Ein Verbot von faschistischen Parteien entbindet uns nicht von der Pflicht, gegen die Gedanken und Ideologien weiter vorzugehen. Die sind ja nicht weg. Dazu brauchen wir unabhängig von dem Verbot Beratungsstrukturen, wir brauchen die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, wir brauchen selbstbewusste Menschen in unserem Land.
Das ist das Wichtigste. Selbstbewusstsein schützt vor Faschismus, vor rechten Ideologien. Wir brauchen selbstbewusste Menschen in unserem Land.
In unseren Augen ist das Verbot der NPD eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung, um ernsthaft gegen die Hassprediger von rechts vorzugehen. Dazu bedarf es mehr. Aber durch ein Verbot wird ein Zeichen gesetzt, und es werden ihnen einige Mittel genommen. Deswegen sind wir ohne Wenn und Aber dafür. Wir hoffen, hier die notwendige Zustimmung zu bekommen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ganz klar vorweg: Die NPD ist extremistisch, und ich kenne niemanden innerhalb und außerhalb dieses Hauses, der mit ihr etwas zu tun haben will. Und ich setze hinzu: In Zeiten der 13. Legislaturperiode, in der die DVU bereits hier im Landtag vertreten war, war es gute Sitte und Übung der anderen Abgeordneten und Fraktionen, in keinem Punkt gemeinsame Sache mit den Vertretern des rechtsextremen Bereiches zu machen. Damals wurde allerdings kein Verbot gebraucht, um die DVU wieder aus dem Parlament zu befördern. Es waren die demokratische Arbeit aller anderen Abgeordneten und das klare Herausarbeiten der gedanklichen und ideologischen Fehler, die dies bewirkt haben. Auch dies sollten wir festhalten.
Man sollte auch im Umgang mit der NPD nicht vergessen: Rechtsradikale, rechtsextremistische Ideen und bestimmte Unzufriedenheiten in einer Gesellschaft lassen sich in aller Regel nicht durch ein Verbot beseitigen. Mit Verboten kann man Menschen zwar an etwas hindern, aber vom Guten und Schlechten überzeugt man sie damit noch nicht. In einer freiheitlichen Demokratie wiegen die besseren Argumente mehr als jedes Verbot. Ein Verbot der NPD würde uns niemals die notwendige Überzeugungsarbeit abnehmen, engagiert dafür einzutreten, dass es unsere Wertvorstellungen sind, die die richtigen sind.
Das Verbot einer Partei kann in einem demokratischen Verfassungsstaat immer nur der allerletzte Schritt sein. Auch eine NDP kann sich so verhalten, dass sie zum Teil den Bereich des Rechts verlässt und sich zum Teil noch im Bereich des Zulässigen bewegt - so unerwünscht dies auch ist. Es zählt für Sicherheitsbehörden und die Justiz zu den schwierigsten Herausforderungen, gerichtsfest festzustellen, ab wann Grenzen überschritten werden. Nicht immer ist es automatisch möglich, das Verhalten von Parteimitgliedern einer gesamten Partei in Bund und in den Ländern zuzuordnen. Die hier liegenden Probleme sind aus dem gescheiterten NPDVerbotsverfahren bekannt. Wir haben weitere Erfahrungen ja auch bei den Verboten von Rockergruppen in Schleswig-Holstein. Dort wie hier bergen Verbote immer auch die Gefahr, dass sich eine Szene einfach nur neu organisiert.
Wir müssen unsere eigenen rechtsstaatlichen Regeln ernst nehmen, auch wenn es unangenehm wird. Das sage ich auch deshalb, weil wir hier mit
dem vorliegenden Antrag der LINKEN eine etwas sonderbare Konstellation vorfinden. Es gibt auch Mitglieder in dieser Partei, die in manchen Bundesländern und teilweise auch im Bund hinreichend Anlass geben, zumindest zum Teil vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Das muss auch einmal klar gesagt werden, wenn die Fraktion DIE LINKE dafür eintritt, dass eine andere vom Verfassungsschutz beobachtete Partei verboten werden soll.
Wenn ein Parteienverbot in einer Demokratie immer nur der letzte Schritt ist, dann ergibt sich die Notwendigkeit für Schleswig-Holstein aus unserem Verfassungsschutzbericht. Die Seiten 14 bis 49 des Berichts 2010 sprechen eine ganz klare Sprache. Die Aktivitäten und Mitgliederzahlen der NDP gehen in der Gesamtsumme zurück, und das schon seit Längerem. Ich zitiere aus dem Bericht:
Wie blamabel und was für ein fatales Signal wäre es auch vor diesem Hintergrund, wenn ein erneutes Verbot in Gänze oder in Teilbereichen scheitern würde.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat erst vor einem Monat entschieden, dass die NDP wegen eines falschen Rechenschaftsberichts 2,5 Millionen € zurückzahlen muss. Auch dies ist eine Möglichkeit, die in rechtlich zulässiger Weise angewandt werden kann.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Partei wird sich wegen ihrer eigenen Inhalte und Personen selbst zugrunde richten. Der Staat hat die NPD scharf im Auge und unter Beobachtung. Ein Verbotsverfahren würde nicht mehr bringen, aber einige Risiken beinhalten. Auch die DVU wurde mit anderen Mitteln geschlagen.
Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder gibt es Ereignisse, die uns die hässliche Fratze des Rechtsextremismus be
wusst werden lassen. Sie verbreiten Angst insbesondere bei denen, die im direkten Visier der Rechtsextremen stehen: Menschen mit Migrationshintergrund, Obdachlose, Menschen mit Behinderung. Anderssein, scheinbares Anderssein, Schwächer sein reicht meist schon. Manchmal ist auch das Engagement gegen Rechtsextremismus die Ursache, dass man sich steckbriefmäßig auf den Internetseiten der NPD wiederfindet, wie zum Beispiel eine Kollegin von mir aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde. Wir haben alltägliche Erfahrung damit und wissen, dass selbst wir Plätze meiden, wo sich unerträglich selbstbewusst auftretende Rechtsextreme tummeln. Manche von uns senken die Stimme, spüren Unbehagen bei Demonstrationen - ich denke beispielsweise an Lübeck. Selbst bei unserem Landesparteitag in Husum haben sich Rechtextreme formiert. Die Polizei war da. Es war ein sehr eigenartiger Vorgang.
Alltäglichkeit bewirkt auch die scheinbare Normalität, der Versuch von Teilen der NPD, als ganz normale Partei, als ganz normale Abgeordnete, die in Kirchenvorstände einziehen wollen, auf Kinderoder Sportfesten Anhänger für ihr unsägliches Menschenbild gewinnen wollen. Diese Alltäglichkeit ist weniger gefährlich für den Einzelnen, wohl aber für die Gesellschaft.
Klar ist für mich: Die NPD ist antidemokratisch, sie ist menschenverachtend, und sie ist verfassungsfeindlich. Ihr Kontakt zu gewalttätigen Gruppen ist eng und offenkundig.
Ein NPD-Verbot ist natürlich kein Allheilmittel. Das wissen wir alle. Es hätte aber drei Wirkungen, von denen ich glaube, dass man sie anders nicht erzielen kann:
Erstens. Ein Verbot stoppt die unerträgliche öffentliche Finanzierung rechtsextremistischer Aktivitäten und nimmt ihnen das Anrecht, öffentliche Bühnen zu nutzen.
Es hätte den Wegfall von Propagandaplattformen, den Verlust des Parteivermögens, der Parteilokale, der Parteizeitungen und sämtlicher Organisationsstrukturen zur Folge. Weder könnte die NPD bei Wahlen antreten noch die Vorteile des Parteistatus bei der Anmeldung von Demonstrationen nutzen. Auch könnte über den Parteiapparat keine Agitation mehr betrieben werden. Es entfiele auch die Möglichkeit, nach Wahlen an der staatlichen Parteienfinanzierung zu partizipieren und staatliche Zu
Zweitens. Ein Verbot setzt vor allem ein deutliches Signal. Wir halten die NPD und das von ihr vertretene Gedankengut nicht nur für inakzeptabel. Es hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen. Es widerspricht unserem gemeinsamen Grundkonsens. Wir sollten es nicht nur ächten oder verbieten. Es widerspricht nämlich auch den unveränderlichen Grundrechten in unserer Verfassung.
Drittens. Es zeigt zugleich: Wir nehmen die Bedrohung, wir nehmen die Bedrohten ernst, und wir lassen keine Normalisierung zu. Es darf in Deutschland nicht normal werden, dass Menschen wieder Angst vor Nazis haben, meine sehr verehrten Damen und Herren - und es gibt Gebiete, wo das der Fall ist.
Der Grundsatz der wehrhaften Demokratie gebietet an dieser Stelle also das Verbot der NPD. Nehmen wir ihr aber ihr rechtsstaatliches Mäntelchen, denn die NPD ist keine normale Partei. Sympathie mit ihr, Wahl oder gar Mitgliedschaft oder Geldgeben muss geächtet werden, und zwar überall, in allen Teilen unserer Gesellschaft.
Wer die NPD unterstützt, unterstützt eine menschenverachtende Partei mit ihrem militanten Anhang - gegen Menschen, die anders sind oder anders scheinen. Rechtsextreme Denkmuster und Gesinnungen werden mit einem Parteiverbot natürlich nicht einfach verschwinden. Das ist klar. Wir müssen immer wieder alle deutlich machen, dass für menschenverachtende Hetze, für Minderheiten oder Ausländerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft kein Platz ist. Wir setzen auf Inklusion, auf Integration, auf gleiche Rechte, auf gleiche Chancen. Das ist die Vision unserer Gesellschaft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, natürlich gibt es auch Gegenargumente gegen ein NPD-Verbotsverfahren. Das mit den V-Leuten ist übrigens keines. Wir brauchen keine V-Leute in Führungsetagen, denn wir haben kein Erkenntnisdefizit, was die NPD angeht. Wir brauchen ausschließlich Leute - die brauchen nicht in Führungsetagen zu sein -, um Gefahrenabwehr sicherzustellen dort, wo Aktionen geplant werden, die Menschen bedrohen, damit die Polizei rechtzeitig da ist.
Ich sage Ihnen auch: Ein solches Verbotsverfahren muss solide vorbereitet werden. Ein solcher Antrag
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Lassen Sie uns in der Frage gemeinsam handeln! Denn wenn demokratische Parteien über den Umgang mit Nazis streiten, gibt es einen Einzigen, der davon profitiert - das sind die Nazis selbst. Das sollten wir bei unseren Debatten und auch bei der Frage, wie wir uns dem Thema nähern, bedenken.
Auch von uns eines gleich vorweg: Die NPD ist eine Partei, die gegen die Verfassung und gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung arbeitet. Wir alle wären sehr froh, wenn diese Partei in der Versenkung verschwinden würde.
Rechtsradikalismus hat in unserem Land nichts zu suchen, und die NPD ist mit circa 230 Mitgliedern in Schleswig-Holstein ein gruseliger Teil davon. Dennoch gibt es für die FDP-Fraktion gravierende Gründe, gegen ein neues Verbotsverfahren zu stimmen, auch gegen den SPD-Antrag, der immerhin die Selliner Erklärung vom 5. Mai wiederholend sachverständiger formuliert ist als der Antrag der Linken.
Schaltet man den gesunden Menschenverstand ein und populistische Gedanken aus, dann wird einem klar, dass bei einem Verbot der jetzt bestehenden Partei Neues nachwächst. Sie alle haben es schon erwähnt. Für einen neuen Verein mit angepasster pseudo-demokratischer Satzung braucht man in Deutschland sieben Leute und einen Notar.
Ganz deutlich wird das aktuell bei den Vereinsverboten der Hells Angels in Flensburg und der Bandidos in Neumünster: Die Rocker ziehen einfach andere Kutten an und machen in ihren SupporterGruppen oder in Nachbarorten weiter, wie heute in der Zeitung zu lesen ist.
man nicht durch verwaltungsmäßiges Handeln aus. Schon den Ungeheuern in der Antike wuchsen Köpfe nach, die aber auch nur dort von Helden besiegt wurden.