dann ignorieren Sie bitte nicht auch die Möglichkeiten, die sich durch eine bessere Integration von Sinti und Roma in die Gesellschaft und auch in den Arbeitsmarkt ergeben würden.
Ich empfehle Ihnen herzlich die Lektüre des EURahmens für Nationale Strategien zur Integration von Sinti und Roma; das liegt gerade frisch auf unseren Tischen. Bedauerlicherweise konnte sich die FDP nicht durchsetzen,
die unserem Antrag inhaltlich sehr wohl zugestimmt hat, aber jetzt in Koalitionszwängen steckt. Das kann ich nicht einmal verurteilen. Uns ging es an dieser Stelle mit der CDU ganz genauso.
Auch innerhalb der CDU scheint es ja Unterschiede zu geben. Die Minderheitenbeauftragte, Caroline Schwarz, äußerte sich zu unserem Antrag positiv. Ich hätte mir jedenfalls gewünscht, dass Sie den Mut gehabt hätten, diese Abstimmung freizugeben. Aber die CDU-Spitze ist auch hier wieder rückwärts orientiert und steht auch weiterhin für Intoleranz und Ausgrenzung.
Kaum eine Bevölkerungsgruppe in Schleswig-Holstein, in Deutschland und in der EU benötigt mehr Schutz und Förderung als die der Sinti und Roma. Für ihre gesellschaftliche Akzeptanz wäre es ein gutes Zeichen, sie unter den Schutz der Verfassung zu stellen. Aber Sie setzen hier Symbole für Ausgrenzung und Symbole einer Zweiklassengesellschaft. Gleichzeitig werfen Sie uns Symbolpolitik vor. - Gut, Herr von Boetticher, dann will ich mal symbolisch werden: Weil Sie alles Gesagte absolut ignoriert haben, nicht hören wollen, Anhörungen komplett streichen, überreiche ich Ihnen hiermit die gesammelten Dokumente von sämtlichen Anhörungen zum Thema Aufnahme von Sinti und Roma in die Landesverfassung, die wir in diesem Hohen Haus in den letzten Jahren durchgeführt haben, damit Sie diesen groben Fehler einmal korrigieren können.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW - Die Abgeord- nete Birte Pauls [SPD] überreicht dem Abge- ordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] ein Schriftstück - Dr. Christian von Boetti- cher [CDU]: Unglaublich! Unglaublich!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht eins vorab, was mir wichtig ist.
Ich möchte doch klarstellen, dass Anhörungen immer noch so gestaltet sind, dass man sich die Stellungnahmen anhört, dass man sich das zu Gemüte führt und dass man das überdenkt, was dort vorgebracht wird. Aber ich überlasse es jedem hier im Haus, sich dazu eine eigene Meinung zu bilden. Ansonsten müssen wir wirklich keine Anhörungen durchführen, wenn Sie sagen, die Meinungsfindung müsse so und so ausgehen. Die eigene Meinungsfindung und -bildung sollte jedem zugestanden werden.
Frau Pauls, Sie haben ja selbstkritisch angemerkt, dass die SPD anderen ähnlichen Gesetzesvorhaben in 2005 und 2006 nicht zugestimmt habe. Sie haben aber nicht gesagt, wie sie damals abgestimmt hat. Das würde ich von Ihnen gern noch einmal hören.
Die FDP-Fraktion hat sich in vergangenen Legislaturperioden stets für die Aufnahme des hier in Rede stehenden Staatsziels ausgesprochen. Das kann und soll nicht geleugnet werden. Nach wie vor halten wir die Erweiterung des Katalogs der Staatszielbestimmungen in diesem Punkt für sinnvoll. Den Schutz und die Förderung der Minderheit der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit in unserer Verfassung festzuschreiben, stünde unserem Land gut zu Gesicht. - Das nicht nur deshalb, weil wir damit eine Vorreiterrolle in ganz Deutschland einnehmen würden.
die Verfassung ergeben. Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass durchaus auch Skepsis artikuliert wurde. Von Überfrachtung der Verfassung oder sogar von leeren Versprechungen war die Rede.
Meine Damen und Herren, in der Tat müssen wir uns bewusst sein, dass die Formulierung großer Worte das eine ist. Das andere wird sein, dieses Staatsziel auch mit Leben zu erfüllen. Die Verpflichtungen, die sich aus den Staatszielen unserer Verfassung ergeben, nehmen gerade wir Liberalen sehr ernst.
Ich will hier niemandem unterstellen, dass er die Erweiterung der Verfassung nur zur Beruhigung einiger Gemüter erreichen will, aber jeder muss sich der Verpflichtung aus einer neuen Staatszielbestimmung bewusst sein.
Gerade mit Blick auf den nur langsam gesundenden Landeshaushalt wäre es falsch, den Eindruck zu erwecken, dass die Aufnahme des Schutzes und der Förderung von Sinti und Roma in die Landesverfassung zwingend mit einem reichen Geldsegen für bestimmte Verbände oder Projekte verbunden wäre.
Es wäre ein Zeichen dafür, dass wir die Minderheiten in unserem Land alle gleichrangig wahrnehmen und behandeln.
Es wäre ein Zeichen dafür, dass die heutigen Generationen ihre Lehren aus der dunklen Vergangenheit Deutschlands gezogen haben, und es wäre ein Zeichen für unsere Wertschätzung gegenüber der Geschichte und Kultur auch dieser Minderheit inmitten unserer vielfältigen Gesellschaft.
Die Europäische Kommission hat den EU-Mitgliedstaaten die Aufgabe gestellt, sicherzustellen, dass die Roma nicht diskriminiert, sondern wie alle anderen EU-Bürger behandelt werden und alle in der
EU-Grundrechtecharta verankerten Rechte gleichberechtigt ausüben können. Schleswig-Holstein könnte durch die Änderung der Landesverfassung einen hilfreichen Beitrag dazu leisten.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, 1417 - Herr Kollege von Boetticher sprach das schon an - siedelten sich die ersten Sinti und Roma auf dem Gebiet des heutigen SchleswigHolstein an, und zwar in der Stadt Lübeck, die schon damals eine weltoffene Stadt war. Nahezu 600 Jahre später haben sich sowohl das Bild dieser Minderheit als auch deren gesellschaftliche Wahrnehmung gewandelt. Selbst Rechtsexperten, die traditionell eher konservativ eingestellt sind, was Änderungen von Gesetzen und Verfassungen angeht, halten die Aufnahme von Sinti und Roma in die Verfassung mittlerweile für geboten - gerade auch mit Blick auf die beiden anderen Gruppen in Schleswig-Holstein, die bereits Eingang in die Verfassung gefunden haben, nämlich die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe.
Ich wiederhole: Die FDP-Fraktion befürwortet die Aufnahme des Schutzes und der Förderung der Minderheit der Sinti und Roma in die Landesverfassung. Wenn es dazu käme, werden wir aber alle diejenigen, die heute dafür stimmen, stets daran erinnern, dass es eben nicht große Worte sind, mit denen man sich später im Dickicht der einfachgesetzlichen Ebene verstecken darf.
Mit der CDU-Fraktion ist vereinbart, dass unsere beiden Fraktionen dennoch heute mit Enthaltung stimmen. Es entspricht der Logik von Koalitionsregierungen, dass wir Anträge nach wie vor nur gemeinsam mit unserem Koalitionspartner annehmen und ablehnen. Man sieht, wir arbeiten hervorragend zusammen. Als gutes Signal in dieser Sache ist zu werten, dass die CDU-Fraktion sich in Richtung Enthaltung bewegt hat. Hier sollten wir alle der CDU-Fraktion Respekt zollen. Dieses Signal möge bei den Betroffenen auf Wohlwollen treffen. Ein Wandel benötigt Zeit, findet aber unbestritten statt. Ich glaube, es wird der Sache und den Menschen dienen.
Das ist sehr nett. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorrednerinnen und Vorredner haben es schon deutlich gemacht: Es gibt politische Themen, die immer wieder auf der Tagesordnung stehen. Es gibt auch Themen, bei denen sich die Beratungen im Ausschuss zumindest gefühlt über eine Ewigkeit hinziehen. Der Schutz der Sinti und Roma durch die Landesverfassung ist so ein Thema. Eines der ersten Male lag dem Landtag Ende der 90er-Jahre von der damaligen rot-grünen Mehrheit ein Antrag zum Schutz der Sinti und Roma durch die Landesverfassung vor. Weitere Anträge folgten beispielsweise im Jahr 2006 von den damaligen Oppositionsfraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und FDP.
Wir Grüne haben sowohl aus der Regierungsrolle heraus als auch aus der Oppositionsrolle heraus Anträge zum Schutz der Sinti und Roma durch die Landesverfassung unterstützt. Wir stehen nach wie vor dazu.