Protocol of the Session on December 16, 2009

Wer dem jetzt entgegenhalten will, dass die Landesregierung diesen Bedenken in einem eigenen Gesetzentwurf Rechnung tragen könne, dem danke ich für das Vertrauen in die schwarz-gelbe Regierungsarbeit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass ein Verbandsklagerecht dann Gefahr läuft, als Feigenblatt herhalten zu müssen.

Lassen Sie uns deshalb in den Bereichen etwas für den Tierschutz tun, in denen es der Verbesserung der Zustände tatsächlich dient, beispielsweise bei Tierversuchen, bei Haltungsverboten von Wildtieren in Zirkusbetrieben, bei der Gestaltung von Tiergehegen oder auch bei den Rasselisten.

Die FDP befürwortet den Tierschutz. Deshalb sind wir gern bereit, noch einmal in die Beratungen im Ausschuss einzutreten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Frau Abgeordnete Ranka Prante das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die bundesdeutsche Verfassung enthält seit dem 1. August 2002 den Tierschutz. Dieser ist in Artikel 20 a Grundgesetz festgeschrieben:

„Der Staat schützt …. die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere ….“

Deutschland ist weltweit der erste Staat, der dem Schutz der Tiere Verfassungsrang verleiht. Der Schutz der Tiere wird in erster Linie durch das Tierschutzgesetz und den auf seiner Grundlage ge

schaffenen Rechtsverordnungen geregelt. Der zentrale Grundsatz wird in § 1 Tierschutzgesetz formuliert:

„Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Trotzdem werden Tiere in Massentierhaltung und Versuchslabors grausam gequält.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

- Danke schön!

Tiere in der Massentierhaltung und in Versuchslabors werden davon abgehalten, das zu tun, was sie natürlicherweise tun würden, zum Beispiel fliegen, laufen oder soziale Kontakte zu anderen Tieren halten. Allein dieser Verzicht verursacht schon enormes Leid für die Tiere.

Selbst Tiere, die von Geburt an in Käfigen waren, haben das Verlangen, sich zu putzen, ihre Beine oder Flügel auszustrecken und sich zu bewegen. Herden- und Rudeltiere verzweifeln, wenn sie gezwungen werden, allein zu leben, oder wenn sie in zu großen Gruppen gehalten werden, die für sie unübersichtlich sind.

Wir alle kennen die Bilder von Hühnern in Käfighaltung. Aber ab Januar 2009 gibt es nun die Bodenhaltung. Ein Huhn hat nun den großen Platz von 0,14 m2 pro Henne - oder sieben Hennen pro Quadratmeter. Die Hallen, in denen die Hühner leben, haben keine Fenster. Diese Tierhaltung widerspricht eigentlich dem Tierschutzgesetz. Ich zitiere mit Genehmigung: § 2, Tierhaltung:

„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht“

- ich wiederhole: verhaltensgerecht

„unterbringen.“

Alle eingesperrten Tiere leiden unglaublich an Langeweile - einige so sehr, dass es sie sogar zur Selbstverstümmelung oder zu einem anderen selbstzerstörerischen Verhalten führen kann.

Seit 1991 gibt es eine EU-Richtlinie zum Schutz der Tiere bei Tiertransporten. Obwohl der Tierschutz in Deutschland inzwischen Staatsziel ist, rollen nach wie vor Transporte, die dicht beladen mit lebenden Tieren sind, quer durch Europa. Lebende Tiere werden zur Schlachtung weit über die Grenzen Europas hinaus in Drittländer transportiert, zum

(Günther Hildebrand)

Beispiel bis in den Libanon. Mehr als 360 Millionen Tiere teilen dieses Schicksal jährlich. Geflügel ist nicht einmal mit eingerechnet.

Wie man aus den Zahlen erkennen kann, werden die EU-Richtlinien in der Praxis kaum oder gar nicht umgesetzt. Die Wege, die Nichtbeachtung und die völlig unzureichenden Kontrollen der Gesetzgebung sind dabei die Hauptprobleme. Der Tierschutz ist in Grundgesetz, Tierschutzgesetz und Verordnungen geregelt, doch täglich wird gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das denke ich schon. Bei einer Tierquälerei kann der Einzelne oder ein Tierschutzverband Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft oder bei der örtlichen Polizei erstatten. Sie dürfen aber nicht als Kläger auftreten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Tierschutzverbände dürfen eine Tierquälerei also anzeigen, aber nicht als Kläger agieren. Was für ein Hohn!

(Beifall bei der LINKEN, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen für die Tierschutzorganisationen die rechtlichen Grundlagen schaffen, damit sie im Sinne der Tiere klagen können. Bei Missständen können Tierschutzorganisationen also nicht stellvertretend für die Tiere klagen.

Diese Gesetzeslücke nutzen sogenannte kommerzielle Tiernutzer schamlos aus. Wie lange wollen wir noch warten? Wie lange wollen wir noch zusehen, wie Tiere von Pharmakonzernen oder durch Massenbetriebe oder, oder gequält werden? Die Tierschutz-Verbandsklage ist schon lange überfällig.

(Beifall bei der LINKEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Die unabhängige gerichtliche Instanz kann nur dann tätig werden, wenn der Gesetzgeber die tierschutzrechtliche Verbandsklage einführt - denn wo kein Kläger, da kein Richter.

Tierschutzorganisationen müssen stellvertretend sozusagen als Anwalt der Tiere klagen können. Die Tierschutz-Verbandsklage schafft also kein neues Tierschutzrecht, sondern ist unbedingt notwendig, um bereits geltende Tierschutzvorschriften auch in der Praxis wirkungsvoll durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Tiere dürfen nicht länger auf einen effektiven Schutz warten. Wir müssen endlich in SchleswigHolstein ein Signal setzen. Daher unterstützen wir den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber sind auch zufrieden, wenn er zunächst in den Ausschuss geht.

(Beifall bei der LINKEN, SPD BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort für die Fraktion des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer.

Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten in der letzten Legislaturperiode um die Einführung eines Tierschutz-Verbandsklagerechts haben deutlich gemacht, dass eine rechnerische Mehrheit im Landtag eine solche Forderung unterstützt hätte. Die SPD hat sich in diesem Punkt gewunden, konnte sich aber nicht gegen ihren damaligen Koalitionspartner durchsetzen. Sie hatte auch nicht den Mut, ein solches Gesetz mit auf den Weg zu bringen. Das hat damals der SSW kritisiert.

Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag ist zu lesen, dass man sich dem Tierschutz besonders verpflichtet fühlt und dass die bestehenden Rechtsgrundlagen evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden. Dies lässt durchaus Raum für Spekulationen. Was das Verbandsklagerecht angeht, sollten wir die aber nicht zu hoch ansetzen. Aus Sicht des SSW stellen wir fest: Es bleibt abzuwarten, welche Rechtsgrundlagen zur Verbesserung des Tierschutzes CDU und FDP auf den politischen Prüfstand stellen werden.

Nun liegt dem Parlament ein Gesetzentwurf der Grünen für die Einführung einer Verbandsklage vor. Auch wenn der vorliegende Gesetzentwurf bereits in der letzten Legislaturperiode schon einmal eingebracht wurde, verliert er aus unserer Sicht nichts an Wert.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ranka Prante [DIE LINKE])

Die Ziele sind klar, und der SSW wird den Gesetzentwurf wieder unterstützen.

(Ranka Prante)

Es steht zwar außer Frage, dass es eine Reihe von Regelungen hinsichtlich der Haltung von Tieren oder des Tierschutzes gibt, aber wenn es zum Klagen kommt, haben Tiere keine rechtlichen Vertreter - sprich: anerkannte Tierschutzorganisationen -, die eine solche Aufgabe übernehmen könnten. Das ist der Grund, warum wir eine gesetzliche Regelung benötigen.

Unsere Rechtsordnung sieht vor: Wer nicht selbst sein Recht wahrnehmen kann, erhält einen gesetzlichen Vertreter. Wenn es beispielsweise um Belange des Umwelt- und Naturschutzes geht, dürfen entsprechende Vertreter das Klagerecht wahrnehmen. Solche Mitwirkungs- und Vertretungsrechte haben Tiere nicht. Ein Klagerecht für Tierschutzverbände entspräche daher dem grundsätzlichen Klagerecht.

Wir können feststellen, dass die rechtliche Handhabe von Tierschutzorganisationen derzeit eher als gering einzustufen ist. Nur wenn anerkannten Tierschutzverbänden ein solches Verbandsklagerecht ermöglicht wird, ist es möglich, die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften gerichtlich überprüfen zu lassen.

Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass es in Deutschland die strengsten Tierschutzgesetze gibt und dass der Tierschutz sogar im Grundgesetz verankert ist. Wer dies immer wieder anführt, benutzt dies als Entschuldigung für eine Politik der ruhigen Hand.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)