Herr Schlie, Sie sind Innenminister, Sie wissen, was ein Dienstweg ist, als das Ministerium, das auch für kommunale Fragen zuständig ist, wahrscheinlich mehr als jedes andere Haus, und Sie haben ihn missachtet. Sie haben darauf verzichtet, Herrn Schmalfuß in diesen Brief mit einzubinden. Herr Schlie, dass ist das, was man in der Juristerei Vorsatz nennt. Sie haben vorsätzlich hinter dem Rücken von Justizminister Schmalfuß agiert. Bei aller Gegnerschaft, die es selbstverständlich auch innerhalb einer Regierung geben darf, ist diese Profilierung auf Kosten des Kollegen nicht in Ordnung, und sie ist auch nicht gut für das Verhältnis von Polizei und Justiz in Schleswig-Holstein. Wir können Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Herr Schlie, ich freue mich darauf, dass Sie hier das Wort ergreifen wollen. Geben Sie es zu, sagen Sie, Sie hätten sich hier vergaloppiert, sie gelobten Besserung. Wenn nicht, dann sehe ich keinen anderen Weg, als dass Herr Ministerpräsident Carstensen sich ebenfalls in die Debatte einschaltet. Herr Schlie, Sie haben das Verhältnis von Polizei und Justiz in eine schwierige Lage gebracht. Der Justizminister beanstandet das Vorgehen aus dem Innenministerium. Der Innenminister sagt bisher, das sei alles nicht so schlimm, es könne so weiter gehen.
So lange das so ist, bedeutet das, dass jeder Richter, der in diesem Land Recht spricht, befürchten muss, dass er dann, wenn er ein Urteil spricht, das Ihnen nicht passt, Herr Schlie, morgen an seinen Schreibtisch geht und einen Brief von Ihnen vorfindet, in dem Sie sagen: „Ihr Urteil ist problematisch, Herr Richter.“ Und im letzten Satz sagen Sie dann: „Ach übrigens, das habe ich auch noch allen Polizeibeamten in Schleswig-Holstein mitgeteilt.“ Sie brandmarken damit die Richter, und die Richter müssen befürchten, dass sie öffentlich Gegenstand der Debatte werden, dass sie an den Pranger gestellt werden.
Da muss ich auch sagen, Herr Kubicki, ich freue mich darüber, wie sich die FDP hier positioniert. Ich kann mich noch an Hans-Dietrich Genscher erinnern, der manchmal gesagt hat: „Wenn es knirscht, dann muss man auch mal die Koalitionsfrage stellen.“
Ich erwarte von der FDP, dass sie diese rechtsstaatliche Position in der Regierung auch durchsetzt und Herrn Schlie sagt: „Herr Schlie, wenn Sie das nicht zurücknehmen, dann ist Koalition am Ende.“ Aber das können Sie nicht, weil Sie im Moment zu schwach sind.
Ich komme zum Schluss. Auch der Versuch ist strafbar, das wissen Sie. Aber hier geht es nicht um Strafbarkeit, sondern um Dummheit. Herr Schlie, Sie haben die Gelegenheit, diese Dummheit heute zurückzunehmen. Wenn Sie das tun, dann haben Sie meinen Respekt.
Herr Kollege, die Formulierung „Dummheit“ ist zumindest unparlamentarisch. Das möchte ich an dieser Stelle feststellen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Stunde befasst sich mit den Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit und der Gewaltenteilung. Hierzu würden wir nachher natürlich gern hören, was die Landesregierung sagt.
Ich bin dem Kollegen Kubicki ausgesprochen dankbar für seine Rede, die nämlich genau das erfasst hat, was dieser Antrag eigentlich zum Inhalt hat. Hier ging es um den Einsatz von Pfefferspray oder ähnlichem. Wir haben uns im Innen- und Rechtsausschuss zweimal mit diesem Thema beschäftigt.
Die Gewaltenteilung ist ein Erkennungszeichen einer jeden Demokratie. In erster Linie müssen die Gerichte von der Regierung unabhängig sein und sich nur nach den Gesetzen richten.
Der Hinweis des Innenministers in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses, er habe keinen Einfluss nehmen wollen und er wolle auch nicht die Gewaltenteilung durch sein persönliches Anschreiben infrage stellen, spielt keine Rolle; denn genau dieses Verhalten eines Innenministers, einen Brief als Innenminister eines Landes in einem nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahren abzusenden beziehungsweise zu übersenden, ist zu kritisieren, und damit wird genau diese Grenze überschritten.
Im Innen- und Rechtsausschuss bestand nämlich eine Woche vorher Einigkeit darüber, dass der Innenminister nur dazu Stellung nehmen sollte, wie die Auswirkungen des Urteils zum Gebrauch von Pfefferspray beim Einsatz der Polizei sind. Um nichts anderes ging es. Wir haben dort bereits - insbesondere Herr Kollege Kubicki und Herr Kollege Fürter - heiß darüber diskutiert, zu was der Polizeiminister genau Stellung nehmen sollte. Es sollten gerade nicht - das hat Herr Kollege Fürter verlangt der Justizminister oder andere Personen zum Urteil gehört werden. Ganz im Gegenteil, es ging nur darum, wie die Polizei im Moment mit diesem Urteil umgehen soll.
Da waren wir uns schon einig, dass auf keinen Fall in irgendeiner Form das Justizministerium, das Gericht oder irgendjemand anderes dazu gehört werden sollten. Darauf lege ich noch einmal Wert. Es wäre wirklich gut gewesen, wenn der Herr Innenminister oder sein Ministerium an dieser Diskussion teilgenommen hätten. Dann hätte es hoffentlich wohl auch nicht diesen Brief gegeben; denn uns ging es genau um das Gegenteil.
Erstaunlich finde ich es für die Zukunft, dass nunmehr der Innenminister aufgrund von Pressemitteilungen von zwei Abgeordneten der SPD Briefe schreibt. Das finde ich richtig klasse.
Hinsichtlich der Veröffentlichung dieses Briefes im Intranet mit Namen und - das empfinde ich persönlich als zweitrangig - unter Umgehung des Dienstweges weise ich darauf hin, dass sich alle Beteiligten bemüht haben, das Gericht in Elmshorn durch Namensnennung wirklich vorzuführen. Darüber hinaus hat das Justizministerium auch noch eine Mitteilung herausgegeben, in der es mitgeteilt hat, dass sie keine allgemeine Richterin ist, sondern eine Richterin zur Probe. Das fand ich alles sehr fragwürdig im Hinblick auf die Person der Richterin.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es uns darum geht, dass die Gerichte ihre Urteile frei sprechen sollen und können und dass nicht in der Zeit zwischen der Verkündung des Urteils und der schriftlichen Absetzung des Urteils Briefe vom Innenminister oder von irgendjemand anderem kommen. Das empfinde ich weiter als Beeinflussung der richterlichen Unabhängigkeit. Ich empfinde das wirklich eindeutig als Überschreitung.
Ich weise auch noch auf Folgendes hin: Wir haben gerade ein Heft für Schülerinnen und Schüler erhalten, das im Landtag verbreitet werden soll. Darin gibt es eine Seite 22. Dort wird noch einmal ausgeführt, wie Gewaltenteilung funktioniert: Denn deswegen schaut der Richter bei der Anhörung noch einmal genau hin, ob sich die Polizei bei der Verhaftung eines Verbrechers richtig verhalten hat. Die gesetzgebende, die ausführende und die rechtsprechende Gewalt haben klar voneinander getrennte Aufgaben und arbeiten unabhängig. - Genau darum geht es hier. In der gemeinsamen Presseerklärung der Richterverbände und Verbände wird richtig ausgeführt: Sie, Herr Innenminister, haben diese Gewaltenteilung eindeutig nicht eingehalten.
Herr von Boetticher, Sie schütteln den Kopf. Ich kann Ihnen mitteilen, dass das Problem der Verschränkung zwischen Legislative und Exekutive und nicht zur Judikative besteht. Darauf sollten Sie noch einmal eingehen.
Ein Mann bin ich immer noch nicht. Das wird auch nichts mehr. Darüber bin ich manchmal auch sehr froh.
Ich darf dazu nur sagen: Ich finde, hier ist das Maß überschritten worden, und es wäre gut gewesen, wenn der Herr Innenminister an der vorangegangenen Debatte teilgenommen hätte.
Ich bin im Übrigen für den Inhalt des Schreibens des Herrn Justizministers sehr dankbar, der geschrieben hat: Eine Kritik an einem Urteil, welches noch nicht einmal vorliegt, wäre ähnlich, als wenn man ein Buch rezensiert, das Buch aber weder gelesen hat, noch es vorher bekannt war.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In dieser Landesregierung gibt es nicht Auffassungen - plural - über Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit und Gewaltenteilung, sondern selbstverständlich eine einzige Auffassung - singular.
Diese eine Auffassung ist glasklar: Weder hat die richterliche Unabhängigkeit irgendwelche anderen Grenzen als die in der Verfassung festgelegte Bindung des Richters an Gesetz und Recht, noch lässt die ebenfalls in der Verfassung verbriefte Gewaltenteilung Grenzen zu. Beide sind nicht revidierbar und disponibel oder einschränkbar.
Beide sind für unseren Rechtsstaat wie für alle modernen Rechtsstaaten nach den Staatsprinzipien von Montesquieu nach dem Grundgesetz nicht einmal durch den Verfassungsgesetzgeber selbst änder- oder einschränkbar. Ihr höchster Wert wird durch ihre Teilhabe an der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz unterstrichen.
Mehr ist zu Ihrem Antrag, Herr Kollege Eichstädt, von der Landesregierung aus nicht zu sagen; denn Ihr Antrag lautete, dass wir die Auffassungen der Landesregierung über Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit und Gewaltenteilung darstellen sollen. Das ist die Auffassung der Landesregierung dazu.
Gleichwohl impliziert das Thema der Aktuellen Stunde nicht nur den Vorwurf, ich hätte mit meinem Brief an die Richterin die Gewaltenteilung
infrage gestellt, sondern zugleich wird mir unterstellt, Einfluss auf die Justiz nehmen zu wollen oder genommen zu haben.
Daher sage ich es als Innenminister hier noch einmal: Diese Vermutung ist abwegig und kann aus meinem Brief nicht abgeleitet werden. Die Richterin hatte ihre Entscheidung längst getroffen. Wie sollte ich also auf diese Entscheidung noch Einfluss nehmen? Auch dass sich eine nächste Instanz von meinem Brief unter Entscheidungsdruck gesetzt fühlen könnte, mag nur derjenige glauben, der kein Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz und in die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats hat. Ich habe dieses Vertrauen.
dass er natürlich nicht an den Grundfesten unserer Verfassung rüttelt. Der Brief interessiert - das ist deutlich geworden - die Öffentlichkeit. Er trägt dazu bei, dass über die immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten breit diskutiert wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, mein Ziel war es, einen Diskussionsprozess über diese Frage und auch zwischen der Polizei und der Justiz entweder einzuleiten oder da, wo er schon vorhanden ist, zu vertiefen.