr geehrte Damen und Herren! Die Tagung ist wieder eröffnet. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich. Für den heutigen Tag haben sich die Kollegin Cornelia Conrad und der Kollege Mark-Oliver Potzahr aus Krankheitsgründen entschuldigt. - Beiden wünschen wir von dieser Stelle aus gute Besserung.
Ich begrüße Gäste auf der Zuschauertribüne. Es sind Angehörige des Deutschen Bundswehrverbandes sowie Grundwehrdienst-, aber auch Zivildienstleistende, die den Kiel-Pass nutzen. Ich begrüße außerdem Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte von der Kleemann-Schule in Kiel. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen das Wort.
Es gibt welche, bei denen freut man sich, wenn sie hier stehen. Die müssen dann natürlich auch das Pult höher machen, bei anderen lohnt das nicht.
Lieber Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner Regierungserklärung am 23. März 2011 zu den Folgen des Reaktorunfalls in Fukushima und den Auswirkungen für die Energiepolitik in Schleswig-Holstein habe ich deutlich gemacht: Wir stehen vor einer Zäsur in der Geschichte der Energieerzeugung in Deutschland. Restrisiken - so klein sie auch sein mögen - sind keine theoretische Größe mehr, sie sind zu einer schrecklichen menschlichen Erfahrung geworden. Die Katastrophe von Fukushima mit ihren noch nicht gänzlich abzusehenden Folgen macht es notwendig, die Restrisiken der Kernkraft neu zu bewerten.
Deshalb habe ich am 23. März 2011 erklärt: Nach dem Moratorium dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke müssen verkürzt werden. Wir halten Wort. Die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das Kernkraftwerk Krümmel bleiben endgültig abgeschaltet. Die übrigen Kernkraftwerke werden stufenweise bis spätestens 2022 vom Netz gehen. Wie von der Ministerpräsidentenkonferenz gefordert, wird jedem Kernkraftwerk ein endgültiges Abschaltdatum zugeordnet.
Mit Blick auf mögliche Entschädigungsforderungen von Kernkraftwerksbetreibern haben wir im Bundesrat deutlich gemacht, dass etwaige Entschädigungspflichten und Haftungsrisiken nach Auffassung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom Bund zu tragen sind.
Heute berät zeitgleich der Deutsche Bundestag das Energiepaket in zweiter und dritter Lesung. Ich bin guter Zuversicht, dass es nach den Beratungen im Bundesrat am 8. Juli einen Energiekonsens gibt, der einer sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung Rechnung trägt.
Nach dem Projekt „Deutsche Einheit“ ist die Energiewende wirtschaftlich unsere größte Herausforderung zu Beginn dieses Jahrhunderts. Sie hat - ich gehe mit diesem Begriff wahrlich nicht inflationär um - historisches Ausmaß. Diese Energiewende wird kein Spaziergang, nicht politisch, nicht wirtschaftlich. Sie ist für uns alle eine Herausforderung, und ich habe keine Angst vor dieser Herausforde
rung. Wir werden sie bestehen und wir werden sie dazu nutzen, unseren technologischen Vorsprung bei den regenerativen Energien weiter auszubauen. Wir werden unsere Fähigkeiten und unser Wissen in diesen Prozess einbringen und die Chancen nutzen, die in ihm liegen.
Die Energiewende wird zu Produkt- und Prozessinnovationen führen, sie wird aber auch, damit sie funktioniert, zu neuen Innovationen führen müssen. Ich bin zutiefst davon überzeugt aus der Erfahrung, die ich habe - und ich glaube, alle anderen sind es auch -, dass wir bei vielen kleinen und vielleicht auch bei größeren Dingen irgendwann noch einmal nachsteuern müssen, weil wir Erfahrungen mit dieser Wende sammeln. Sie ist neu, und es gibt verschiedene Diskussionen. Ich glaube auch, in diesem Bereich ist es notwendig, manchmal noch einmal nachzurechnen, nachzujustieren und nachzusteuern. Manche Euphorie, die ich in manchen Ländern sehe, was den Ausbau von regenerativen Energien angeht, kann ich so noch nicht nachvollziehen - vielleicht auch deswegen, weil wir die Erfahrung in Schleswig-Holstein schon haben.
Die Landesregierung hat die nötigen Maßnahmen ergriffen. Ich verweise auf die Neufassung des Landesentwicklungsplans mit dem Ziel, circa 1,5 % der Landesfläche als Windeignungsflächen vorzusehen. Das ist faktisch eine Verdopplung. Ich verweise auf die Teilfortschreibung der Regionalpläne und auf die damit verbindliche Festschreibung der Windeignungsgebiete. Vorgestern haben wir die Entwürfe im Kabinett beraten, sie gehen jetzt in die Anhörung. Und ich verweise auf die Reform des Abstandserlasses für Windkraftanlagen.
Warum - fragen einige - kommt diese Wende erst jetzt und nicht schon 1986 nach Tschernobyl? - Im Unterschied zu heute gab es damals noch nicht die Möglichkeit, erneuerbare Energien in hinreichendem Maße zu nutzen. Über diese Möglichkeit, über diese Technologien, über die Fähigkeit, über die Techniken verfügen wir erst heute. Heute wissen wir, dass es klimafreundliche Alternativen zur Kernenergie gibt.
(Rolf Fischer [SPD]: Ich finde, dass diese Argumentation schief ist, weil es keine neuen Dinge sind, die Sie sagen! Die Erkenntnisse gehen viel weiter!)
Ich kann mich sehr gut erinnern, dass wir zwar nach Tschernobyl, aber ohne Fukushima schon in einer Legislaturperiode, in der wir mit Ihnen zusammen regiert haben, auch schon mehr machen wollten - unter der Bedingung der 0,9 % oder 1 % der Landesfläche, Abstandsregelung, Höhenerlass oder viele andere Dinge. Da gab es einen Innenminister, der dies verhindert hat.
- Ja, das war Unsinn. Herr Stegner, Sie können solche Geschichten doch nicht einfach zur Seite schieben. Menschenskinder, Sie haben Verantwortung gehabt! Sie sind Ihrer Verantwortung nicht immer gerecht geworden, aber Sie haben in der Zeit doch Verantwortung gehabt!
Wir wissen, dass es heute diese klimafreundlichen Alternativen zur Kernenergie gibt, und wir sie einsetzen können. Vielleicht können wir uns auf den Satz einigen.
Heute ist die Bereitschaft - das ist der zweite Punkt - bei unserer Bevölkerung, bei den Parteien, bei meiner Regierung und auch bei mir persönlich deutlich geringer, Restrisiken im Verhältnis zu den alternativen Möglichkeiten der Energiegewinnung einzugehen.
- Sie haben den Bericht über die Rede schon fertig; „schwache Rede“ haben Sie gesagt; ich bin zwar noch nicht fertig, aber das macht ja nichts, vielleicht kommen Sie noch zu anderen Ergebnissen -, dass solche atomaren Unfälle nicht beherrschbar sind, auch nicht von den Hochtechnologiestaaten dieser Erde. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Kalkar-Entscheidung 1978 die Richtschnur für unser politisches Handeln definiert. Da heißt es:
„Hat der Gesetzgeber aber eine Entscheidung getroffen, deren Grundlage durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzerlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, kann er von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den
Genau in dieser Situation befinden wir uns. Aus diesem Grund begrüßt die Landesregierung das von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzespaket. Wir stehen zu dem gefundenen Konsens beim Atomausstieg, und wir setzen uns für eine mit dem Klimaschutzzielen zu vereinbarende und nachhaltige Form der Energiegewinnung ein, die sich insbesondere auf regenerative und erneuerbare Energien stützt.
Als Ministerpräsident eines Landes mit drei Kernkraftwerken und einem der höchsten Stromexporte innerhalb Deutschlands muss ich allerdings darauf hinweisen, dass auch dieser Weg nicht ohne Risiken ist. Deutschland ist ein Land mit hohem Energieverbrauch, und wir werden bei allen Einsparmöglichkeiten auch in Zukunft viel Energie benötigen, wenn wir unseren Wohlstand und den Wohlstand unserer Kinder und Enkelkinder wahren wollen.
Ich freue mich - jetzt gerade, um 10 Uhr, glaube ich, werden die Arbeitslosendaten für SchleswigHolstein veröffentlicht -, dass wir in diesem Monat wieder unter 100.000 Arbeitslose haben.
Wenn wir über die Entwicklung der Wirtschaft in Schleswig-Holstein reden, dann ist der Energiesektor nicht auszusparen. Wir werden bis zum Winter 2013 wohl auch eine sogenannte Kaltreserve, aber wenn irgendwie möglich nicht durch ein Kernkraftwerk, benötigen.
Drei zentrale Aufgaben sind zu bewältigen: der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Ausbau der Netze und die Entwicklung leistungsfähiger Speicher. Das entscheidende Instrument für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien ist das EEG. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung auch bei der aktuellen Novellierung an den bewährten Grundzügen des Einspeisevorrangs für die erneuerbaren Energien und des Vergütungssystems festgehalten hat. An der einen oder anderen Stelle sehen wir bei der EEG-Novelle aber Nachbesserungsbedarf.