Damen und Herren, der schleswig-holsteinische Handwerksbetrieb hat von dieser Regelung bisher nicht profitiert. Diese Tatsache kann man nicht ignorieren. Im Gegenteil. Dieses Gesetz hat den Großkonzernen geholfen, Arbeitsplätze abzubauen, ihre Produktion nach China und Übersee zu verlagern. Der deutsche Arbeitsmarkt hat in keiner Weise davon profitiert. Im Übrigen waren die Effekte negativ. Die jungen Arbeitskräfte sind nicht in den Markt hineingekommen.
Okay. Danke, Frau Präsidentin. Ich will den letzten Satz sagen. - Deshalb fragt sich meine Fraktion: Welche Gerechtigkeitsphilosophie steht dahinter, wenn die Zeche für dieses Gesetz die nächste Generation zahlen soll? Nach unseren Vorstellungen ist das ungerecht. Wir lehnen den Antrag ab. Wir sollten die Altersteilzeit in der jetzigen Ausprägung in Rente schicken.
- Heute waren beide Fraktionen mit vier Leuten vertreten. Da habe ich gedacht, wir könnten es einmal andersherum machen.
- Aber Sie sind nicht so flexibel. Dann erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Jezewski von der Fraktion DIE LINKE das Wort. - Entschuldigung.
Die Ausrede war gut. - Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich über den antikapitalistischen Beifall in der letzten Runde gefreut und freue mich, dass wir starke Mitkämpfer gegen die großen Konzerne und gegen die Industrie haben. Wir werden diesbezüglich in Zukunft auf Sie zukommen.
Herr Kollege Tietze, ich lade Sie herzlich ein, mit mir einmal auf die Flensburger Werft, zur Flensburger Schiffbaugesellschaft, zu gehen und den 63-jährigen und 64-jährigen Kollegen, die sechs Stunden über Kopf geschweißt haben, ihre Modelle der Lebensarbeitszeitvolumen, Sabbaticals und französischer Lebensart zu erläutern. Ich warne Sie aber. Schon ganz andere haben das Gelände nur knapp körperlich unversehrt verlassen können. Erzählen Sie das einfach einmal den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Lande! Sie werden begeisterte Zustimmung ernten. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Vielleicht sollten wir uns auch einmal an die eigene Nase fassen. Wenn ich mich hier im Saal umschaue, so denke ich, dass es ziemlich leer wäre, wenn die geförderte Altersteilzeit für Politiker verbindlich wäre. - Dann wäre es noch leerer, als es im Moment ohnehin schon ist.
Kann man sich eigentlich vorstellen, wie es uns gehen würde, wenn morgen jemand sagte: Wir brauchen Sie nicht mehr; Sie sind fast schon zu alt; Sie sind nicht mehr produktiv genug, und Sie sind zu kostenintensiv; aber weil Sie schon so lange bei uns sind, machen wir Ihnen ein Angebot; Sie können noch zwei Jahre bleiben; gewöhnen Sie sich schon einmal an den Gedanken? - Nichts anderes passiert nämlich heutzutage Tausenden von Arbeitnehmern, die das sogenannte Blockmodell der geförderten Altersteilzeit in Anspruch nehmen.
Ich halte es auch für sehr bedenklich, dass wir auf der einen Seite das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 erhöhen, auf der anderen Seite aber Arbeitgebern mit Steuergeldern dabei behilflich sind, vermeintlich unproduktive oder zu kostenintensive ältere Arbeitnehmer ab 60 loszuwerden. Aber ich mache mir auch keine Illusionen über die soziale Ver
antwortung der Unternehmen in diesem Land, genau wie die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Natürlich wäre es den meisten am liebsten, sie könnten ältere Arbeitnehmer schlicht entlassen und dafür niemanden einstellen, sondern die Arbeitsintensität für die Verbleibenden weiter erhöhen.
DIE LINKE unterstützt den Antrag daher mit Bauchschmerzen, weil wir wissen, dass ein genereller Kündigungsschutz für Menschen über 55, der eigentlich notwendig wäre, derzeit politisch nicht mehrheitsfähig ist.
Aber wir werden nicht dazu übergehen, das Herumkurieren an den Symptomen des verkorksten Arbeitsmarktsystems als die Lösung der Probleme anzusehen.
Nur ganz nebenbei möchte ich bemerken, dass das Auslaufen der geförderten Altersteilzeit nicht erst seit gestern bekannt ist. Wir bedauern, dass dieser Antrag von der SPD erst heute und nicht bereits zu einer Zeit gestellt wurde, in der diese noch in der Situation war, in diesem Haus Mehrheiten zu organisieren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prinzipiell ist die Fortführung der Altersteilzeit eine gute Sache, weil sie gleichzeitig ältere Beschäftigte entlastet und Arbeitslosen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt eröffnet. Dennoch wäre es besser, das Instrument der Altersteilzeit vor einer Fortführung einer gründlichen Überprüfung und Anpassung zu unterziehen. Aber wie immer drängt die Zeit, denn die Förderung läuft Ende des Jahres aus.
Tatsache ist, dass sich der geförderte Übergang in die Altersrente von einem Modell zum Regelfall entwickelt. Inzwischen geht jeder sechste Beschäftigte im Alter zwischen 55 und 64 Jahren in Altersteilzeit. Davon wählen über 90 % das sogenannte Blockmodell. Das heißt, dass die Arbeitnehmer keine echte Teilzeit arbeiten, sondern in der ersten Hälfte der Altersteilzeit voll arbeiten, um dann de
facto den Ruhestand zu beginnen. Sie sind also nicht mehr im Betrieb tätig und nutzen die Chance des gleitenden Übergangs gar nicht.
Genau dies erzeugt einen enormen Druck auf alle älteren Beschäftigten. Wer heutzutage noch bis zum Rentenalter arbeitet, muss sich den Vorwurf anhören, für einen Jüngeren den Arbeitsplatz zu blockieren. Diese Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz hat die Politik über viele Jahre und viele Rentenentscheidungen hinweg nicht nur zugelassen, sondern aktiv gefördert. Inzwischen sind wir so weit, dass viele Arbeitnehmer erhebliche Rentenabschläge akzeptieren, um endlich ihre Ruhe zu haben. So berichtet beispielsweise der Vorsitzende der Flensburger Werft, dass er über10 % Abschlag bekommt und das nach 47 Beitragsjahren.
Abgesehen von der Tatsache, dass mit der Altersteilzeit gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte vom Arbeitsmarkt verschwinden, reichen die sozialen Folgen weiter. Arbeitslose jenseits des 50. Lebensjahres gelten inzwischen als schwer vermittelbar. Viele, zum Beispiel die Betroffenen bei Danfoss, werden darum nach ihrer Entlassung schon nach 12 Monaten zu Hartz IV-Empfängern.
Problematisch ist, dass viele Arbeitgeber die Altersteilzeit als Instrument zur sozial abgefederten Entlassung einsetzen. Schätzungsweise jeder dritte Betrieb verzichtet auf Zuschüsse der Arbeitsagentur und stellt niemanden anstelle des Teilzeit-Rentners ein. Darüber hinaus bleibt allerdings abzuwarten, was die Tarifpartner zur Altersteilzeit vereinbaren. Es laufen ja jetzt einige Tarifverträge aus. Da darf man gespannt sein, ob die Gewerkschaften weiter auf das Pferd Altersteilzeit setzen wollen. Wir sollten uns gründlich überlegen, zu welchen Bedingungen die Altersteilzeit weitergeführt werden soll. Auf keinen Fall sollte Altersteilzeit dazu benutzt werden können, Personal abzubauen.
Ich fasse deshalb noch einmal zusammen: Altersteilzeit darf nur gewährt werden, wenn es nicht zu Abschlägen bei den Betroffenen kommt. Sie muss an die Bedingung geknüpft werden, dass ein Beschäftigte anstelle des Teilzeit-Rentners neu eingestellt wird.
Auch wir können dann mit Bauchschmerzen - wie ihr das auch gesagt habt - diesem Vorschlag der SPD zustimmen, auch deshalb, weil die letzte Bedingung, die ich genannt habe, auch in eurem Vorschlag genannt worden ist. Und deshalb könnten wir dem mit Bauchschmerzen zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil in der Debatte ein bisschen der Eindruck entstanden ist, unsere Arbeitswelt bestünde eigentlich aus einer Welt der Freiheit, und man könne den Menschen gar nicht genug Freiheiten geben. Das, was da so beschrieben worden ist, klang so, als sei es für die Menschen beschrieben, die es sich leisten können, in Jamaica Urlaub zu machen. Das sind aber die wenigsten.
Für die meisten sieht die Arbeitswelt ganz anders aus. Und diese Privilegierten-Sicht der Dinge entspricht überhaupt nicht dem, was viele Menschen in ihrem Arbeitsleben erleben.
Die früheren Vereinbarungen, die es teilweise zwischen den Tarifvertragsparteien zulasten der sozialen Sicherungssysteme gegeben hat, sind sicherlich problematisch. Das ist gar keine Frage. Aber heute hinzugehen und zu sagen: Wir verstehen Freiheit so, dass wir die für bestimmte Menschen überhaupt nicht mehr erlauben, die gar keine anderen Möglichkeiten mehr haben, die wirklich hart gearbeitet haben und nicht wissen, wo sie bleiben, das ist mit meinem Freiheitsverständnis nicht vereinbar.
Weil Sie so schön nachgefragt haben - das haben ja mehrere Redner getan -, wie das denn mit der Rente mit 67 vereinbar wäre, sage ich: Das ist relativ einfach. Es ist klar, dass, wenn wir längere Rentenzeiten haben, viele werden länger arbeiten müssen, weil die Beitragszahler weniger werden. Das ist aber nur dann fair, wenn diejenigen, die nicht mehr können, zum Beispiel weil sie körperlich hart gearbeitet haben, nicht solche Abschläge hinnehmen müssen, dass sie ihren Lebensstandard drastisch senken müssen. Es ist zweitens auch nur fair, wenn diejenigen, die über 50 sind, faire Arbeitsmarktchancen haben.
Ich will Ihnen noch etwas anderes sagen: Die IAB sagt uns, im September 2008 sind über 56 % der Stellen, die durch Altersteilzeit frei geworden sind, durch junge qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiederbesetzt worden. Insofern ist das auch vernünftig für den Arbeitsmarkt. Also tun Sie nicht so, als ob das einfach etwas Altmodisches, Sozialdemokratisches oder Linkes wäre, auf
Ich sage Ihnen, Sie müssen schon die Realität der Menschen im Auge behalten, die es nicht so gut haben wie die, die hier drin sitzen. Das ist der Teil, um den man sich auch Gedanken machen muss. Deswegen sind wir dafür, solche Initiativen zu unterstützen.
Herr Kollege Stegner, das, was ich nicht verstehe, ist: Das alte Altersteilzeitgesetz haben zu 90 % Menschen aus Dienstleistungsberufen - Beamte, Büroleute, Versicherungsfachangestellte, Bankangestellte - in Anspruch genommen. Zu dem, was Sie anführen, beweist die Praxis genau das Gegenteil. Das kriege ich nicht überein. Vielleicht können Sie mir das erklären.