Protocol of the Session on May 26, 2011

Allerdings kommt die Vereinbarkeit von Studium und Familie in den aktuellen Zielvereinbarungen bereits vor. So wollen zum Beispiel CAU, Uni Lübeck und die Uni Flensburg dem Genderaspekt Rechnung tragen. Die CAU möchte außerdem das Gleichstellungskonzept erneuern und die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Studium und Familie verbessern. Die Uni Lübeck will einen

(Björn Thoroe)

Gleichstellungsplan aufstellen und sich am Programm „Familiengerechte Hochschule“ mit dem Ausbau der Kinderbetreuung beteiligen. Die Flensburger Universität möchte das Zentrum für Genderforschung weiterführen.

Diese Zielsetzungen haben gemeinsam, dass sie sehr allgemein gefasst sind. Außerdem setzen sich die Fachhochschulen mit dem Thema Gleichstellung vor allem bei der Gewinnung von mehr Professorinnen auseinander. Es geht hier aber kaum um die Vereinbarkeit von Studium und Familie.

Aus Sicht des SSW gehen die bisherigen Zielsetzungen an den Hochschulen zur Vereinbarkeit von Familie und Studium in die richtige Richtung, aber sie sollten konkretisiert und ausgebaut werden. Es fehlen vor allem flexible Betreuungszeiten, offizielle Angebote für Teilzeitstudiengänge,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

mehr Flexibilität bei Prüfungs- und Abgabeterminen, familienfreundliche Terminierungen von Veranstaltungen und eine insgesamt auf Eltern-KindBedürfnisse ausgerichtete Ausstattung der Hochschulen.

Die Uni Jena hat die Familienfreundlichkeit ihrer Hochschule zum Beispiel als Standortfaktor entdeckt und ein vielseitiges Programm aufgelegt, um Studierenden mit Kindern das Studium zu erleichtern. Neben drei Betreuungsangeboten an der Hochschule haben die Kitas von halb sieben morgens bis halb sechs abends geöffnet, und die Kosten für die Betreuung staffeln sich nach dem Einkommen der Eltern. Außerdem gibt es Kinderausweise für kostenloses Mittagessen in der Mensa, zahlreiche Netzwerke zur Unterstützung von Eltern und sowohl Teilzeitstudiengänge als auch Sonderstudienplätze. Deutlich wird an diesem Beispiel, dass es hier vor allem darum geht, bestimmte Rahmenbedingungen zu schaffen und so für ein kinderfreundliches Klima an der Hochschule zu sorgen.

Die Studie „fast - Familiengründung im Studium“ aus Baden-Württemberg macht nämlich deutlich, dass Hochschulen vor allem eines sind: kein Ort der Kinderfreundlichkeit. Dies wird deutlich an Lehrenden, die nicht bereit sind, ihre Prüfungs- und Abgabetermine flexibel zu gestalten, an Veranstaltungen, die von 18 bis 20 Uhr liegen, oder auch an Studierenden, die nicht bereit sind, für ihre Kommilitonen mitzuschreiben, wenn diese aufgrund der Kinder fehlen.

Vor allem macht die Studie aber deutlich, dass die Vereinbarkeit von Studium und Familie primär ein

Problem der Frauen ist und wir es hier mit einem typischen Beispiel für die Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft zu tun haben. So bleibt zum Beispiel die männliche Erwerbstätigkeit konstant unbeeinflusst von Familienstand und Kinderzahl. Für Frauen - ganz egal, ob im Studium oder im Beruf - bringen Kinder immer Nachteile, entweder durch die Reduzierung der Erwerbstätigkeit oder durch Doppelbelastungen, weil es keine innerfamiliäre Arbeitsteilung und ausreichend Kinderbetreuung gibt. Auch an den Hochschulen spiegeln sich also veraltete Rollenmuster wider, die sich vor allem negativ auf Frauen auswirken.

Aus Sicht des SSW gilt es daher zu verhindern, dass Eltern ihr Studium aufgrund von Kindern abbrechen müssen oder über die Regelstudienzeit hinaus studieren. Es sollten aktuelle Informationen zu diesem Thema an den Hochschulen in SchleswigHolstein gesammelt werden, damit in den kommenden Zielvereinbarungen auf konkrete Mängel und Bedürfnisse reagiert werden kann. Darum finde ich es ausgezeichnet, dass dieser Antrag im Ausschuss weiterberaten wird.

Das Gleiche gilt für den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der von vornherein breiter gedacht ist. Sein Ansatz von Diversity/Management sollte unbedingt mit den Hochschulen diskutiert werden. Aus unserer Sicht wäre eine Anhörung angebracht, damit ersichtlich wird, welche Wege beschritten werden können, um die hier angeführten Problembereiche anzupacken und die Probleme zu reduzieren. Als Stichwort sage ich noch einmal, dass an allen Hochschulen das Problem der Abbrecherquote ein aktuelles großes Problem ist, dass die Ursachen dieser Problematik etwas mit dem in dem Antrag der Grünen aufgegriffenen Thema zu tun haben könnte. Die Ausschussüberweisung ist also vernünftig und richtig.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich weitere Gäste, und zwar Mitglieder des CDU-Ortsverbands Stein, Kreis Plön. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

(Anke Spoorendonk)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich teile die Charakterisierung des SPD-Antrags durch den Abgeordneten Daniel Günther. Das ist einer dieser Anträge, wo man sich hinterher auf seinen Kreisparteitag stellen und sagen kann: Durch unseren Antrag haben wir endlich das Thema Studium und Familie auf die Tagesordnung gesetzt. Damit werden am Ende nur Eulen nach Athen getragen. Herr Abgeordneter, wenn Sie sagen, Sie hätten großes Zutrauen, dass Sie nicht genau aufschreiben müssten, was wir machen sollten, weil Sie glaubten, die Landesregierung werde schon wissen, was sie machen solle,

(Zuruf des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

bedeutet das unterm Strich, dass Sie gar nicht genau wussten, was Sie konkret fordern wollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bei den Grünen verhält es sich ebenso. Es ist ja nicht so, dass wir dort einen himmelschreienden Skandal haben. Insofern ist mir der Antrag auch nicht sympathischer, aber ist zumindest konkreter.

Meine Damen und Herren, wir tragen deshalb Eulen nach Athen, weil die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf seit Langem eine Sache ist, die wir als Ministerium mit den Hochschulen verhandeln. Das ist seit Langem Gegenstand der Zielvereinbarungen. Herr Abgeordneter Habersaat, Sie wissen ja durch Ihre Anfrage, welche Möglichkeiten es jetzt schon gibt, inwieweit das Studentenwerk zusammen mit den Hochschulen darum bemüht ist, die Betreuungsangebote zu verbessern und familienfreundliche Lehrzeiten und Lehrveranstaltungen zu ermöglichen.

Deshalb ist die Bilanz so, dass an immerhin weit mehr als der Hälfte der Hochschulen bereits eine campusnahe Kinderbetreuung vorhanden ist. Wir räumen Beschäftigten zum Teil die Möglichkeit ein, Arbeiten von zu Hause aus zu erledigen. An fast allen Hochschulen sind zentrale Beratungs- und Anlaufstellen für studierende Eltern beziehungsweise werdende Mütter sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern eingerichtet worden, und an nahezu allen Hochschulen besteht die Möglichkeit einer individuellen Studiengestaltung.

Die Sache mit den Beratungsangeboten ist deshalb wichtig, nicht weil man die Aufgabe als Hochschule nicht selber wahrnehmen will, sondern weil es sich zum Teil um Angebote handelt, die Aufgabe

der kommunalen Träger sind. Insofern geht es auch darum, nicht alles parallel neu zu bauen, sondern eine bessere Vernetzung hinzubekommen.

Sie wissen, dass wir diese Dinge auf dem Radarschirm haben, aus zweierlei Gründen: Zum einen geht es um Familienfreundlichkeit dort, wo Studierende selber schon Eltern sind, zum anderen geht es darum, dass auch für die Beschäftigten der Hochschulen möglichst familienfreundliche Bedingungen geschaffen werden müssen - auch aus Altruismus, aber nicht nur aus Altruismus. Denn die Frage, welche Angebote es dort gibt, ist zunehmend entscheidend für die Frage, ob Berufungen stattfinden, ob bestimmte Forscher an bestimmte Hochschulen gehen und wie attraktiv eine Hochschule insgesamt ist.

Dass wir dort ständig weitermachen, können Sie daran sehen, dass auch die kleinste Fachhochschule des Landes in Heide im Moment dabei ist, auf dem Gelände eine neue Kindertagesstätte einzurichten, weil auch dort dies ein Standortfaktor ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen Punkt hinzufügen, wo vielleicht ein kleines Missverständnis besteht. Allein der Ruf nach Teilzeitstudien ist noch nicht die wirkliche Antwort. Der Grund, warum es Teilzeitstudien nur vereinzelt gibt, liegt darin, dass nach den Grundlagen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes diese Studiengänge bisher nicht anerkannt sind für eine BAföG-Finanzierung. Das ist der Punkt, um den es dabei eigentlich geht. Deshalb haben wir mit den Hochschulen den Versuch gemacht, diese Frage über eine individuelle Gestaltung der Studienangebote und der Studienzeiten zu lösen.

Meine Damen und Herren, bei den Verhandlungen über die nächsten Zielvereinbarungen, die im kommenden Jahr beginnen werden, werden wir bei vielen Fragen an einem Strang ziehen. Ich möchte vorsorglich sagen, dass wir bei dem Thema Zielvereinbarung nicht vergessen dürfen, dass es dabei nicht ausschließlich um gesellschaftliche Anliegen geht, die zu regeln sind, sondern vor allem um die Frage, wie Forschung und Lehre wahrgenommen werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/1365 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/1411 federführend dem Bil

dungsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Die europäische Gleichstellungsstrategie in Schleswig-Holstein umsetzen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1448

Neue Wege - neue Chancen: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1555

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im September 2010 hat die Europäische Kommission eine Fünfjahresstrategie für mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern in Europa angenommen. Sie soll dazu beitragen, das Potenzial der Frauen für die wirtschaftlichen und sozialen Ziele der EU zu nutzen. Es geht der Kommission darum, dass Maßnahmen ergriffen werden, die von einer Stärkung des Frauenanteils in Leitungsgremien von Unternehmen bis zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen reichen.

Nun sind fast neun Monate vergangen. Was ist bisher geschehen? - Auf Bundesebene setzen CDU und FDP unter Führung von Familienministerin Schröder nach wie vor auf freiwillige Anstrengungen der Wirtschaftsunternehmen, um die Frauenquote in den Führungsgremien zu erhöhen. Deutschland gehört hier zu den Schlusslichtern in Europa. Diese Tatsache belegt doch, dass mit der seit Jahren propagierten Freiwilligkeit wenig zu erreichen ist.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die Beschäftigungsquote von Frauen nimmt zwar zu, sie liegt aber nach wie vor unter der der Män

ner. Es arbeiten zwar mehr Frauen, sie arbeiten insgesamt aber nicht mehr Stunden. Das bedeutet, dass gerade Frauen häufig in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, häufig als unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte, als Minijobberinnen ohne soziale Absicherung. Das bedeutet: schlechtere Bezahlung, fehlende eigenständige Existenzsicherung, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und nicht zuletzt Altersarmut.

Frauen verdienen weniger als Männer, 17,8 % im EU-Schnitt, in Deutschland sogar 23 %. Frauen sind in den Chefetagen deutlich unterrepräsentiert, sie leisten den größten Teil der Familienarbeit, bei häuslicher Beziehungsgewalt sind sie überwiegend die Opfer. - Fakten, die wahrlich nicht neu sind, Missstände, die wir hier wiederholt diskutiert haben.

Was tun aber die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen? - Es werden zu den entsprechenden Anlässen Sonntagsreden gehalten und im Alltag, zum Beispiel bei der Verabschiedung des Haushalts, Kürzungen bei Beratungsstellen und Frauenhäusern vorgenommen. Eine gesetzliche Quotierung für die Leitungsgremien großer Unternehmen wird bisher ebenso abgelehnt wie die Einführung eines Gleichstellungsgesetzes für die private Wirtschaft.

Die Landesregierung stellt sich mit ihrem Nein zur Quote sogar gegen das Votum der Justizministerkonferenz, eine gesetzlich verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten einzuführen. Wir fordern die Landesregierung auf, analog zur Gleichstellungsstrategie der Europäischen Kommission einen regionalen Gleichstellungsfahrplan aufzustellen und umzusetzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Uns geht es darum, dass Initiativen unterstützt werden, die gleiches Einkommen von Männern und Frauen bei gleicher und gleichwertiger Arbeit umsetzen wollen. Eine verbesserte Lohntransparenz ist ebenso erforderlich wie eine verbindliche Quote in Leitungsgremien großer Unternehmen und ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft. Wir fordern die Landesregierung auf, die Arbeit der Frauenberatungsstellen stärker zu unterstützen und sich insbesondere dafür einzusetzen, dass die Beratungsstellen „Frau & Beruf“ auch weiterhin gefördert werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)