Protocol of the Session on March 25, 2011

auch weiterhin einsetzen. Es war richtig, auf Bundesebene einen Runden Tisch zur Heimerziehung einzuberufen.

Die Ergebnisse werden wir hier im Land weiterhin gemeinsam besprechen. Ich bin sehr froh darüber, dass das möglich gewesen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Antje Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das schwere Unrecht, mit dem wir uns heute wieder befassen müssen, ist schon viele Jahre her. Als es vor 14 Jahren langsam zum Ende kam, war es noch lange nicht als solches anerkannt. Wieder mussten drei bis vier Jahrzehnte vergehen, bis man merkte, dass Taten wie Körperverletzung, sexueller Missbrauch, Freiheitsberaubung und dergleichen, sonst selbstverständlich als Straftatbestände verfolgt, auch als solche anzuerkennen sind, wenn diese an Heimkindern verübt wurden.

Folge der jahrzehntelangen Verzögerungen: Die Betroffenen mussten ihre traumatischen Erfahrungen und ihr Leid oft ein ganzes Leben lang mit sich herumschleppen und haben inzwischen oft schon ein hohes Alter erreicht. Da sie in den Jahren der Zwangsarbeit, die sie für staatliche oder kirchliche Träger erbringen mussten, kaum entlohnt wurden und auch keine Rentenversicherungsbeiträge für sie gezahlt wurden, müssen sie jetzt im Alter oft in Armut leben. Deshalb ist es wichtig, dass bald mit den Auszahlungen von Entschädigungen begonnen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Land Schleswig-Holstein hat dabei eine besondere Verantwortung. Die Untersuchung die Zustände im Erziehungsheim Glückstadt haben gezeigt, unter welchen verheerenden Bedingungen Teile der Heranwachsenden zu leiden hatten. Der Runde Tisch, der von der damaligen Landesregierung eingerichtet wurde, hat mit der Aufarbeitung begonnen. Ich muss lobend sagen: Hier hat die Landesregierung damals das Unrecht eingestanden. Das ist gut so. Das ist von den Heimkindern auch mit hoher Anerkennung angenommen worden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist gut, dass der Runde Tisch „Heimerziehung“ auf Bundesebene zu einer Einigung gekommen ist. Dort ist man zu einer klaren und eindeutigen Bewertung der Taten gekommen, trotzdem sie schon einige Jahrzehnte zurückliegen. Jetzt ist es Sache der Landesregierung, dafür zu sorgen, dass Schleswig-Holstein seinen Beitrag zur Umsetzung des gefundenen Kompromisses leistet. Herr Minister Garg hat schon Vorschläge und das Angebot gemacht, einen Runden Tisch einzurichten. Mit der parteiübergreifenden Verabschiedung des Antrags in der letzten Tagung haben wir einen guten ersten Ansatz gefunden. Das muss jetzt mit Leben gefüllt werden. Ich hoffe, wir sind daran beteiligt, Lösungsvorschläge anzubieten.

Ungeachtet dessen sollte es unserer Meinung nach die Auseinandersetzung über die Höhe der Entschädigung, insbesondere die Art ihrer Bewilligung geben. Es ist gut, dass endlich einer breiteren Öffentlichkeit klargeworden ist, welches Unrecht hier geschehen ist. Noch nicht so klar scheint allerdings zu sein, um was es sich bei den sogenannten Entschädigungen eigentlich handelt. Es muss sich zunächst einmal um eine Nachzahlung von Lohn- und Rentenversicherungszahlungen handeln. Denn genau um diese sind die Betroffenen - bei gleichzeitiger Misshandlung - betrogen worden. Denn bei der Arbeit, die jahrzehntelang verrichtet wurde, handelte es sich nicht etwa um Arbeits- und Beschäftigungstherapien. Nein, hier wurden auf dem Rücken der Schutzbefohlenen Gelder erwirtschaftet, Umsätze gemacht und Werte geschaffen. Genau darauf könnte und müsste zugegriffen werden beim Bund, bei den Bundesländern, bei den Kirchen, bei den Ordensgemeinschaften, bei den öffentlichen Jugendhilfeträgern - auch der Kommunen -, bei den Landkreisen, bei den Heimträgern und bei den Trägerverbänden. Außerdem wäre eine Entschädigung zu zahlen

(Beifall bei der LINKEN)

dafür, dass die Betroffenen im Anschluss oft nie wieder einer geregelten Beschäftigung nachgehen konnten, ganz abgesehen von dem Trauma, das sie oft ein Leben lang begleitet hat und bis heute begleitet.

Aber auch bei der Frage der Bewilligungsverfahren kann das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Es geht vor allem um die Nachzahlung von Lohnund Rentenversicherungszahlungen.

Eine Einzelfallprüfung, die die Betroffenen dazu zwingen würde, erlittene Misshandlungen noch ein

(Dr. Marret Bohn)

mal durchleiden zu müssen, ist deshalb nicht angebracht, würde unnötig alte Wunden wieder aufgreifen und sie in die Position von Bittstellern bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch nicht sein, dass ein demokratischer Staat jahrzehntelang seine Fürsorgepflichten gegenüber den von ihnen in Obhut genommenen Kindern und Jugendlichen vernachlässigt, dann jahrzehntelang die Aufarbeitung blockiert. Ich hoffe, in Schleswig-Holstein haben wir mit der Einrichtung des Runden Tisches den Anfang gemacht, damit das nicht geschieht, was viele betroffene Heimkinder bei der Aufarbeitung des Runden Tisches auf Bundesebene kritisieren, nämlich dass die Aufarbeitung verzögert wird. Wir werden sie hier in Schleswig-Holstein hoffentlich nicht blockieren. Wir werden hier mitarbeiten, sodass die Heimkinder zu ihrem Recht kommen.

Der Runde Tisch „Heimerziehung“ auf Bundesebene hat zügig gearbeitet und nach unserer Meinung gute Ergebnisse erzielt. Die Betroffenen kritisieren die Ergebnisse zum Teil aber. Wir hoffen, dass wir, wenn wir hier diesen Runden Tisch einrichten, mit den Betroffenen gemeinsam am Runden Tisch Entschädigungen in ihrem Sinn entwickeln können.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich möchte mich ausdrücklich für Ihren Bericht bedanken. Wir konnten schon mitverfolgen, was der Runde Tisch in Berlin beschlossen hat, uns also den gesamten Abschluss ansehen. In der letzen Debatte zum Thema Fürsorgeerziehung herrschte Einigkeit darüber, wie wichtig die Aufarbeitung der Unrechtshandlungen in der Heimerziehung der 50er-, 60er-, aber - das bitte ich nicht zu vergessen auch der 70er-Jahre ist. Wir wiesen damals darauf hin, dass die Frage nach einer finanziellen Entschädigung für die Opfer dringend geklärt werden muss. Dies trägt als symbolischer Beitrag zur Anerkennung des Erlittenen bei.

In Flensburg ist in dieser Woche die Wanderausstellung eröffnet worden. Der Verein Frauenmantel hat dies initiiert. Es kamen mehrere betroffene Frauen zu Wort, die Folgendes berichteten. Frau Renate Werner erklärte:

„Ja, wir müssten eine Entschädigung bekommen, aber nicht so, dass wir da jahrelang hinterherlaufen müssen, das wäre so ein Gefühl von Betteln und dass die uns nicht richtig glauben.“

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich finde es ganz wichtig, dass wir das auf den Weg bringen, dass die Entschädigungszahlungen geleistet werden können. Das bedeutet, dass der Fonds, der eingerichtet wird, so schnell wie möglich in Gang kommen muss beziehungsweise eine Klärung zwischen den Bundesländern stattfinden kann.

Ich bin Frau Klahn ausgesprochen dankbar, dass sie andeutete, dass die Kommunen möglicherweise nicht mit herangezogen werden, sondern es BundLänder-Vereinbarungen gibt, dass das Land Schleswig-Holstein in die Bresche springt. Denn betroffen war das Landesfürsorgeheim Glückstadt und nicht das der Kommune Glückstadt.

(Beifall der Abgeordneten Serpil Midyatli [SPD])

Dieses Heim ist ja in Schleswig-Holstein das Symbol dafür, wie Heimerziehung nicht erfolgen sollte. Das Schlechteste, was jemandem passieren konnte, war, dass man dort hinkam.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass vielen anscheinend gar nicht klar ist, worüber wir sprechen. Es hört sich so an, als sprächen wir über ältere Menschen. Nein, es ist meine Generation. Ich bin Jahrgang 1957, heute 54 Jahre alt. Das Wort, das früher uns gegenüber benutzt wurde: „Du kommst sonst ins Heim“, eine echte Drohung, wenn man über die Zustände von Glücksburg und anderen Heimen redet.

(Johannes Callsen [CDU]: Glückstadt!)

Das ist unglaublich.

Der Landtag hat sich immer wieder bemüht, das Unrecht, das in diesem Heim stattfand, zu stoppen. Es wurde wegen der nicht mehr vorhandenen Wirtschaftlichkeit gestoppt. Hintergrund dabei war die Herabsetzung des Erwachsenenalters auf 18 Jahre. Man war nun mit 18 Jahren geschäftsfähig. Damit „entfielen“ drei Jahre der Betreuung im Heim Glückstadt. Das ist der einzige Grund gewesen. Das muss man sich einmal klarmachen. Obwohl sich der Landtag gegen das Heim ausgesprochen hatte - es ist über menschenverachtendes Verhalten dort gesprochen worden -, wurde das Heim erst ge

(Antje Jansen)

schlossen, als man sah, dass man nicht mehr genügend potenzielle „Kunden“ bekam.

Es ist ganz wichtig, dieses Unrecht anzuerkennen. Wichtig ist auch, dass die Straftaten, die in diesem Zusammenhang durch den Staat und die Kirchen begangen wurden, verjährt sind und dass es keinen verbindlichen Rechtsanspruch auf Entschädigung gibt. Die finanzrelevanten Vorschläge, insbesondere die Initiierung eines Fonds für ehemalige Heimkinder, sind angesichts von voraussichtlich mindestens 30.000 Anspruchsberechtigten nicht genug. Gut ist, dass man versucht, einen Rentenersatzfonds zur Verfügung zu stellen, da ja trotz der Zwangsarbeit, die dort verrichtet werden musste, keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden.

Wir alle wissen um unsere besondere Verantwortung. Allein schon aus diesem Grund ist die zügige Umsetzung der Ergebnisse absolut erforderlich. Der konkrete Zeitplan sollte sehr konkret sein, weil die Betroffenen schon seit Jahren und auch weiterhin unsere Hilfe dringend benötigen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Für uns ist auch ganz wichtig zu erwähnen, dass viele Vorfälle bis heute leider nicht restlos aufgeklärt sind. Wichtig ist für die Opfer der Heimerziehung auch, dass sie weiterhin qualifizierte Ansprechpartner vor Ort haben. Eine regionale Anlaufstelle leistet bei der Aufarbeitung der traumatisierenden Erlebnisse qualifizierte und wertvolle Hilfe.

Für den ebenfalls wichtigen Bereich der wissenschaftlichen Aufarbeitung regen wir an, diese Aufgabe an einer der Universitäten im Land anzusiedeln. Wir wissen auch, dass es in den betreffenden Jahren nicht nur die Fürsorgeheime waren, sondern auch die Erziehung im weiteren Sinne. Viele Kinder waren zu längeren Kuraufenthalten und Ähnlichem hier im Land. Wir sollten einfach genau hinschauen, wie Kindeswohl damals gesehen wurde. Die gesellschaftliche Verantwortungskette wurde von meinen Vorrednerinnen bereits angesprochen. Es ist auch kein Einzelner allein für sich verantwortlich, sondern alle zusammen. Es geht um das Bild der Gesellschaft von damals.

Wir halten es für notwendig, dass den Betroffenen geholfen wird. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn der Zeitplan schnell verwirklicht würde, damit die betroffenen Frauen und Männer endlich auch durch einen finanziellen Beitrag Anerkennung erhalten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Tagesordnungspunkt ist damit abgeschlossen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 18 auf:

Rücknahmequote für gebrauchte Energiesparlampen erhöhen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1356

Dieses Thema holt uns nun in die Gegenwart zurück. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die alte Glühbirne ist Technologie von vorgestern. Sie produziert mehr Wärme als Licht und heizt den Klimawandel an. Statt den immer noch steigenden Energieverbrauch weiter zu beschleunigen, brauchen wir effizientere Technologien.

Energiesparlampen sind eine wichtige Einsparmöglichkeit, auf die wir nicht verzichten können. Der Ersatz einer 60-Watt-Glühbirne durch eine gleich helle 11-Watt-Energiesparlampe spart jährlich 30,4 kg CO2. Angesichts der Vielzahl der Lichtquellen in unseren Häusern -