Protocol of the Session on May 26, 2011

Der Bund geht genau in diese Richtung. Die Bundesregierung hat eine Initiative mit dem Schwerpunkt Kita, Sprache und Integration gestartet. In unserem Land werden aus diesem Programm fast 90 Kitas gefördert. Ich finde, das ist ein guter Ansatz. Wenn ich aber mit den beteiligten Kitas rede, dann wird deutlich, dass diese Kitas händeringend das Personal suchen, um diese Sprachförderung auch umzusetzen. Das ist ein echtes Problem. Herr Minister, ich möchte Ihnen auch noch diesen Punkt mit auf dem Weg geben: Die Kitas haben zum Teil Sorge, dass die bestehende Sprachförderung vonseiten des Landes gekürzt wird, wenn Bundesmittel fließen. Vielleicht hilft ein klärendes Wort, das bestätigt, dass dies nicht der Fall sein wird.

Ich möchte auf einen zweiten Punkt eingehen, nämlich den Fachlehrermangel. Wir haben schon darüber gesprochen. Das Ministerium hat selbst festgestellt, dass im Bereich der Zweitsprache ein Problem besteht. Im März 2010 hat man den Regionalund Gemeinschaftsschulen die Möglichkeit gegeben, keine zweite Fremdsprache anbieten zu müssen, wenn das Personal fehlt. Aus der ehemaligen Verpflichtung ist eine Sollvorschrift geworden. Man kann sagen, dass das eine kleine Kapitulation ist. Vielleicht ist es auch nur weibliches pragmatisches Vorgehen, Herr Minister. Ich glaube, es wäre dann pragmatisch, wenn das Ministerium gleichzei

tig vehement gegensteuern würde. So wirkt es eher Flickwerk.

Die Suche nach Lehrkräften für Fremdsprachen trifft heute schon einige Schulen. Ich gehe davon aus, dass dies in den nächsten Jahren zu einem Flächenbrand werden wird. Das ist jedenfalls das, was mir die Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen momentan mitteilen. Ich bin froh darüber, dass es im Bereich der Romanistikprofessur in Flensburg Bewegung gibt. Wir hatten schon im Rahmen der Haushaltsberatungen vorgeschlagen, dass man hier nachlegt. Wir hatten auch einen Gegenfinanzierungsvorschlag geliefert. Ich freue mich, wenn es hier vorangeht. Ich würde mich auch darüber freuen, wenn dann, wenn Reformbemühungen bei der Lehrerfortbildung bestehen, wie erwähnt, die Fraktionen nicht nur einseitig darüber informiert werden, sondern dass diese Informationen allen Fraktionen zukommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das betrifft allerdings ein anderes Ministerium. Vielleicht kann man das ausrichten. Zum Thema Fachlehrermangel: Hier droht dem Großteil motivierter Junglehrerinnen und -lehrer, die jetzt noch kein Beamtenticket haben, ein lauwarmer Handschlag zum Abschied. Darunter sind auch Lehrkräfte, die auch die gesuchten Fremdsprachen unterrichten können. Das weiß ich allerdings bisher nur von Einzelfällen. Ich habe hierzu eine Kleine Anfrage gestellt. Ich bin gespannt auf die Antwort, die wahrscheinlich in der nächsten Woche kommt. Vor dem Hintergrund, dass andere Bundesländer massiv um Lehrkräfte werben, ist es sehr kurzsichtig, die Kolleginnen und Kollegen, die wir künftig händeringend suchen werden, gehen zu lassen. Das Kabinett schafft also heute Probleme, derer wir morgen kaum Herr werden können.

Ich möchte einen letzten Vorschlag machen, der unkonventionell ist. Er kommt aus den Vorschlägen des „Tatort: Zukunft“. Das war ein Jugendkongress, den unser aller Präsident eröffnet hat. Das zeichnet diesen Kongress natürlich besonders aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier gab es den Wunsch der jungen Leute, im Fernsehen mehr Filme im Originalton mit Untertiteln zu sehen. Das ist sehr pragmatisch, und es hat einen super Alltagbezug. Das gehört nicht zum Bereich Schulpolitik, aber ich glaube, das ist ein sehr wirksamer Vorschlag. Vielleicht wäre dies eine Anregung für die Medienpolitikerinnen und -politiker.

(Anke Erdmann)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion die LINKE erteile ich der Frau Abgeordneten Ellen Streitbörger das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich bei der SPD-Fraktion für die gute Idee dieser Anfrage und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die Antworten bedanken. So liegt uns ausreichendes Material zur Diskussion vor. Die Vermittlung von Fremdsprachen ist für die persönliche und für die kulturelle Entwicklung der Schülerinnen und Schüler von besonderer Bedeutung. Der Fremdsprachenunterricht bietet Möglichkeiten, die Neugier auf fremde Sprachen zu wecken und interkulturelle Sensibilität zu fördern. Die Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen durch das Erlernen verschiedener Sprachen ist aus unserer Sicht unbedingt zu fördern. Auch im Hinblick auf die Internationalisierung des Arbeitsmarkts bilden Fremdsprachenkenntnisse eine unerlässliche Zugangsvoraussetzung.

Die Antworten des Ministeriums führen uns vor Augen, wie groß der Handlungsbedarf im Bereich der Fremdensprachenvermittlung tatsächlich ist. Ich möchte hier nur einige Beispiele herausgreifen: Im vergangenen Jahr war aus dem Bildungsministerium und von den regierungstragenden Parteien in fast jeder bildungspolitischen Debatte von der strukturellen Benachteilung der Gymnasien zu hören. Aus den zahlreichen Tabellen aus der Anfrage wird für mich nur eine strukturelle Benachteiligung der Gemeinschaftsschulen deutlich,

(Beifall bei der LINKEN)

egal ob es um die Anzahl der Sprachangebote, um Schulfahrten oder um Klassenfahrten geht. Das Angebot in den Kindertagesstätten Schleswig-Holsteins muss ausgebaut werden. Wenn in lediglich 15 Tagesstätten im ganzen Land regelmäßig - ich sage einmal in Klammern nach der Immersionsmethode - Begegnungen mit der englischen Sprache stattfinden, dann kann ich nur feststellen, dass das viel zu wenig ist. Es ist auch unzureichend, wenn nur in einigen Kindergärten ein- bis zweimal wöchentlich englische Spielstunden stattfinden.

Die Antwort auf die Anfrage offenbart auch, dass bilinguale Angebote ausgeweitet werden müssen.

Dass es diese Form der Fremdsprachenvermittlung bisher überhaupt nur an Gymnasien gibt, zeigt einmal mehr die Benachteiligung anderer Schularten. Wir fordern deshalb eine umfassende Ausweitung, und zwar auf alle Schulen und Lernenden gleichermaßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei geht es nicht nur um die rein quantitative Ausweitung. Die Angebote machen nur dann Sinn, wenn sie qualitative Standards einhalten. Dazu brauchen wir gut ausgebildetes Fachpersonal wie native speakers oder Lehrer und Lehrerinnen mit umfassenden Spracherfahrungen. Das heißt natürlich auch, dass wir Lehrerinnen und Lehrern ermöglichen müssen, Zeit im Ausland zu verbringen, um dort ihre Spracherfahrungen vertiefen zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

In der aktuellen Situation ist das kaum möglich. Im Studium wird Mobilität durch den zunehmenden Klausurstress immer mehr eingeschränkt. Lehrkräfte, deren Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren permanent gestiegen ist, können Auslandsaufenthalte kaum mit ihrer knappen Zeit vereinbaren.

Auf die Frage nach den Leistungen schleswig-holsteinischer Schülerinnen und Schüler im Fach Englisch im Vergleich zu anderen Bundesländern führt das Ministerium eine Studie an, nach der unsere Schülerinnen und Schüler im Mittelwert liegen. Liest man die Studie aber weiter, dann fällt auf, dass es neben Sachsen kein anderes Bundesland gibt, in dem die sozialen Gradienten so entscheidend für das Lese- und Hörverständnis sind wie in Schleswig-Holstein. Bildungsgerechtigkeit sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Fremdsprachendidaktik muss sich zu einer interkulturellen Fremdsprachenpädagogik entwickeln, die neben der rein sprachlichen Wissensvermittlung auch Landeskunde, den Abbau von Vorurteilen und die Förderung von Toleranz und Akzeptanz in den Unterricht einbindet, denn Sprachen sind nicht nur der Schlüssel zur Kommunikation, sie sind auch der Schlüssel zu anderen Kulturen. Die Möglichkeit eines friedlichen und solidarischen Miteinanders wächst mit dem Kulturdialog, der eng mit der Fremdsprachenpädagogik an unseren Schulen verwoben sein muss. So ist es kein Zufall, dass die Mitteilung der Europäischen Kommission „Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung“ wichti

(Anke Erdmann)

ge Ansätze formuliert, um das Bewusstsein für den Wert der Sprachenvielfalt und für die davon ausgehenden Chancen zu schärfen. DIE LINKE fordert deshalb auch für Schleswig-Holstein die Umsetzung des Ziels der Kommunikation in der Muttersprache und in zwei weiteren Sprachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erteile ich der Vorsitzenden der SSWFraktion, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fremdsprachen und damit auch die Sprachenvielfalt in Schleswig-Holstein sind nicht so häufig Thema hier im Parlament. Daher freut es mich ganz besonders, dass die SPD dieses Thema mit ihrer Großen Anfrage auf die politische Tagesordnung gesetzt hat. Dank auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die Erarbeitung der Großen Anfrage.

Auf der Welt gibt es ungefähr 6.500 Fremdsprachen. Etwa 15 davon kann man in schleswig-holsteinischen Kindertagesstätten und Schulen lernen. Englisch ist die Fremdsprache, die am häufigsten gelernt wird. Das haben wir in jedem Redebeitrag gehört. Danach kommen Französisch und Latein, aber auch Spanisch, Dänisch und Russisch gehören zu den Sprachen, die oft angeboten werden. Aus Sicht des SSW gibt dabei keine Sprache, die am wichtigsten ist. Es kommt vielmehr auf den Grund an, warum man eine Sprache lernen möchte. Klar ist, dass Englisch eine Weltsprache ist, was aber nicht heißt, dass es für manche Menschen nicht ebenso wichtig oder wichtiger ist, sich zum Beispiel auf Friesisch verständigen zu können.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Sprachen sind nämlich viel mehr als einfach nur Kommunikationsmittel. Durch Sprachen lernt man auch die jeweilige Kultur kennen, man lernt eine neue Welt kennen. Und Sprachen dienen immer auch der Persönlichkeitsbildung. Nicht zuletzt deshalb ist es gerade Minderheitenangehörigen so wichtig, ihre Sprache zu sprechen und damit ihre Kultur zu leben. Soll heißen: Fremdsprache heißt in diesem Zusammenhang ausschließlich, dass damit eine Sprache gemeint ist, die nicht der eigenen Sprache entspricht. Menschen wachsen aber nicht

nur mit einer Sprache auf. Das wissen wir spätestens seit Implementierung der Europäischen Sprachencharta in die Gesetzgebung von Bund und Ländern.

Jeder siebte Mensch in Europa wächst mit einer Minderheiten- oder Regionalsprache auf. Ziel der Sprachencharta ist es, für diese Sprachen gleichwertige Rahmenbedingungen zu schaffen wie für die Sprache der Mehrheitsbevölkerung. Gleichwohl ist es notwendig, dass auch das Erlernen der Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch und Romanes und der Regionalsprache Niederdeutsch attraktiv gestaltet wird.

Die Große Anfrage hat ergeben, dass es im vorschulischen Bereich verschiedene Angebote des Spracherwerbs gibt, aber es ist schwierig, eine Übersicht darüber zu erstellen, so steht es in der Großen Anfrage. Im nördlichen Landesteil ist vor allem der ADS-Grenzfriedensbund aktiv und bietet in Kindertagesstätten das gleichberechtigte Lernen der Minderheiten- und Regionalsprachen neben der deutschen Sprache an. Dass dieses Engagement ehrenamtlich erfolgt, macht deutlich, dass es noch sehr viel zu tun gibt. Stichworte sind hier Verstetigung des Angebots und auch das Problem der Überstrapazierung des Ehrenamts.

Im schulischen Bereich ist das Lernen von Sprachen nach Schulprofil und Fächerwahl strukturiert. Mit steigender Teilnahme bieten so zum Beispiel Grundschulen Englischunterricht an. Aber auch Dänisch und Französisch können schon die ganz Kleinen lernen. In der Sekundarstufe gibt es dann eine größere Vielfalt an Sprachen und unterstützenden Rahmenbedingungen für den Spracherwerb.

An erster Stelle sind natürlich die Lehrkräfte zu nennen. Besonders begehrt sind auch die Fremdsprachenassistenten, die nicht nur eine andere Sprache beherrschen, sondern aus einem anderen Land kommen, sodass sie den Kindern eben auch Kultur beibringen. Darüber hinaus ist es über Schulpartnerschaften oder Austausche möglich, nicht nur die Sprache, sondern auch das Land kennenzulernen.

Dass die Bundesregierung immer weniger Interesse daran hat, die deutsche Sprache im Ausland zu stärken, wissen wir bereits seit den Kürzungen bei den Goethe-Instituten, wobei ehrlicherweise hinzugefügt werden muss, dass zum Beispiel in unserem nördlichen Nachbarland die Schwächung des Faches Deutsch auch ein hausgemachtes Problem darstellt.

(Ellen Streitbörger)

In Bezug auf die dänische Sprache erstaunt es kaum, dass vor allem diejenigen Schüler die Nachbarsprache lernen wollen, die planen, in der Region zu bleiben. Sowohl bei der Arbeitsplatzsuche als auch im Alltag sind Dänischkenntnisse hier häufig von Vorteil. So ist Dänischunterricht vor allem an den Gemeinschaftsschulen längst ein selbstverständlicher Teil des Lehrplanangebotes.

Die Landesregierung braucht sich jedoch nicht zu wundern, dass die Anzahl der Dänisch lernenden Schülerinnen und Schüler zurückgeht. Dieses Problem hat die Landesregierung mit ihrem Erlass zum Wahlpflichtfach selbst geschaffen und im März 2010 noch verstärkt. Hier liegt also ein wichtiger Schalthebel, damit zukünftig wieder mehr Kinder Fremdsprachen lernen.

Dass die Landesregierung dann auch noch feststellt, dass regional Bedarf an mehr Lehrkräften für Dänisch und Friesisch besteht, macht nur noch deutlicher, dass sie die Schwachstellen kennt, aber wenig tut, um die Sprachenvielfalt in Schleswig-Holstein zu erhalten.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Eine Anmerkung, weil Kollegin Conrad ansprach, dass das Angebot für Dänisch eigentlich vorhanden ist, aber nicht angenommen wird. Eine Nachfrage zum Beispiel bei der Uni Flensburg hätte ergeben, dass es im Studium sehr gut läuft, es aber nach dem Studium hakt, weil nicht genügend Referendariatsplätze zur Verfügung gestellt werden.

Das Problem wurde auf einer kürzlich abgehaltenen Konferenz von SSW und der Partei der deutschen Minderheit in Dänemark, der Schleswigpartie, deutlich, eine Konferenz, die die Überschrift trug: Lerne die Sprache deines Nachbarn. Dabei ging es um sehr konkrete Fragestellungen, dass man gerade bei Unterrichtsmaterialien, bei den Problemen der Lernmittel unbedingt etwas unternehmen muss. Wer in Kappeln Dänisch lernen möchte, muss es mit Hilfe von Büchern aus den 70er-Jahren machen. Ich denke, das ist für Kinder und Jugendliche wirklich kein Anreiz.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Kollegin Heike Franzen von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz darauf aufmerksam machen, dass es sich bei dem Bereich der Französischlehrerausbildung an der Universität Flensburg nicht um eine einseitige Information der Landesregierung an die Regierungsfraktionen handelt.

Frau Kollegin Erdmann, ich will gern aus der Großen Anfrage zitieren. Auf Seite 47 ist ganz klar geantwortet:

„Im Zuge der Konzentration der Lehrämter für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen ist an der Universität Flensburg kein Teilstudiengang „Französisch“ eingerichtet worden. Um dem Lehrkräftebedarf im Fach „Französisch“ im nicht gymnasialen Bereich entgegenzutreten, strebt das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr (MWV) an, dass die Universität Flensburg erstmalig eine zweite Fremdsprache anbietet.“