Protocol of the Session on May 27, 2011

Die in beiden Anträgen geforderten Ansätze eines Runden Tisches und eines Fonds können wir nicht mittragen. Beide Anträge konterkarieren den Status der Selbstverwaltung und beschneiden die Freiheit von Selbstständigen.

(Lachen bei der SPD)

Der Fonds wäre ein Präzedenzfall und würde dazu führen, dass andere Gruppen ähnliche staatliche Unterstützung einfordern würden und könnten. Ihnen ist doch wohl klar, dass wir das aus ordnungspolitischen Überlegungen heraus nicht unterstützen und da nicht mitgehen können. Wir werden deshalb die Anträge ablehnen.

Auch die Forderung der Überführung der Regelung für Schwangerschaft und Geburt aus der Reichsversicherungsordnung in das SGB V bringt sicherlich keine Lösung für die Einkommenssituation der Hebammen.

(Bernd Heinemann [SPD]: Aber natürlich!)

Sie ist auch nicht Ursache des Problems, außer Sie wollten im gleichen Atemzug die Leistungen weiter ausbauen und damit den Kostendruck im Gesundheitswesen erhöhen. Das können Sie natürlich auch tun.

Neben dem speziellen Problem der hohen Versicherungsprämien besteht doch das grundsätzliche Problem für die freiberuflichen Hebammen darin, dass wir zurückgehende Geburtenzahlen haben.

(Widerspruch bei SPD und der LINKEN)

Ich habe es heute Morgen schon einmal gesagt: 1,36 Geburten pro Frau - das ist nicht viel. Wir haben noch 123 Hebammen in Schleswig-Holstein. 98,8 % der Geburten werden in Krankenhäusern

(Anita Klahn)

durchgeführt. Es besteht die Wahlfreiheit, in den Kreißsaal zu gehen. Dass auf der Insel Fehmarn eine Hebamme ihren Dienst eingestellt hat, liegt auch daran, dass die jungen Menschen von dieser Insel weggehen, weil sie dort keine Arbeitsplätze mehr finden. Sie müssen woanders im Land ihren Lebensunterhalt verdienen. Das können wir hier nicht einfach so an einem Runden Tisch ändern.

Meine Damen und Herren, in unserem Antrag finden Sie Ansätze, wie zum Beispiel die Ausweitung der Wochenbettbetreuung von zwei auf sechs Monate. Ich bin gespannt, wie das in dem Modellprojekt Rheinland-Pfalz erprobt wird und welche Ergebnisse dabei herauskommen.

Ich könnte mir wirklich vorstellen, dass das ein Schritt ist, um den Hebammen eine bessere Einkommenssituation zu geben. Es wäre aber auch eine wirklich sinnvolle Unterstützung für Mütter.

Frau Abgeordnete Klahn, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Abgeordneter Sellier zu?

Ja, gern.

Frau Klahn, ist es Ihnen bewusst, dass auch in Krankenhäusern Hebammen beschäftigt sind, die von Kindern entbinden?

- Das ist mir bewusst. Es ist mir auch klar - da ich selber Mutter bin und mit Hilfe einer Hebamme entbunden habe -, dass bei einer Geburt eine Hebamme dabei sein muss, aber kein Arzt. Möchten Sie noch mehr wissen?

(Zuruf des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Die Folgen für meine Überlegungen heißen: Ich würde mich immer dafür entscheiden, meine Kinder im Krankenhaus zu entbinden, weil ich dann auch gleich die medizinische Versorgung für eine Situation habe, die man vorher vielleicht nicht einplanen kann, lieber Herr Habersaat. Das kann ich Ihnen aber gern in einer privaten Runde erklären.

Meine Fraktion unterstützt, dass die Bundesregierung zur Versachlichung der Diskussion eine Bestandsaufnahme über die Vergütungssituation der Hebammen durchführt und dass der Bundesgesundheitsminister als Moderator für die weiteren Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und dem Spitzenverband wirbt. Die Ausschrei

bungsfrist für das Gutachten ist gerade abgelaufen, und es wird innerhalb von sechs Monaten vorgelegt werden.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Gern. - Ende des Jahres werden wir also Ergebnisse haben. Deswegen bitte ich heute um Abstimmung in der Sache und bitte auch um Unterstützung des Antrags von CDU und FDP.

(Beifall bei FDP und CDU - Bernd Heine- mann [SPD]: Das ist doch kein Antrag!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte diese Rede in Vertretung für meine Kollegin Marret Bohn, die heute Nachmittag nicht da ist.

Frau Klahn, ich halte Schuldzuweisungen, wer nun was wann versäumt hat, in dieser Situation für wenig hilfreich. Wir müssen für die Hebammen jetzt etwas tun, was wir schon lange versäumt haben.

(Anita Klahn [FDP]: Was wir tun können, haben wir doch gemacht!)

Jeden Tag erblicken 60 Neugeborene bei uns in Schleswig-Holstein das Licht der Welt. Bei fast allen ist eine Hebamme dabei. Das ist ein wichtiger Beruf, und daran besteht kein Zweifel. Hebammen unterstützen werdende Mütter und Väter während der Schwangerschaft und vor und nach der Geburt. Wir Grüne wollen, dass es auch weiterhin überall in Schleswig-Holstein freiberuflich tätige Hebammen gibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Bernd Heinemann [SPD] und Lars Harms [SSW])

Seit Juli 2010 hat aber jede fünfte freiberuflich tätige Hebamme ihre Tätigkeit aufgegeben. Das liegt an drei Problemen.

Erstens, an der Struktur. Die Leistungen der Hebammen sind in der Reichsversicherungsordnung aus dem Jahr 1911 festgelegt. Das ist lange her. Wir wollen eine Regelung, die ins Jahr 2011 passt.

(Anita Klahn)

(Beifall des Abgeordneten Bernd Heinemann [SPD])

Zweitens. Die Höhe der Gebühren ist nicht mehr ausreichend. Die Hebammen in Schleswig-Holstein verdienen etwa 7,50 €. Da sind wir etwas auseinander mit der SPD. Es ist aber als Stundenlohn deutlich zu wenig. Das ist für diesen Beruf viel zu wenig.

Drittens. Die Versicherungsbeiträge in der Haftpflichtversicherung sind im Juli 2010 extrem angestiegen, so sehr, dass viele Hebammen ihre freiberufliche Tätigkeit aufgegeben haben. Es ist jedoch immer noch nicht gelöst - das Problem ist nicht neu -, und das wollen wir Grüne heute ändern.

Im Juli 2010 wurde durch einen Schiedsspruch die Gebühr für eine Geburt um 100 € angehoben. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, mehr nicht. Wir Grüne haben auf Bundesebene ein Gutachten zur Versorgung mit Hebammen und zu ihrer Einkommenssituation gefordert. Es wurde von CDU und FDP abgelehnt. Der Ex-Gesundheitsminister Rösler hatte eine Studie zur Finanzsituation versprochen. Passiert ist jedoch bisher nichts. Die Verantwortlichen lassen Hebammen und Familien im Regen stehen. Das werfen wir Ihnen vor. Unser Ziel ist der Erhalt der freiberuflichen Geburtshilfe überall in Schleswig-Holstein,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

in den Städten sowie im ländlichen Raum, auf Amrum genauso wie in Kiel. Hierzu wollen wir drei Schritte gehen.

Erstens. Wir Grüne fordern eine Überführung aller Leistungen rund um die Geburt von der Reichsversicherungsordnung aus dem Jahr 1911 in das Sozialgesetzbuch V, dem Gesetzbuch zur gesetzlichen Krankenversicherung. Hier ist der richtige Platz für Prävention, hier ist auch der richtige Platz für Geburtsleistungen.

Zweitens. Sofort nach der Überführung in das fünfte Sozialgesetzbuch müssen die Gebühren erhöht werden. Eine Geburt sollte einer Gesellschaft auch ein gutes Gehalt für Hebammen wert sein.

Drittens. Wir unterstützen die Forderung nach einem Versicherungsfonds, der die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung ganz oder teilweise übernimmt. Das ist gerade für uns in SchleswigHolstein wichtig. Eine Hebamme auf Amrum wird nie so viele Geburten betreuen können wie eine Hebamme in Kiel. Trotzdem muss sie ihren Beruf ausüben können.

Für die freiberuflichen Hebammen in SchleswigHolstein ist es nicht fünf vor zwölf, es ist schon fünf nach zwölf. Deshalb beantragen wir Abstimmung in der Sache. Das Modellprojekt in Rheinland-Pfalz, das im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen beschrieben wird, begrüßen wir ganz ausdrücklich. Da wir aber einen eigenen Änderungsantrag eingebracht haben, den wir für konkreter halten, werden wir unserem Antrag zustimmen und den der Regierungsfraktionen ablehnen. Den Antrag der LINKEN werden wir unterstützen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor fast einem Jahr haben wir uns hier im Landtag mit der Frage beschäftigt, wie wir die Versorgung durch Hebammen und Geburtshelfer in Schleswig-Holstein sicherstellen können. Denn spätestens mit dem enormen Anstieg der Haftpflichtversicherungsbeiträge Mitte letzten Jahres wurde deutlich, wie bedrohlich die Situation für Hebammen und Geburtshelfer ist. Es war also keine Überraschung, dass viele in diesem Haus dringenden Handlungsbedarf gesehen haben. Fakt ist, dass die freie Wahl des Geburtsorts und der Rechtsanspruch jeder Frau auf Hebammenleistung schon heute nicht mehr flächendeckend gewährleistet sind. Gerade ländliche Gebiete, wie zum Beispiel auch die nordfriesischen Inseln, sind eindeutig unterversorgt, und aus Sicht des SSW müssen Geburten in Schleswig-Holstein selbstverständlich auch in Zukunft flächendeckend, wohnortnah und damit von Hebammen und Entbindungshelfern begleitet werden können.

(Vereinzelter Beifall bei SSW, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Leider hat die breite Einigkeit vor knapp einem Jahr wenig genützt: Es ist bis heute nichts geschehen, um die Einkommenssituation dieser Berufsgruppe dauerhaft zu verbessern und damit die Versorgung zu sichern. Dabei haben sich die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Hebammen nicht erst mit dem Anstieg der Haftpflichtprämien immer weiter verschlechtert. Verantwortung und Entlohnung stehen ganz einfach in einem krassen Missverhältnis. Die Konsequenzen der jüngsten

(Ines Strehlau)

Entwicklung hat auch die Landesregierung eingeräumt. Jede fünfte freiberufliche Hebamme hat seit Mitte letzen Jahres ihre Geburtshilfe aufgeben müssen.

Für den SSW ist deshalb völlig klar: Wenn es schon nicht gelungen ist, hier frühzeitig gegenzusteuern, müssen wir uns zumindest heute mit Nachdruck dafür einsetzen, diese Entwicklung zu stoppen. Dabei kann die Bedeutung der von den Hebammen und Entbindungshelfern geleisteten Arbeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können. In vielen Fällen übernehmen sie im Rahmen ihrer Hausbesuche die komplette Mütterberatung. Sie bieten umfangreiche Leistungen während und nach der Entbindung. Sie sind damit eine wichtige Säule der ambulanten Versorgung. Nebenbei bemerkt helfen sie durch ihre Dienste vor Ort auch dabei, jede Menge Geld zu sparen.