Protocol of the Session on May 27, 2011

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Ich eröffne die heutige Sitzung und gebe Ihnen zunächst bekannt, dass der Kollege Flemming Meyer beurlaubt ist. Die Kollegin Anke Spoorendonk ist ab 12 Uhr beurlaubt. Für die Landesregierung sind Ministerin Dr. Rumpf sowie Minister Dr. Garg beurlaubt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam Schülerinnen und Schüler des RBZ Wirtschaft. KIEL, Standort Ravensberg, auf der Zuschauertribüne zu begrüßen. Herzlich willkommen im Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 und 25 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1453

b) Neuregulierung des Glücksspiels: Kein schleswig-holsteinischer Alleingang - für ein schleswig-holsteinisches Spielhallengesetz!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1480

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Damit eröffne ich die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Andreas Beran von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dieser Tageszeit kann man auch noch Moin, Moin sagen.

(Zuruf: Zu jeder Tageszeit!)

- Okay, zu jeder Tageszeit.

Jedem, der sich mit der Gesetzesinitiative zum Glücksspiel auseinandersetzt, muss klar werden: Nicht der Schutz vor Sucht steht auf einmal im Vordergrund, sondern der freie Wettbewerb - koste er, was er wolle!

Dies ist ein Wertewandel im Umgang mit dem Glücksspiel in unserem Land Schleswig-Holstein als auch im Bund. Es geht schon lange nicht mehr um eine Liberalisierung des Glücksspiels, nein, es geht um eine Radikalisierung hier in SchleswigHolstein - Radikalisierung! -, weil die Gesetzesinitiative einiger aus den Regierungsfraktionen künftig alles, was auf dem Glücksspielmarkt möglich ist, hier zulassen wird. Das ist Las Vegas pur, mit allen dazugehörigen sozialen Folgen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Der von unseren beiden parlamentarischen Glücksrittern, Herrn Kubicki und Herrn Arp, gewollte und unterstützte Alleingang Schleswig-Holsteins schafft das erste Mal in der jüngsten Geschichte Deutschlands zweierlei Recht für dessen Bürgerinnen und Bürger. Kleinstaaterei kann in Deutschland nicht erstrebenswert sein. Deren Folgen zum Beispiel beim Länderfinanzausgleich sind noch gar nicht absehbar. „Gleiches Recht für alle“ muss auch weiterhin gelten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Die Europäische Union lässt ausdrücklich in dieser Frage unterschiedliche Vorgehensweisen zu. Aber wenn es innerhalb von Deutschland keine Einigung gibt, wird ganz Deutschland seine Position gegenüber der Europäischen Union nicht halten können. Die sozialen Folgen wären unabsehbar. Die Folgekosten muss die Gesellschaft tragen, während die Glücksspielraubritter dicke Gewinne einstreichen werden. Denn dies ist der wahre Grund dieser Gesetzesinitiative. Alle anderen vorgebrachten Gründe sollen davon lediglich ablenken.

Schwarz-Gelb ist wieder mal vorne weg, wenn es darum geht, Gewinne zu privatisieren und die Folgen der Allgemeinheit aufzubürden. Aber das ist nur konsequent, denn Ihre Philosophie lautet: Das Wohl weniger ist wichtiger als das Wohl aller. Dies allein reicht schon aus, um zu verstehen, warum wir diesen Antrag gestellt haben. Wir wollen ein einheitliches Vorgehen, bundesweit. Dabei stellen wir nicht die Interessen der Glücksspielanbieter in den Vordergrund, sondern die der Allgemeinheit

(Beifall bei der SPD)

dies auch, wenn uns einige Passagen in dem Entwurf des neuen Glückspielstaatsvertrags Bauchschmerzen verursachen.

Wir wollen zum Beispiel keine Netzsperren im Internet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch ohne Netzsperren ist es technisch möglich, Onlinespiele im vernünftigen Rahmen zu kanalisieren. Andere Länder haben dies bereits vorgemacht. Wir halten es auch für nicht richtig, im neuen Glücksspielstaatsvertrag einen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Für uns Sozialdemokraten hier in Schleswig-Holstein steht als Ziel immer noch der Schutz der Bevölkerung vor unseriösen Anbietern, vor den wirtschaftlichen Interessen Einzelner.

Seitens der Befürworter einer Radikalisierung des Glückspielangebots werden uns Vorteile genannt, die nach einem Blick in den Gesetzentwurf nicht haltbar sind. So wird davon gesprochen, dass man in Schleswig-Holstein Konzessionen vergeben will und nur die, die eine Konzession haben, können dann in Schleswig-Holstein Glücksspiele anbieten.

Meine Damen und Herren, Sie finden nicht einmal den Begriff Konzession in dem vorliegenden Entwurf. Stattdessen ist da von Genehmigungen die Rede, für die sicherlich eine Gebühr entrichtet werden muss. Dies ist jedoch nicht mit einer Konzessionsabgabe zu vergleichen. Und wenn Sie keine spezielle, in Schleswig-Holstein ausgestellte Genehmigung haben, so können Sie als Wettanbieter mit einer Zulassung eines anderen europäischen Staates trotzdem Ihre Wetten in Schleswig-Holstein anbieten.

Zwar gibt es keine einheitlichen europäischen Standards hinsichtlich Seriosität, Zuverlässigkeit und ethischer Mindestanforderungen für Anbieter von Wettgeschäften, aber der Gesetzentwurf fingiert einfach die Zuverlässigkeit jedes Wettanbieters, der mit einer, wie auch immer erworbenen Offshore-Konzession eines anderen europäischen Staates herumwedelt. Warum soll der sich dann auch noch hier niederlassen, wenn auf Malta nicht nur das Wetter erheblich besser ist?

Übrigens beurteilt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Mengozzi, die Zulassungspraxis einiger EU-Länder wie folgt - ich zitiere -:

,,...die geeignet sind, das gegenseitige Vertrauen (Art. 10 EG) auf das eine eventuelle Harmonisierung des Sektors oder zumindest das System der gegenseitigen Anerkennung der Erlaubnisse im Bereich des Glücksspiels gestützt werden müsste, selbst zu zerstören.“

In diesen Missbräuchen erkennt der Generalanwalt auch noch ein zusätzliches Argument für die Notwendigkeit, eine gegenseitige Anerkennung auszu

schließen. Und Anbieter solcher Art und Güte wollen Sie ernsthaft auf die Menschen in unserem Land loslassen?

Mit der Gesetzesvorlage möchte man, dass sich die Glücksspielanbieter in Schleswig-Holstein niederlassen. Dabei will man sie locken, indem man „nur“ einen Abgabensatz von 20 % der Bemessungsgrundlage erheben will. Die Bemessungsgrundlage ist der Rohertrag aus den angebotenen und durchgeführten Glückspielen. Eine Frage sei hier erlaubt: Kann ein Bundesgesetz durch ein Landesgesetz ausgehebelt werden? In § 17 des Renn-, Wett- und Lotteriegesetzes wird eine Abgabe von 16 2/3 % vom Umsatz vorgeschrieben. Sie finden diese Abgabe in gleicher Höhe auch im Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags wieder, eben genau aus diesem Grund, um Bundesrecht einzuhalten.

Ich habe mal gelernt: Bundesrecht geht vor Landesrecht. Gilt das heute nicht mehr?

Das Glücksspielgesetz kann diese Bundessteuer nicht aushebeln. Die von Ihnen versprochenen eigenen Erträge des Landes können im Übrigen nur dann generiert werden, wenn sich Land und Bund darauf einigen, dass zum Beispiel Sportwetten nicht unter das Renn-, Wett- und Lotteriegesetz fallen und daher eine Glücksspielabgabe des Landes erhoben werden kann. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei den Verhandlungen mit Herrn Schäuble. Es wäre übrigens das erste Mal, dass sich diese Regierung mit irgendwas in Berlin durchsetzen könnte.

In den geführten Diskussionen haben wir etwas über zusätzliche Einnahmen für das Land gehört. Herr Arp hatte diese einmal in einer Landtagsrede mit 60 Millionen € beziffert. Kein Glücksspielanbieter konnte uns während der Anhörung diese oder gar eine andere Summe als zusätzliche Einnahme bestätigen - trotz mehrmaliger Nachfrage während und auch außerhalb der Anhörung.

Gerade die Finanzpolitikerinnen und -politiker der Regierungsfraktionen hatten wegen der versprochenen Mehreinnahmen bereits förmlich das Eurozeichen in den Augen. Aber glauben Sie ernsthaft, dass wir mithilfe des Glücksspiels unsere finanzpolitischen Probleme lösen werden?

(Martin Habersaat [SPD]: Wollen wir das?)

Die Einnahmen, die wir vielleicht tatsächlich zusätzlich erlangen sollten, benötigen wir dann für die Beseitigung der sozialen Folgeschäden. Da bleibt dann auch nichts mehr für den Sport übrig.

(Andreas Beran)

Ein weiteres Thema, das für Unsicherheit sorgt, ist das Lottomonopol. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Lottomonopol erhalten bleiben soll. Es stellt sich jedoch die dringende Frage, ob die EU bei einer eventuell eingereichten Klage dieses Monopol nicht aufheben würde. Gerade das Lottospiel ist aufgrund seiner Angebotsstruktur am wenigsten suchtgefährdend. Dies allein könnte für die EU Anlass sein, das Monopol zu kippen. Ich bin überzeugt, dass dies den Glücksspielanbietern auch bekannt ist. Sie werden nach einer gewissen Schamfrist dann auch in dieses Geschäft drängen wollen.

Eine Sicherung vorhandener Arbeitsplätze ist das nicht. Dies haben nicht nur wir, sondern auch sämtliche Betriebsräte der Lotterieunternehmen der Länder und die über 20.000 Annahmestellenleiter in Deutschland erkannt. Ein entsprechendes Schreiben liegt allen Abgeordneten vor.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wollte Sie mit diesen Details zum Entwurf des Glückspielgesetztes nicht langweilen. Mir liegt jedoch daran zu verdeutlichen, dass die Versprechungen, die uns seitens der Unterstützer der Glücksspielanbieter gemacht werden, sich in dem Gesetzesentwurf ganz anders darstellen. Geradezu verblüfft bin ich über das Verhalten des Mittelstandsbeauftragten. Für wen ist er nun eigentlich da - für die Großen im Glücksspiel oder für die kleinen und mittelständischen Lottoannahmestellen? Wir von der SPDFraktion haben die Einrichtung eines Mittelstandsbeauftragten von Anfang an für nicht akzeptabel gehalten. Wenn er jetzt sogar gegen die Interessen des Mittelstandes arbeitet - so war es in der öffentlichen Anhörung zu vernehmen -, dann wird noch einmal deutlich, wie überflüssig dieser Posten ist oder aber zumindest wie ungeeignet Herr Arp für diese Position ist.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und der LIN- KEN)

Die Bedeutung der Annahmestellen im ländlichen Bereich ist in der Anhörung gut herübergekommen. Fallen diese künftig weg, was bei dem Vorhaben der Regierungsfraktionen ziemlich realistisch ist, wäre die Folge ein weiteres Sterben von Läden im ländlichen Bereich.

Sehr geehrte Damen und Herren, handeln Sie zum Wohle des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger! Wenn Sie die Einnahmen des Landes sichern und auf dieser Grundlage stärken wollen, dann schließen Sie sich dem Bestreben der anderen Bundesländer an! Auf dem Gebiet des Glücksspielwesens sind wir Schleswig-Holsteiner nur in der Ge

meinschaft aller Bundesländer stark. Daher bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Kollegin Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer eine Neuregelung des Glücksspiels mit dem Ziel des Jugendschutzes, der Suchtprävention und des Spielerschutzes anstrebt, der muss zuallererst da ansetzen, wo es die größten Missstände gibt. Das sind ohne Zweifel die Spielhallen und das Automatenspiel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)